Es gab einmal Zeiten, da hatte Leipzig zwischen 10 und 15 Prozent des Haushalts zur Verfügung, um Einsparpotenziale zu finden. Aber das ist jetzt gut zehn Jahre her. Seitdem hat Leipzig mehrere Konsolidierungsrunden hinter sich. Fast 95 Prozent des Haushalts besteht inzwischen aus Pflichtaufgaben, die die Stadt gewährleisten muss, auch wenn die Geldzuweisungen von Land und Bund schrumpfen.

Oberbürgermeister Burkhard Jung gab sich in dieser Beziehung bislang immer sehr optimistisch und hoffte, die Steuereinnahmen der Stadt würden die abschmelzenden Zuweisungen auffangen. Es könnte sein, dass genau das nicht funktioniert. Dazu steigen die Steuereinnahmen zu langsam. Zwar war das Überschreiten der 200-Millionen-Euro-Grenze bei den Gewerbesteuereinnahmen 2012 schon ein kleiner Rekord, auch 2013 wird die Stadt wohl planmäßig bei 210 Millionen Euro landen. Für 2014 rechnet Finanzbürgermeister Torsten Bonew mit 215 Millionen.

Aber das reicht nicht einmal, um die steigenden Kosten in der Kita-Betreuung aufzufangen, die in der Spardiskussion im Frühsommer schon einmal mit 30 Millionen Euro beziffert wurden. Über die drohende Erhöhung der Kita-Beträge für die Eltern hat die L-IZ schon berichtet. Mit einer Beteiligung von 30 Prozent bei den Kindergartenplätzen will die Stadt das vom Land vorgesehene Limit ausreizen.

Aber auch die Schaffung von neuen Betreuungsplätzen wird viel länger dauern, als geplant, kündigt Bonew an. 24 Millionen Euro wird die Stadt 2014 insgesamt weniger als angedacht in die Schaffung neuer Kita-Plätze stecken – 12 Millionen weniger in die Neuschaffung, 12 Millionen mit einer Anpassung an den “tatsächlichen Platzbedarf”. “Es geht nicht anders”, so Bonew.

Der Aufschrei einzelner Fraktionen im Stadtrat war denn auch am Mittwoch, 18. September, entsprechend groß. Aber die Zahlen sprechen für sich.

Auch eine andere Steuereinnahme steigt – aber auch diese viel geringer, als dass man die steigenden Kosten einer wachsenden Großstadt auch nur abfedern könnte. Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer steigt von 105 auf 112 Millionen Euro. Das zeigt zwar, dass der Beschäftigungsaufbau in Leipzig tatsächlich zarte Früchte trägt. Es nutzt nur nichts. Denn diese 7 Millionen Euro gehen der Stadt Leipzig allein schon durch die “Bevölkerungskorrektur” durch den “Zensus 2011” verloren.

Da muss man die Steigerung der Personalkosten um 26 Millionen Euro eigentlich gar nicht erwähnen. Da öffnet sich eine Schere, die “nach drei wirklich guten Jahren” (Burkhard Jung) 2014 erstmals dafür sorgt, dass die Leipziger wirklich einen Sparhaushalt vorlegen müssen, der richtig weh tut. Und er wird keine Eintagsfliege bleiben. “Wenn wir 2014 das Defizit nicht in den Griff bekommen, wird es uns 2015 und 2016 noch viel schwerer fallen”, sagt Torsten Bonew. Denn die Schere zwischen steigenden Ausgaben und sinkenden (Schlüssel-)Zuweisungen wird sich in den Folgejahren weiter öffnen.

Es gibt sogar Einsparungen im Haushalt der Stadt, die wurden so gar nicht gewollt. Schon jetzt können in vielen Ämtern Stellen nicht besetzt werden, weil es auf dem Markt einfach keine verfügbaren Fachleute gibt. Der demografische Wandel hat die Verwaltungen längst erreicht. Und die Sparvorgabe vom Sommer hat natürlich auch in den Ämtern die Diskussion ausgelöst: Was tun? – Jetzt wieder verkürzt ohne Lohnausgleich arbeiten wie unter den Sparhaushalten Wolfgang Tiefensees? Oder doch lieber auf Neubesetzungen verzichten und die Mehrarbeit schultern? – Es sieht so aus, dass die Rathausbelegschaft zur zweiten Variante tendiert – Einspareffekt: 6 Millionen Euro.Wie das Geld längst zusammengekratzt wird, belegt Torsten Bonew mit einem Beispiel aus dem Referat Seniorenbeauftragte. Dort will man die Druckkosten um 400 Euro senken.

Kleinvieh macht auch Mist, aber wo die Schmerzgrenze für Leipzigs Verwaltung und seine Bevölkerung liegt, das wird man tatsächlich erst in diesem Herbst erfahren, wenn wirklich darüber debattiert wird, woher die fehlenden 40 Millionen Euro kommen sollen.

Mitten im Wirbelsturm werden die drei Bereiche stehen, die OBM Burkhard Jung unbedingt ausgenommen wissen wollte von allen Einsparungen: die Stadtreinigung (weil eine schmutzige Stadt noch teurer und imageschädlicher ist als eine, in der die Stadtreinigung noch einigermaßen funktioniert), das Marktamt (das seine Kosten selbst erwirtschaftet) und die Eigenbetriebe Kultur, die mittlerweile alle ein gedeckeltes Budget haben und die Hälfte der 2014 anstehenden Tariferhöhungen aus eigener Kraft erwirtschaften müssen. Außerdem gehören sie sowohl für Burkhard Jung als auch Torsten Bonew zum Flair und zum Image der Stadt.

Dass Burkhard Jung den Bau einer zweiten Spielstätte für das Schauspiel bis 2017 in Aussicht stellte, fand mittlerweile auch Kritik im Stadtrat. Andererseits betonte Bonew auch: Für 2014 ist dieses Bauvorhaben im Haushalt gestrichen.

Wenn der Haushalt 2014 bis zur Abstimmung im Stadtrat am 19. Dezember genehmigungsfähig werden soll, müssen nicht nur etliche Ämter noch ihre Hausaufgaben machen. Auch die Fraktionen – so Bonew – sind jetzt gefragt, echte Einsparvorschläge zu bringen. Über die Lage hat er die Fraktionsspitzen schon im Frühsommer aufgeklärt. Die Stadträte waren dann wohl auch entsprechend still, hätten wohl auch den Ernst der Lage mittlerweile erkannt.

Aber um dem Zug noch mehr Tempo zu geben, greift Torsten Bonew einen Vorschlag aus der Bürgeraktion “Leipzig Weiter Denken” auf: Er will auch die Leipziger zum Nachdenken über nachhaltige Einsparungen einladen. “Das erste, was ich mache: Ich werde beantragen, den Haushaltsrechner der Stadt vom Netz zu nehmen”, so Bonew. Der macht in dieser Phase wirklich nicht mehr viel Sinn, denn Umverteilungsmasse, um in der Stadtpolitik neue Akzente zu setzen, gibt es kaum noch.

Was gebraucht wird, ist eine qualifizierte Diskussion über Aufgaben und nachhaltige Sparmaßnahmen. Dazu soll am 23. Oktober eine repräsentative Bürgerkonferenz stattfinden. Also kein Forum mit zufälligem Publikum, sondern eine Veranstaltung mit qualifiziert ausgewählten Bürgern, die auch tragfähige Vorschläge diskutieren können.

Für Torsten Bonew steht damit auch die eigene Zuversicht im Raum: “Wir können es aus eigener Kraft schaffen.”

In den jetzt vorgelegten Entwurf zum Haushalt können die Leipziger natürlich Einsicht nehmen: Nach der Behandlung des Haushaltsentwurfs für das Jahr 2014 im Stadtrat folgt eine knapp dreiwöchige öffentliche Auslage. Den Leipzigern ist es möglich, den Etatentwurf einzusehen und Einwände zu stellen. Nach der Auslage des Entwurfs behandeln ihn die Fachausschüsse des Stadtrates und die Stadtbezirksvertretungen. Anschließend stimmt die Ratsversammlung über eingegangene Einwände ab und kann den Haushaltsplan im Dezember 2013 beschließen.

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