Die Sicht der Deutschen auf ihre Demokratie und persönliche Zukunft hat sich in den vergangenen vier Jahren deutlich verschlechtert. Mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) blickt mit Sorge in die Zukunft, 2020 waren dies nur 42 Prozent, lauten zwei Ergebnisse aus der aktuellen und repräsentativen Umfrage der Körber-Stiftung zur Demokratie und dem Vertrauen der Deutschen in die Institutionen. Aber die Befragung zeigt auch einige wichtige Schwachstellen der aktuellen Politik.

74 Prozent der Deutschen bewerten die aktuelle wirtschaftliche Lage als weniger gut oder schlecht (2020: 57 Prozent). Und eine klare Mehrheit von 57 Prozent der Bundesbürgerinnen und -bürger glaubt, dass Deutschland nicht in der Lage sei, die nötigen Transformationsaufgaben zu bewältigen. Diese Unsicherheiten treffen zugleich auf ein geringes Demokratievertrauen: 51 Prozent der Befragten haben ein weniger großes oder geringes Vertrauen in die Demokratie.

Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage von policy matters, die im Auftrag der Körber-Stiftung im Zeitraum vom 19. Juni 2024 bis 6. Juli 2024 unter 1.068 Personen durchgeführt wurde.

„Die Ergebnisse der Umfrage zeigen deutlich, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die demokratischen Institutionen und ihre eigene wirtschaftliche Zukunft weiterhin stark erschüttert ist. Verunsicherung und Misstrauen stellen erhebliche Risiken für den sozialen Zusammenhalt dar. Es braucht entschlossenes Handeln, um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen und ihre Zuversicht zu stärken“, kommentiert Sven Tetzlaff, Leiter des Bereichs Demokratie und Zusammenhalt der Körber-Stiftung.

Wenig Vertrauen in demokratische Institutionen

Die Vertrauenswerte für demokratische Institutionen stagnieren auf niedrigem Niveau: Sehr großes oder großes Vertrauen haben lediglich 9 Prozent der Befragten in die Parteien, 18 Prozent in die Bundesregierung und 22 Prozent in den Bundestag. Am besten bewertet werden die Gerichte im Allgemeinen sowie das Bundesverfassungsgericht (jeweils 53 Prozent sehr großes oder großes Vertrauen).

Das Vertrauen in demokratische Institutionen. Grafik: Körber-Stiftung
Vertrauen in demokratische Institutionen. Grafik: Körber-Stiftung

Auch die Medien leiden in Deutschland unter anhaltendem Vertrauensverlust: 75 Prozent der Befragten geben an, ein weniger großes oder geringes Vertrauen in die Medien zu haben. Gleichzeitig sagen 73 Prozent der Befragten, dass führende Leute in Politik und Medien in ihrer eigenen Welt leben, aus der sie auf den Rest der Bevölkerung hinabsehen.

Mehr Macht für Politiker und Politikerinnen – und mehr Beteiligung durch Bürgerinnen und Bürger

„Brauchen wir angesichts der vielen Probleme im Land Politiker und Politikerinnen, die mehr Macht und Durchsetzungswillen haben, um schnell und durchgreifend Entscheidungen fällen zu können?“ Diese Frage beantworten 60 Prozent der Deutschen mit Ja, 25 Prozent lehnen dies ab. Aber wer genau hinschaut, merkt, dass es hier gar nicht um die Sehnsucht nach einem „starken Mann“ geht. Auch wenn das in der Grafik erst einmal so wirkt. Eher geht es um Dinge wie Vertrauen und Orientierung.

Denn dass dahinter ganz und gar nicht die Vorstellungen extremer und populistischer Parteien stecken, wird deutlicher, wenn man andere Aussagen daneben hält.

Befürwortete Maßnahmen gegen den Populismus. Grafik: Körber-Stiftung
Befürwortete Maßnahmen gegen Populismus. Grafik: Körber-Stiftung

69 Prozent der Befragten sehen Populismus als Gefahr für die Demokratie. Gemäß der Parteipräferenz stellt die Wählerschaft der AfD eine Besonderheit dar: Populismus wird hier mehrheitlich (62 Prozent) nicht als Gefahr für die Demokratie gesehen. Die AfD-Wähler habe also ein genau entgegengesetztes Bild beim Blick auf die Demokratie.

Um der wahrgenommenen Bedrohung durch den Populismus zu begegnen, befürwortet jeweils eine Mehrheit von 63 Prozent der Befragten das Verbot extremistischer politischer Parteien und den Wahlausschluss von Kandidatinnen und Kandidaten mit extremen politischen Positionen.

Die zerstörerische Wirkung der „Social Media“

Und die meisten Befragten sehen sehr wohl, wo der Populismus befeuert wird und wie aggressiv „Social Media“ mittlerweile in das demokratische Miteinander eingreifen. Und sie sehen auch, dass staatliche Instanzen hier einfach nicht regulieren, obwohl die Effekte überall sichtbar sind.

89 Prozent der Befragten fordern ein Vorgehen gegen Fakenews. Eigentlich ist das eine Grundaufgabe von Medien. Aber gerade in den „Social Media“ tummeln sich viele Medienmacher, Leute, die simple Regeln einer wahrhaftigen Berichterstattung ignorieren, dafür aber Lügen und Verschwörungstheorien verbreiten.

Der Wunsch nach starken Führungspersönlichkeiten. Grafik: Körber-Stiftung
Der Wunsch nach starken Führungspersönlichkeiten. Grafik: Körber-Stiftung

Und entsprechend hart sind – genauso wie 2023 – die Urteile über das, was die „Social Media“ anrichten. 85 Prozent der Befragten fordern, dass Hass und Hetze in den sozialen Medien härter bestraft werden sollten. 83 Prozent attestieren, dass Hass und Hetze durch die sozialen Medien befördert werden, 69 Prozent finden, dass der soziale Zusammenhalt durch die sozialen Medien bedroht wird.

Der Wunsch nach besserer Führung

Man sieht ein widersprüchliches Bild – einerseits die Einsicht der Befragten, dass Populismus und „Social Media“ die Demokratie und die Gemeinschaft gefährden – andererseits scheinbar ein tief sitzendes Misstrauen in die wichtigsten demokratischen Institutionen. Das passt auf den ersten Blick nicht zusammen.

Andererseits finden 61 Prozent, dass die Bundesregierung ohne parlamentarische Kontrolle keine wichtigen Entscheidungen treffen sollte – ein Befund, der sich regelrecht beißt mit dem geringen Vertrauen etwa in Parteien (ganze 9 Prozent) oder den Bundestag (22 Prozent). Sind die Bundesbürger also schizophren?

Sollten extremistische Parteien verboten werden? Grafik: Körber-Stiftung
Sollten extremistische Parteien verboten werden? Grafik: Körber-Stiftung

Oder schlägt hier einfach ein Effekt zu, der in Demokratien ganz schwer auszuhalten ist: Dass Wahlen selten eindeutige Sieger hervorbringen und gerade in Deutschland oft zu Koalitionen zwingen, die aus Parteien bestehen, die völlig unterschiedliche Ansichten vertreten und nun zu Kompromissen gezwungen sind, die eher schwerfällig und unfertig wirken und gerade das vermissen lassen, was sich Wahlbürger wünschen: klare und zukunftsweisende Entscheidungen, die das Land voranbringen.

Siehe eben den großen Wunsch nach „starken Führungspersönlichkeiten“. Da denkt man zwar schnell an diktatorische Großmäuler. Aber es könnte auch bedeuten, dass Politiker/-innen sich deutlicher erklären, ihr Ziele klar benennen und welche Veränderungen da auf die Wähler zukommen.

Und nicht das oft völlig substanzlose Herumgerede von Politikern, die glauben, damit ja keinen Wähler verprellen zu wollen. Eine Lücke, in die gerade die Populisten vorstoßen, die kaum noch ein Blatt vor den Mund nehmen, wenn sie die Zerstörung der demokratischen Institutionen planen.

Transformationen brauchen mutige Politiker

Es wäre also ein anderes Auftreten demokratischer Politiker/-innen gewünscht, wenn man das richtig liest – mutiger, offener, zielorientierter. Und damit endlich auch wieder wahrnehmbarer in klaren Positionen, die mit den Forderungen der Populisten nichts zu tun haben.

Die Umfrageergebnisse deuten genau darauf hin.

Ist Deutschland denn für die anstehenden Transformationen gewappnet? Grafik: Körber-Stiftung
Ist Deutschland für die anstehenden Transformationen gewappnet? Grafik: Körber-Stiftung

Auch die danach, ob die Befragten Deutschland gewappnet sehen, die anstehenden Transformationsaufgaben zu bewältigen. Ergebnis: „Nein“ sagen 57 Prozent der Befragten, weitere 21 Prozent wissen es nicht. Immerhin ist die aktuelle Ampelregierung genau mit dieser Aufgabe gewählt worden. Nur ist es eben eine Kompromissregierung, die gerade beim Thema Transformation in völlig verschiedene Richtungen zieht. Das nervt und schafft Enttäuschung.

Und auch davon profitieren die Populisten, die den starken Mann markieren, obwohl sie die Transformation erst recht unmöglich machen wollen.

Ein sehr durchwachsenes Ergebnis, das im Grunde zeigt, wie wichtig gute Kommunikation in der Demokratie ist. Gerade in Zeiten völlig deregulierter Plattformen, die die Radikalisierung und Spaltung der Gesellschaft mit ihren Algorithmen befeuern.

Laut Umfrage halten aber die Deutschen nicht nur schnelle und durchgreifende Entscheidungen für notwendig, auch eine stärkere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger wird befürwortet: Auf Kommunalebene halten 93 Prozent der Deutschen eine stärkere Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger für sehr wichtig oder wichtig, auf Landesebene 91 Prozent und auf Bundesebene 87 Prozent. Auch das kann Transparenz schaffen und die unersetzliche Währung Vertrauen.

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