Dass Leipzig ein Finanzierungsproblem hat, wissen die Leipziger schon länger: Die Steuereinnahmen sind zu gering, die Finanzzuweisungen von Bund und Land laufen seit Jahren an der Schmerzgrenze. Die großen Investitionen der 1990er Jahre, ohne die Leipzig noch heute ein Schmuddelkind wäre, wurden zum größten Teil auf Pump gebaut. Bis 2004 wuchs die Kreditlast der Stadt auf 911 Millionen Euro.

Diese Kreditlast hat die Stadt bis dato auf 708 Millionen Euro abgebaut. Auch im 2014er-Haushalt steckt ein Stück Schuldenabbau. Auf 676 Millionen Euro soll die Schuldenlast abschmelzen. Doch was passiert mit einem schon auf Kante genähten Haushalt, wenn die Kosten trotzdem stärker steigen als die Einnahmen?

Denn in den 90 Millionen Euro Fehlbetrag, die Leipzigs Finanzbürgermeister Torsten Bonew der Verwaltung und den Stadtratsfraktionen vor der Sommerpause präsentierte, steckten zum Beispiel 25,86 Millionen Euro, die durch die ausgehandelten Tarifsteigerungen allein beim Personal entstehen. Die Zensus-Ergebnisse, die im Mai erst vorgestellt wurden, bedeuten rund 8 Millionen Euro an Mindereinnahmen.

Sie resultieren aus dem überdurchschnittlich hohen “Bevölkerungsschwund” durch die Zensus-Ergebnisse von 4 Prozent. Der sächsische Durchschnitt betrug nur 2 Prozent. Heißt für Leipzig: Bei den Finanzausgleichsmitteln (FAG) muss Leipzig 2014 an die weniger “geschrumpften” Großstädte Dresden und Chemnitz abgeben. Zwar hat Leipzig seit 2011 schon wieder über 20.000 Bewohner hinzugewonnen. “Da können wir hoffentlich die Delle dann 2015 wieder ausgleichen”, sagt Bonew.

Aber auch das hilft nicht wirklich weiter, denn die FAG-Mittel schmelzen auch insgesamt ab. Von 418 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 410 Millionen im nächsten Jahr, 398 Millionen im Folgejahr usw. – Ursache sind natürlich der auslaufende Solidarpakt und die sinkenden Finanzzuweisungen des Bundes. Was Leipzig so nach und nach in einen Finanzengpass treibt, wie ihn Städte in Nordrhein-Westfalen schon lange kennen. Nur wird es in Sachsen keinen genehmigten Haushalt geben, wenn der Ergebnishaushalt nicht ausgeglichen ist.

Bei einem Punkt appelliert nun auch Torsten Bonew dringend an die sächsische Staatsregierung. Denn die diversen Finanzzuweisungen von Bund und Land werden zwar nach Einwohnern berechnet – da ist Bevölkerungswachstum etwas Gutes. Doch die Gewinne daraus werden im Stadthaushalt nicht wirklich sichtbar, sie entsprechen nicht ansatzweise den damit steigenden Kosten. Thema: Kindertagesstätten und vor allem Kinderbetreuung.

Hier geht der Kämmerer 2014 von einem Anstieg der Kosten der Stadt von 30 Millionen Euro aus. Seit 2005 aber hat der Freistaat Sachsen seinen Anteil an den Kosten der Kinderbetreuung gedeckelt. Längst muss der Löwenanteil aus dem Etat der Stadt gedeckt werden, was 2014 zu einem Anschwellen des Etats im Dezernat Jugend, Soziales und Schule von 467 auf 487 Millionen Euro führt. “Und wir stehen zu unseren Kindertagesstätten”, sagt Bonew.

Aber aus städtischen Mitteln allein kann der Zuwachs an Betreuungsplätzen nicht bezahlt werden. Bonew appelliert deshalb an die Staatsregierung, die Deckelung des Beitrags des Landes endlich zu lösen und wieder ein Drittel der Betreuungskosten in den Kitas zu übernehmen. Wie das bis 2005 die Regel war: Land, Stadt und Eltern haben sich zu je einem Drittel in die Kosten geteilt. Doch seitdem schrumpft der Anteil des Landes an den steigenden Kosten – die Beiträge für Stadt und Eltern steigen. Das funktioniert nicht auf Dauer.

Aber um überhaupt noch handlungsfähig zu bleiben wird die Stadtverwaltung in den nächsten Wochen den Vorschlag auf den Tisch legen, den Elternanteil bei den Kita-Nebenkosten auf den vom Land festgelegten Maximalbetrag von 30 Prozent zu erhöhen. und auch die Abschaffung der Freiplätze für kinderreiche oder sozial schwache Familien stellt Bonew zur Disposition. Ein Tabu-Bruch.

Ob OBM Burkhard Jung da mitspielt, ist offen. Am Mittwoch betonte er, dass er jeden einzelnen Sparvorschlag auch auf seine Vereinbarkeit mit der strategischen Stadtpolitik prüfen wolle. Die Schaffung von Rahmenbedingungen für Familien mit Kindern ist eines der beiden strategischen Ziele. Übrigens auch vom Stadtrat so beschlossen.Aber wenn solche Vorschläge jetzt auf den Tisch kommen, sollte es einigen Leuten doch endlich die Augen öffnen, wie knapp es um die Kommunalfinanzen bestellt ist.

Die Eltern in Leipzig mit kleinen Kindern merken als allererste, wie klamm der kommunale Haushalt längst ist. Den meisten anderen Kommunen in Deutschland geht es nicht anders. Und es ist schon verblüffend, dass keine einzige Partei die Misere der Kommunalfinanzen zum Wahlkampfthema gemacht hat. Das ist im Grunde das Mega-Thema. Die Steuereinnahmen in Deutschland erreichen immer neue Rekordstände – aber in den Kommunen, die die meisten sozialen Pflichtaufgaben zu erfüllen haben, kommt immer weniger Geld an. “Es ist schon eine Meisterleistung, in einem Haushalt, in dem 95 Prozent Pflichtaufgaben sind, in so kurzer Zeit 20 Millionen Euro abzuknapsen”, lobt Bonew die Ämter und Dezernate, die im Sommer schon erste Sparpotenziale meldeten.

Aber nicht nur bei den Elternbeiträgen werden es die jungen Leipziger merken, wie eng die Etats sind. Statt das Kita-Bau-Programm 2014 zu forcieren, wie es eigentlich nötig wäre, um die Kita-Platz-Garantie zu erfüllen, wird Leipzig 2014 weiter drosseln. Es wird kein besonderes städtisches Kita-Programm geben. Das Geld ist schlicht nicht da. Und nicht nur hier werden Bauprojekte verschoben und “gestreckt”, dasselbe gilt auch für andere Bau- und Sanierungsmaßnahmen.

Prominentestes Opfer: das Alte Rathaus. Die geplante, Millionen Euro teure Sanierung bis zum 1.000-jährigen Jubiläum der Ersterwähnung 2015 fällt aus. Was Torsten Bonew als Beauftragter für dieses nun wirklich einmalige Jubiläum natürlich besonders sauer ankommt. Aber er scherzt auch: “So können wir wenigstens zeigen, dass wir zum 1.000-jährigen auch ein richtig altes Gebäude haben, dem man die Zeit auch ansieht.”

Was freilich nicht bedeutet, dass die Investitionsrate wieder zurückgefahren wird. Jahrelang lag sie bei 80 bis 90 Millionen Euro. Viel zu wenig, um auch nur so etwas wie Substanzerhaltung zu schaffen. Mit dem doppischen Rechnungswesen seit 2012 gibt es auch eine belastbare Schätzung über den Wert der Stadt und ihres Eigentums. Um diesen Wert zu erhalten, muss jedes Jahr in einer Größenordnung von 110 Millionen Euro investiert werden. Das wäre aber noch nicht einmal ein Abbau des Investitionsstaus, der sich über alle Ressorts auf über 1 Milliarde Euro summiert. Und an vielen Stellen merken es die Leipziger, wie die Substanz verschleißt.

Brennendstes Thema im letzten Jahr: Der Stau bei Schulsanierungen und vor allem die nun dringend fehlenden Schulen im ganzen Stadtgebiet. Das hat dann sogar der Freistaat akzeptiert und durch ein entsprechendes Schulbauprogramm ermöglicht, dass Leipzig seine Investitionssumme 2013 auf 197 Millionen Euro schrauben konnte.

2014 wird es etwas weniger, aber auch noch 148 Millionen Euro. Logisch, dass dabei die großen Investitionsstaus die wichtigste Rolle spielen.

Die Schwerpunkte der investiven Maßnahmen liegen auch 2014 im Bereich Schulen, Straßen und Brücken. Weiteres Augenmerk gilt – trotz aller Knappheit – dem Ausbau des Angebotes an Kindertagesstätten und somit der Umsetzung des Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren. “Auch wenn wir es nicht schaffen werden, alle Wünsche zu erfüllen”, so Bonew.

Etwa drei Viertel der Investitionsmittel setzen sich aus Fördermitteln einschließlich der investiven Schlüsselzuweisungen des Freistaates Sachsen zusammen. Die städtischen Eigenmittel machen etwa ein Viertel aus und werden überwiegend durch Kreditaufnahmen finanziert.

Aber all das auch wieder nur, wenn die Landesdirektion Sachsen 2014 den Haushalt der Stadt genehmigt. Deswegen will Torsten Bonew dem Stadtrat am 19. Dezember einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. “Um jeden Preis”, sagt er. Aber mitmachen sollen auch die Leipziger selbst.

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