Die deutsche Wirtschaft stagniert. So scheint es jedenfalls, wenn man die vielen „Die Konjunktur schwächelt“-Artikel in deutschen Medien liest. Die meist an einem komplett kranken: an einer Analyse der Gründe für die „schwächelnden“ Zahlen. Die natürlich auch für den Leipziger Arbeitsmarkt eine Rolle spielen. Denn wenn ganze Branchen im Umbruch stecken, dann hat das natürlich Auswirkungen auf die Einstellungspraxis.

Aber anders als es diverse „Unternehmerverbände“ und ihre Lautsprecher immer wieder behaupten, mit vorwurfsvollem Fingerzeig auf die Ampelregierung: Es ist gerade nicht der gerade von den Grünen gewollte Transformationsprozess, der die deutsche Wirtschaft ausbremst. Sondern in Gegenteil: Es ist die Blockierung dieses Transformationsprozesses.

Eine Exportnation in internationalen Turbulenzen

Denn die deutsche Wirtschaft ist keine Insel. Im Gegenteil: Sie ist extrem exportabhängig. Aber genau deshalb sorgen die Turbulenzen auf dem Weltmarkt dafür, dass Deutschland deren Auswirkungen direkt und heftig zu spüren bekommt.

Hier die kompakte Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vom 26. September:

„Die deutsche Wirtschaft tritt seit über zwei Jahren auf der Stelle. Im kommenden Jahr dürfte eine langsame Erholung einsetzen, aber an den Trend von vor der Corona-Pandemie wird das Wirtschaftswachstum auf absehbare Zeit nicht mehr anknüpfen können. Die sich überlagernden Wirkungen von Strukturwandel und konjunktureller Flaute zeigen sich besonders im Verarbeitenden Gewerbe.

Betroffen sind vor allem die Investitionsgüterhersteller und energieintensive Industriezweige. Ihre Wettbewerbsfähigkeit leidet unter den gestiegenen Energiekosten und der zunehmenden Konkurrenz durch hochwertige Industriegüter aus China, die deutsche Exporte auf den Weltmärkten verdrängen. Konjunkturell macht dem Verarbeitenden Gewerbe aber auch die schwächelnde globale Industrie und der damit verbundene Mangel an neuen Aufträgen zu schaffen.

Abgemildert wird dies durch die teilweise kräftig gestiegene Bruttowertschöpfung in den – insbesondere staatlich geprägten – Dienstleistungsbereichen wie dem Erziehungs- und Gesundheitswesen.“

Das Ergebnis? Eine deutliche Einstellungszurückhaltung gerade im produzierenden Gewerbe, was insbesondere junge Arbeitnehmer zu spüren bekommen, die eigentlich jetzt den Berufseinstieg schaffen müssen. Was im Ergebnis dazu führt, dass die Arbeitslosigkeit – nach wie vor auf geringem Niveau – in Leipzig weiter steigt.

Die Arbeitslosigkeit ist im September geringfügig gestiegen, meldet die Arbeitsagentur Leipzig, und zwar um 123 auf 26.583. Im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es 2.374 Arbeitslose mehr. Die Arbeitslosenquote auf Basis aller zivilen Erwerbspersonen betrug im September 7,8 Prozent; vor einem Jahr hatte sie sich auf 7,2 Prozent belaufen.

„Die Arbeitslosigkeit hat sich leicht erhöht, während weiter ein Rückgang bei dem gemeldeten Stellenzugang zu verzeichnen ist. Die sonst übliche Herbstbelebung bleibt aus und der Stellenbestand erreicht ein niedriges Niveau. Positiv zu bewerten ist der Anstieg bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung“, interpretiert er Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, Ricardo Donat, die Zahlen für den September.

„Insgesamt überwiegen jedoch die negativen Entwicklungen, was auf eine angespannte Marktsituation hindeutet. Ganz gleich, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt, wir sind für die Leipziger Bürger da. Wir beraten, qualifizieren und sorgen dafür, dass die Leistungen pünktlich ausgezahlt werden. Trotz der aktuellen Herausforderungen setzen wir alles daran, den Menschen in unserer Region die bestmögliche Unterstützung zu bieten.“

Man merkt, wie auch die eigentlich sachlich arbeitende Arbeitsagentur die Formulierungen der „Unternehmerverbände“ übernimmt und die Lage am Markt – der nun einmal zuallererst ein Markt der Waren und Güter ist – dramatisiert: „überwiegen jedoch die negativen Entwicklungen“.

Schwarzmalerei wirkt

Als wenn nicht schon genug Leute herumlaufen, die den Untergang an die Wände malen. Obwohl Deutschland mitten in einer überfälligen Transformation steckt, die aber von zutiefst konservativen politischen Akteuren an allen Ecken und Enden ausgebremst wird. Und die Propaganda wirkt, egal, ob gegen E-Autos, Wärmepumpen oder Windkraftanlagen, um nur die üblichen Kandidaten zu nennen.

Populistische Parteien gewinnen Wahlen mit dem hanebüchenen Versprechen, dass sich in Deutschland nichts ändern soll, dass alles so weiter geht wie zu Kohls oder Adenauers Zeiten.

Doch mit diesen alten Rahmenbedingungen und einer fossilen Wirtschaft – und damit veralteten Produkten – wird Deutschland abgehängt. Jetzt, genau jetzt müssten Bund und Länder massiv in die Rundum-Erneuerung des ganzen Landes investieren. Die schon 20 Jahre überfällig ist, wie alle besichtigen können: Die eingestürzte Carolabrücke ist ja längst zum Symbol dieses Investitionsstaus geworden.

Eines Staus, den alle Kommunen zu spüren bekommen, den man in Krankenhäusern, Schulen, an Brücken, Straßen und beim Koloss Deutsche Bahn beobachten kann. Ergebnis einer falschen Steuersenkungspolitik, einer völlig unsinnigen Schuldenbremse und dem wilden Gerede von einem „schlanken Staat“.

Bremsen in den Köpfen

Fehlende Investitionen bedeuten aber nun einmal auch, dass Land und Wirtschaft nicht im notwendigen Tempo umgebaut werden und Deutschland im Wettbewerb immer mehr Boden verliert. Und im Gefolge, dass Fachkräfte nicht eingestellt werden, obwohl sie dringend gebraucht werden. Und von der tickenden demografischen Bombe muss man da gar nicht erst reden. Eine Bombe, die explodieren wird, wenn die rechtsextremistische AfD auch nur in einem Bundesland den Zugriff auf die Macht bekommt.

Gemeldete freie Stellen in Leipzig. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Gemeldete freie Stellen in Leipzig. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Eine erste Folge passiert ja in den Köpfen der Menschen. Um auch hier wieder das DIW zu zitieren: „Symptomatisch für die Probleme im Verarbeitenden Gewerbe ist nach Einschätzung der Institute die anhaltende Investitionsschwäche.

Konjunkturell dürfte in Deutschland vor allem das nach wie vor hohe Zinsniveau und die hohe wirtschafts- und geopolitische Unsicherheit, die Investitionstätigkeit der Unternehmen und die Anschaffungsneigung der privaten Haushalte belastet haben. Die privaten Haushalte legen ihr Einkommen vermehrt auf die hohe Kante, statt Geld für neue Wohnbauten oder Konsumgüter auszugeben.“

Und viele Unternehmen investieren deshalb nicht, weil gerade aus dem konservativen politischen Lager immer wieder Verunsicherung gestreut wird und scharf gegen die „Pläne der Grünen“ geschossen wird, obwohl alle wissen, dass die ganze Erde – allen voran eben auch China – jetzt die Transformation meistern muss. Das bedeutet nicht nur Klimaneutralität, und zwar in einem Affenzahn, das bedeutet auch eine völlig neue Stufe ökonomischer Standards. Wer nicht dabei ist, spielt nicht mehr mit.

Beschäftigung in Leipzig wächst weiter

Die Arbeitsagentur Leipzig kann im Grunde nur das Ergebnis verwalten. Und Jugendliche vielleicht so gut beraten, dass sie doch lieber eine Ausbildung in Bereichen starten, die derzeit noch rege neues Personal einstellen – vom Gesundheitswesen bis zum öffentlichen Dienst, für den die Kampagne „Stadtliche Karriere“ der Stadt Leipzig symptomatisch ist.

Und um auch hier noch deutlich zu zeigen, dass Leipzig innerhalb dieset Entwicklung eigentlich noch ein Motor ist, der sogar weiterhin immer neue und zwar zeitgerechte Arbeitsplätze schafft, ein Blick auf die Beschäftigtenzahlen in Leipzig, die auch bis zum März – dem aktuellsten ausgewerteten Zeitpunkt – weiter gestiegen sind.

Steigende Beschäftigungszahlen in Leipzig. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Steigende Beschäftigungszahlen in Leipzig. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Von 289.456 Beschäftigten in der Stadt Leipzig im März 2023 stieg diese Zahl bis zum März 2024 auf 295.171. Der Beschäftigungsaufbau geht als – trotz „Flaute“– weiter. Die steigende Arbeitslosigkeit betrifft also vor allem Menschen, die an diesem Beschäftigungsaufbau nicht teilhaben – vor allem Jugendliche und Bewerber mit Migrationshintergrund, denen die nötige Qualifizierung für die angebotenen Arbeitsstellen fehlen.

Und auch wenn die Zahl der Stellenangebote durch die Zurückhaltung vieler Unternehmen gesunken ist: Es werden weiter Fachkräfte gesucht.

Gemeldete freie Stellen im September nach Berufsfeldern. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Gemeldete freie Stellen im September nach Berufsfeldern. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Im Bezirk der Agentur für Arbeit Leipzig waren im September 7.511 Arbeitsstellen gemeldet. Gegenüber dem Monat August ist das ein leichter Rückgang von 155 oder 2,0 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahresmonat gab es 1.855 Stellen weniger (-19,8 Prozent) im Angebot. Arbeitgeber meldeten im September 1.002 neue Arbeitsstellen, das waren 394 oder 28,2 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Seit Jahresbeginn sind damit 11.078 Stellen eingegangen, so die Arbeitsagentur Leipzig, das ist eine Abnahme gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 2.092 oder 20,8 Prozent. Der Großteil der neu gemeldeten Stellenangebote im September kam aus den Wirtschaftsabschnitten der Arbeitnehmerüberlassung (258 neue Stellen), Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen (181) und aus dem Gesundheits- und Sozialwesen (98).

Die meisten freien Stellen sind derzeit in folgenden Wirtschaftsabschnitten zu besetzen: die Arbeitnehmerüberlassung (2.987 Stellen), in freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen (1.080), das Gesundheitswesen (488) und im Baugewerbe (475).

Der Leipziger Arbeitsmarkt in Zahlen

Im September meldeten sich 6.282 Personen (neu oder erneut) arbeitslos, das waren 493 mehr als vor einem Jahr. Gleichzeitig beendeten 6.220 Personen ihre Arbeitslosigkeit, 559 weniger als im September 2023.

Nach Personengruppen entwickelte sich die Arbeitslosigkeit recht unterschiedlich, allerdings waren bei allen Anstiege gegenüber dem Vorjahresmonat zu verzeichnen. Die Spanne der Veränderungen reicht im September von +5 Prozent bei 15- bis unter 25-Jährigen bis +12 Prozent bei Ausländern.

Derzeit sind im Leipziger Agenturbezirk 2.877 Jugendliche unter 25 Jahren ohne Beschäftigung. Im Vorjahresvergleich liegt die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen um 139 bzw. 5,1 Prozent höher.

Die Anzahl arbeitsloser Frauen und Männer ab 50 Jahren hat sich im Vergleich zum Vorjahresmonat um 556 Personen auf 6.914 erhöht. Dies Entspricht einem Anstieg um 8,7 Prozent.

Die Zahl der langzeitarbeitslosen Menschen ist im zurückliegenden Monat in Leipzig ebenfalls angestiegen. Im September 2024 waren 7.277 Menschen langzeitarbeitslos, 101 mehr als im August 2024. Im Vergleich zum September 2023 waren 812 bzw. 12,7 Prozent Langzeitarbeitslose mehr gemeldet.

Im Rechtskreis SGB III lag die Arbeitslosigkeit bei 9.165, das sind 80 weniger als im Vormonat und 1.090 mehr als im Vorjahr. Die anteilige SGB III-Arbeitslosenquote lag bei 2,7 Prozent.

Im Rechtskreis SGB II gab es 17.418 Arbeitslose, das ist ein Plus von 203 gegenüber August; im Vergleich zum September 2023 waren es 1.284 Arbeitslose mehr. Die anteilige SGB II-Arbeitslosenquote betrug 5,1 Prozent.

In Leipzig gab es im September 31.440 Bedarfsgemeinschaften. Das waren 188 weniger als im Vormonat und 74 mehr als im September des Vorjahres.

Das Jobcenter Leipzig betreut aktuell 39.799 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat entspricht dies einer Verringerung um 195 Personen. Im Vergleich zum Vorjahr erhöht sich die Zahl um 107 Personen.

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