Was passiert eigentlich, wenn mit den steigenden Zahlen der Studienanfänger immer mehr junge Leute in die Großstädte ziehen? Klar: Deren Bevölkerung wächst. Gegen den Trend. Der Leerstand sinkt. Der Wohnraum wir knapper. Erst in den begehrten Vierteln, dann in denen drumherum. 69.000 Wohnungen standen zu Beginn des Jahrtausends in Leipzig noch leer. 34.000 leer stehende Wohnungen meldete das Baudezernat noch vor einem Jahr. Am 5. April 2013 sprach Baudezernent Martin zur Nedden noch von 20.000 bis 25.000.

Dahinter steht ein Bevölkerungszuwachs von rund 490.000 auf 528.000 Personen im Dezember 2012. So zumindest im Einwohnerregister. Allein 2012 wuchs die Leipziger Bevölkerung um 10.000 Personen. Wenn das so weiter geht, kann sich jeder selbst ausrechnen, wann die Reserven vermietet sind. Und am Horizont winkt die Zahl 600.000. Die nennt OBM Burkhard Jung immer wieder, denn wenn das Wachstum derart stabil bleibt – auch 2011 hatte Leipzig einen Bevölkerungszuwachs von 9.000 – dann erreicht Leipzig 2020 die Einwohnerzahl 600.000. Mit allen Problemen.

Manche sind schon jetzt spürbar. Denn die Hauptlast der Gewinnung von neuem Wohnraum liegt im privaten Wohnungsbau, vorrangig in der Sanierung von Mehrfamilienhäusern. Rund 700 Mehrfamilienhäuser haben 2012 einen neuen Besitzer gefunden. Tatsächlich aber ist der Zuwachs von neuen Wohnungen viel geringer, schwankt in den letzten Jahren zwischen 555 (2008) und 431 (2011). Und das sind oft genug entweder Wohnungen in Einfamilienhäusern oder in hochwertigen Wohnlagen. Denn Wohnungsbau ist teuer.

“Wer heute baut, braucht in der Regel 6 bis 7 Euro, um die Investition zu refinanzieren”, sagt Martin zur Nedden. Das liegt schon deutlich über dem Leipziger Durchschnittsniveau, das seit Jahren relativ stabil bei 5 Euro liegt. Auch weil die Sanierung im Altbau vor allem als Steuerabschreibungsmodell funktioniert – Anleger finanzieren die Erstsanierung der Gebäude. Wenn sie nach einigen Jahren ihre Anlage weiterverkaufen, hat sich die Sache über die Steuerabschreibung rentiert. Der neue Besitzer kann das Haus preiswerter vermieten – 4,66 Euro Nettokaltmiete sind in den 2012 gehandelten Mehrfamilienhäusern der Schnitt.

Mit einem leicht höheren Mietniveau in Leipzig-Mitte von 5,39 Euro und 4,24 Euro im Leipziger Osten und 4,33 Euro in Leipzig-Altwest. Das differenziert schon jetzt die Wohnbevölkerung. Angefangen bei den ALG-II-Empfängern, denen als “angemessene Kosten der Unterkunft” seit 2012 4,48 Euro je Quadratmeter zugestanden werden. Noch können sie ausweichen. Und tun es auch. Noch gibt es da und dort auch die kleinen Wohnungen, bei denen die zugestandenen Wohnraumgrößen eingehalten werden.Aber es ist wie noch vor sieben Jahren bei Kita-Plätzen und Schulkapazitäten. Da standen die Warnungen hier, weil alle Zahlen genau die Entwicklung beschrieben, die heute eingetreten ist. Doch in beiden Fällen ging die Stadt Leipzig viel zu spät daran, den notwendigen Investitionsberg anzugehen. Gründe dafür gibt es viele. Gewährte und nicht gewährte Fördermittel (wie beim Schulhausbau) spielen dabei eine nicht unwesentliche Rolle.

Doch auch dem Leipziger Planungsbürgermeister ist mittlerweile bewusst, dass man auch im Fall bezahlbaren Wohnraums nicht warten darf, bis das Problem zur offenen Wunde wird. Dauert es zwei Jahre, drei Jahre, bis die vorhandenen Kapazitäten ausgereizt sind?

“Auch dem Oberbürgermeister ist sehr wohl bewusst, dass das Thema sozialer Wohnungsbau auf der Tagesordnung steht”, sagt Martin zur Nedden. Bewusst ist es auch dem Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU). Am 28. Februar ging er in einer Rede vor dem Bundestag auf das Thema ein, das in anderen deutschen Großstädten schon wesentlich prekärer ist. Leipzig zehrt von dem Leerstand, der in den 1990er Jahren gewachsen ist.

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“Unser Ziel ist es, auf jährlich etwa 250.000 neue Wohnungen zu kommen, sodass wir innerhalb der nächsten fünf Jahre das Defizit abbauen. Wir haben gute Aussichten, das auch zu schaffen, wenn wir es richtig anpacken”, sagte Ramsauer. “Wir tun bereits eine ganze Menge dafür. Man kann nicht oft genug daran erinnern, dass Bund, Länder und Gemeinden für das Wohnen, für die Kosten der Unterkunft und für das Wohngeld eine Summe von etwa 17 Milliarden Euro bereitstellen und dass wir infolge der Föderalismusreform seit 2007 den Ländern jährlich 518 Millionen Euro für die soziale Wohnraumförderung in die Hand geben. Ich trete sehr dafür ein, dass wir diese Summe über das Jahr 2014 hinaus verstetigen. Dabei stimmen wir mit Ihnen überein; Sie verlangen das auch.”

“Dieses Geld wird an die Bundesländer ausgereicht und von diesen verteilt”, sagt Baubürgermeister zur Nedden. “Das Problem ist nur, dass Sachsen ein solches Programm nicht hat.” Was dann insbesondere die beiden wachsenden Großstädte Dresden und Leipzig mit dem Thema wieder im Regen stehen lässt.

“Es wäre gut, wenn wir sozialen Wohnungsbau hätten”, sagt zur Nedden. Aber ohne Fördergeld ist es nicht machbar.

Dass die Probleme sich in Leipzig verdichten werden, ist absehbar. Noch wäre Zeit, das Ganze langfristig anzugehen, die Planungen voranzutreiben, die möglichen Träger von der LWB bis zu den Genossenschaften mit ins Boot zu holen und vor allem gezielt dort zu investieren, wo der steigende Bedarf absehbar ist.

Peter Ramsauers Rede zum geförderten Wohnungsbau: www.bundesregierung.de/Content/DE/Bulletin/2013/02/22-1-bmvbs-bt.html;jsessionid=D38B3C7171B8D8227A8868E87A990A68.s1t1

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