Erstaunliche Schützenhilfe bekommen die Leipziger Linken, die die Absetzung des Leiters des Amtes für Jugend, Familie und Bildung, Siegfried Haller, fordern. Der OBM-Kandidat der Grünen, Felix Ekardt, erklärt nun ebenfalls: An dem Vorschlag der Linken, den Jugendamtsleiter abzulösen, führt kein Weg vorbei. Zu viele offene Baustellen, Fragezeichen und Fehler sind in letzter Zeit in diesem Ressort geschehen.

Er erinnert in diesem Zusammenhang an das Versagen des ASD (Allgemeiner Sozialdienst) im Zusammenhang mit dem Todesfall eines Kindes und seiner drogenabhängigen Mutter in Gohlis. Das Problem der “Kinderbande” benennt er. Aber auch der viel zu späte Beginn der Planungen für neue Kindertagesstätten und die verspätete Schulnetzplanung kritisiert er. “Die Aktualisierung des Schulnetzplanes hätte damit deutlich frühzeitiger begonnen werden müssen”, sagt Ekardt. Betont aber auch: “Allerdings trägt auch die Verwaltung eine Mitschuld an den Fehlern, da das Jugendamt in der Vergangenheit immer mehr Aufgaben bekam und damit letztlich zum Teil unsteuerbar wurde. Der Machtbesessenheit eines Einzelnen wurde nicht Einhalt geboten. Kontrollmechanismen funktioniert offenbar nicht.”

Ob es die Machtbesessenheit eines Einzelnen ist, kann hier nicht erörtert werden. Denn Leipziger Kommunalpolitik ist das Ergebnis von Kollektivarbeit. Bei wesentlichen Strukturänderungen müssen die Stadträte zustimmen. Sie müssen Dezernenten und Amtsleiter wählen. Und sie kennen die Zahlen zum Haushalt der Stadt. In dem sich widerspiegelt, was auch im Bund und im Land falsch läuft.

Dass “Kinderbande” und die Tragödie in Gohlis nur exemplarische Fälle sind, die tatsächlich von einer überforderten Verwaltung erzählen, wird erst sichtbar, wenn man die ganzen Hintergrunddiskussionen beleuchtet, in denen mehr als nur das aufgeblähte Amt für Jugend, Familie und Bildung seinen Part spielt. Oder eben nicht spielt.

Gerade hat die Linksfraktion einen Antrag eingebracht, der klären soll, warum nun auf einmal die Jobcenter-Angestellten selbst entscheiden können, ob die von ihnen ausgesprochenen “Sanktionen” zu Kindeswohlgefährdung führen und das dem ASD mitteilen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie dazu überhaupt nicht befähigt sind. Noch weniger als die überforderten Mitarbeiterinnen des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), die sich eben nicht nur mit den keineswegs nachlassenden Problemen in etlichen Leipziger Familien aus dem Graubereich der Armut beschäftigen müssen, sondern gleichzeitig angehalten sind, bei diesen Hilfen zu sparen.

Schon seit Jahren ist der Etat des Jugendamtes der größte im städtischen Haushalt. 2013 wird er rund 227 Millionen Euro betragen. Der größte Teil davon Kosten für Kindertagesstätten und die Beitragsminderung von Eltern, die sich die Kosten eines Kita-Platzes nicht leisten können. Und viele von ihnen sind nicht arbeitslos, sondern arbeiten in all den miserabel bezahlten Niedriglohnjobs, auf die in dieser Stadt einige Politiker sogar noch stolz sind.

Was übrigens die zweite Stelle ist, an der sich die Arbeit des Jugendamtes direkt mit der Arbeit des Wirtschaftsdezernats berührt.Ein Fehler der aufgeregten Leipziger Diskussionen ist immer wieder: Man diskutiert die Einzelfälle, als wären daran einzelne Personen ganz besonders schuld. Und nicht nur der beurlaubte Polizeipräsident Horst Wawrzynski agiert hier, als gelte es einen übermütigen Einzeltäter zu jagen. Als wären auch nicht die Diskussionen im Haushaltsausschuss Teil des Problems. Und auch eine Reform, die 2010 so modern mit Effizienz und “Bündelung der Kräfte” begründet wurde – die Zusammenlegung vorher eigenständiger Ämter in einem Mega-Amt, in dem nun scheinbar Kinder und Jugendliche gut betreut sind.

Hinter der Zusammenlegung steckt – wie so oft – ein falsches Denken. Das alte Schubladendenken, das nicht in der Lage ist, eine Stadtverwaltung integrativ zu bauen. Die aktuelle Ressortaufteilung der Leipziger Stadtverwaltung ist von vorgestern. Und mit dem Dienstleistungsgedanken am Bürger hat sie immer weniger zu tun. Das bekamen die Leipziger bei der Ausdünnung der Meldeämter zu spüren, das bekommen junge Eltern beim monatelangen Warten auf notwendige amtliche Dokumente zu spüren.

Von der Kita-Datenbank muss man an der Stelle gar nicht reden.

Das Grundproblem ist: Die Arbeitsaufgaben, die die Stadt in den letzten Jahren alle im Sozialdezernat (Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule) abgeladen hat, sind eigentlich die Kernaufgaben der Kommune. Nicht nur von den Geldern her, die hier eingesetzt werden müssen. Denn gleich nach dem Jugendetat kommt ja mittlerweile der Jahr für Jahr anschwellende Sozialetat – 2013 mit 223,4 Millionen Euro kalkuliert.

Sozialbürgermeister Thomas Fabian hat beim Finanzbürgermeister Torsten Bonew deutlich mehr Geld angemeldet. Um fast 30 Millionen Euro hat ihn Bonew für den Haushalt 2013 heruntergehandelt. Vielleicht klappt es ja. Aber nicht mit diesen Strukturen. Nicht mit dieser Nonchalance, zu erwarten, ein Mega-Amt würde die Grundprobleme einer Stadt wie Leipzig nachhaltig lösen können.

Das Sozialdezernat gehört aufgelöst. Und nicht nur dieses.

Eine zu weit gehende Forderung? Ganz und gar nicht. Warum nicht, lesen Sie gleich im zweiten Teil der Überlegung.

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