Es gibt diese Leipziger, die hartnäckig bleiben, die immer wieder nachfragen und nicht jede Zahl glauben, die ihnen vorgezaubert wird. Zwei dieser Zahlen haben es Matthias Malok besonders angetan. OBM Burkhard Jung hatte sie im OBM-Wahlkampf immer wieder gern genannt. Und am 26. Juni antwortete er Matthias Malok persönlich und ausführlich. Aber nicht ausführlich genug.
“Die angestrebte Einwohnerzahl von 600.000 im Jahr 2022 und die Verdopplung der Gewerbesteuereinnahmen sind als notwendige politische Vision zu verstehen, die von
entsprechender Verantwortung zeugt, das städtische Handeln auf diese Zielgröße zu fokussieren”, schrieb er ihm und erläuterte, warum er zuversichtlich sei, diese “Zielgrößen” zu erreichen.
Aber Statistik ist kein Wünsch-dir-was. Sie stellt bestenfalls fest, was ist. Und da geht es schon los. Über die “Halbierung der Arbeitslosigkeit seit 2007”, die auch die Leipziger SPD gern zitiert, lassen wir uns hier nicht wirklich breit aus. Die Zahlen sprechen für sich. Malok hat in einer Beschwerde an die Landesdirektion die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit einfach mitgeschickt. Beschwert hatte er sich, weil die Beantwortung seiner Bürgeranfrage einfach von der Tagesordnung der Stadtratssitzung vom 10. Juli genommen worden war. Immerhin ist das jenes Gremium, das mit seinen Beschlüssen untermauern kann, ob Leipzig sich weiterentwickelt oder stagniert. Wer Wachstum erreichen will, braucht eine Strategie und mit Geld untersetzte Projekte.
Nach den Angaben der Arbeitsagentur sank die Arbeitslosenzahl in Leipzig von 2007 bis 2012 von 42.569 auf 30.597. Macht 11.972 Personen weniger oder 28 Prozent. Nimmt man die Arbeitsuchenden, dann sank der Wert von 66.088 auf 56.141. Macht sogar nur 9.947 Personen oder 15 Prozent. Die gern zitierten 50 Prozent Rückgang sind also eine Art Schönfärberei.
Dass eine Stadt Ziele haben muss, keine Frage. Ob Leipzig mal wieder 600.000 Einwohner haben wird, wissen die Sterne. Denn bislang generiert sich das Bevölkerungswachstum reineweg aus Zuzügen. Nicht nur Leipzig erlebte in den letzten Jahren diese Flucht vom Land in die Großstadt. Aber es ist absehbar, dass dieser Zuzug endlich ist und sich irgendwann erschöpft. Die ländlichen Räume sind ja keine Gebärfabriken.Aber wirklich kritisch wird es, wenn bis 2022 eine Zunahme der Gewerbesteuereinnahmen auf 400 Millionen Euro versprochen wird. Dazu fehlen die großen Steuerfabrikanten in Leipzig. Auf seine Nachfrage zur Gewerbesteuerentwicklung bekam Malok sogar eine sehr genaue Tabelle, die den Verlauf der Gewerbesteuereinnahmen seit 2005, wo sie bei 148 Millionen Euro lagen, bis 2012 zeigt, wo sie bei 190 Millionen landeten. Brutto. Die Stadt darf nicht einmal die komplette Einnahme behalten, sondern nur das netto, das 2005 gerade einmal 133 Millionen Euro betrug und 2012 dann 176 Millionen Euro.
Bis 2016 gibt es auch schon Planzahlen, die durchaus mutig sind. Leipzig hat oft genug erlebt, wie Wirtschaftskrisen, Rückforderungen oder Änderungen des Steuerrechts dazu führten, dass heftige Millionenbeträge wieder zurückgezahlt werden mussten. Bis 2016 soll nach diesen Planzahlen das Gewerbesteueraufkommen auf 225 Millionen Euro steigen (von denen dann Leipzig netto 208 Millionen behielte). Danach gibt es nur noch einen möglichen linearen Trend, bei dem angenommen wird, es geht weiter so, Leipzig bleibt weiter eine wirtschaftlich wachsende Stadt. Was sie ja zum Glück in den letzten Jahren war, wenn auch nicht auf dem hohen Niveau, das eine Stadt dieser Größenordnung eigentlich braucht. Das Wachstum ist größtenteils kleinteilig, findet vor allem im Dienstleistungsbereich und mit entsprechend geringeren Bruttoumsätzen statt.
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Ginge es ab 2017 so weiter, könnte Leipzig im Jahr 2022 bei 254 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen ankommen (netto: 238 Millionen). Das ist, ohne dass man groß rechnen muss, weit weg von den anvisierten 400 Millionen Euro.
Der Referenzzeitraum, den Burkhard Jung benannte, waren die Jahre 1995 bis 2005, in denen sich das Leipziger Gewerbesteuereinkommen verdoppelte von 77 auf 148 Millionen Euro (was natürlich mathematisch auch keine Verdoppelung ist). Nur gab es in dieser Zeit mehrere wichtige Ansiedlungen, die diesen Sprung beförderten – auch einige große Finanzinstitute darunter. Leipzig bräuchte also, um den Wert wieder zu verdoppeln, eine Ansiedlungspolitik wie in den 1990er Jahren.
Die gibt es aber nicht. Aber wenn eine Stadtspitze solche Steigerungen in den Gewerbesteuereinnahmen will, müsste sie zumindest ein Konzept dafür auf den Tisch packen. Mit welchen Neuansiedlungen will sie diesen Sprung schaffen? Wo sollen sie angesiedelt werden? Welche Infrastrukturen braucht man dafür?
Wäre ja mal was: Eine mit konkreten Bausteinen untersetzte Wirtschaftsstrategie für Leipzig.
Auweia. Da haben wir jetzt aber was gesagt.
Entsprechend lautete dann auch die letzte Frage von Matthias Malok: “Wie viel Ansiedelungen mit welcher Umsatzprognose und welcher Anzahl an sozialversicherungspflichtige Personen werden, in welchen Jahren bis 2020, in Leipzig ansässig?”
Wenn man das beantworten kann, kann man wohl auch die Gewerbesteuerzunahme prognostizieren.
Die Entwicklung der Gewerbesteuer nach den Haushalts-Ansätzen der Stadt als PDF zum download.
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