Der letzte sächsische Ministerpräsident, der sich tatsächlich mit dem Thema Demografie beschäftigt hat, war Georg Milbradt. Seine Nachfolger haben das Thema völlig vernachlässigt, obwohl es die Grundlage für alles ist: Ohne fleißige und gut gebildete Bürger ist kein Freistaat zu machen. Dumm nur, wenn diese Bürger gar nicht erst geboren werden. Gerade ist Sachsen dabei, wieder auf die alarmierenden Geburtenzahlen der 1990er Jahre abzusacken. Das hat Gründe.
„Im Freistaat Sachsen kamen 2023 insgesamt 26.194 Kinder lebend zur Welt. Gegenüber dem Vorjahr sank die Zahl um 3.137 Lebendgeborene bzw. 10,7 Prozent. Damit setzt sich der anhaltende Trend seit 2017 fort“, meldete das Landesamt für Statistik am Freitag, 19. Juli. Wie das Statistische Landesamt weiter mitteilte, bezeichnete der Zeitraum der Jahre 1992 bis 1997 mit weniger als 30.000 Geburten pro Jahr das Geburtentief zu Beginn der 1990er Jahre.
Ein Grund: Der Geburteneinbruch in den 1990er Jahren
Das waren die Jahre der sogenannten Transformation, als die Arbeitslosenzahlen in Sachsen in die Höhe schossen, die alten Industriestrukturen aus DDR-Zeiten fast komplett abgewickelt wurden und Hunderttausende junge Leute ihre Koffer packten und der Arbeit hinterher in den Westen zogen. Allein Leipzig verlor in dieser Zeit ein Fünftel seiner Bevölkerung.
Und gleichzeitig verzichteten viele junge Frauen auf Kinder, solange ihre eigene wirtschaftliche Lage prekär war und die von Kohl versprochenen „blühenden Landschaften“ nirgendwo zu sehen waren. Dieser Kinderverzicht machte sich in geradezu halbierten Geburtenjahrgängen bemerkbar, die seit zehn Jahren dafür sorgen, dass die sächsischen Unternehmen ihren Nachwuchs nicht mehr absichern können. Inzwischen hat sich das zu einem veritablen Arbeitskräftemangel ausgewachsen.
Die oben abgebildete Geburtenstatistik seit 1991 zeigt ebenfalls nur die halbe Wahrheit. Das wird deutlicher, wenn man die Statistik auch auf die letzten DDR-Jahre erweitert wie in untenstehender Grafik. Dann sieht man erst, wie viele Kinder eigentlich geboren werden müssten, um die Bevölkerungszahl zu stabilisieren – und dass alle Zahlen ab 1991 einfach nur von einem Land erzählen, das langsam aber sicher vor sich hin schrumpft.
Kinderverzicht und Klimaangst
Doch zu den halbierten Jahrgängen der jungen Frauen und Männer kommt nun seit zwei Jahren auch ein Phänomen regelrechten Verzichts auf Kinder hinzu, weil die multiplen Krisen und vor allem der sich anbahnende Klimawandel junge Frauen immer öfter gegen einen Kinderwunsch entscheiden lässt.
„Seit 2022 liegt die Zahl der Geburten ebenfalls wieder unter 30.000. Mit den 26.194 lebend geborenen Kindern im Jahr 2023 setzte sich diese Entwicklung weiter fort und erreichte den niedrigsten Stand seit 1995“, meldet das Statistische Landesamt.
Und weiter: „Während die Zahl der Geburten von Müttern mit deutscher Staatsangehörigkeit annähernd den tiefsten Stand von 1994 erreichte, nahm die Zahl der Geburten von ausländischen Müttern kontinuierlich zu. Wurden 1994 noch 773 Kinder geboren, deren Mütter eine ausländische Staatsangehörigkeit hatten, waren es 2023 bereits 4.595.“
Eine Zahl, die zumindest einige der vorlauten Populisten aufschrecken sollte, denn das bedeutet – da braucht man nur die simple Mathematik der Grundschule – dass ohne die Kinder aus Familien mit ausländischer Staatsangehörigkeit künftig in Sachsen nichts mehr läuft: Sie sichern den eh schon karg gewordenen Nachwuchs für eine Wirtschaft, die längst mahnt, dass Sachsens Regierung ihre Migrationspolitik ändern muss.
Aber nicht so, wie es die völkische AfD fordert, denn dann rutscht Sachsen postwendend in einen wirtschaftlichen Abwärtstrend. Sondern mit einer deutlich verbesserten Integrationspolitik, die auch den Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund den Weg in einen ordentlichen Beruf sichert.
Das Drama geht auch 2024 weiter
Am selben Tag vermeldete das Statistische Landesamt dann auch noch die ersten Zahlen für 2024. Und die alarmierendste Nachricht ist nun einmal: Es geht so weiter. Da es schlicht keine Programme gibt, die junge Frauen dazu animieren würden, doch wieder Kinder haben zu wollen, und die Landespolitik nach wie vor auf fossile Wirtschaftsmuster setzt, setzt sich der Geburtenrückgang in Sachsen fort.
„Von Januar bis März 2024 wurden nach vorläufigen Angaben rund 5.930 Kinder lebend geboren. Im Vergleich zu den Vorjahresmonaten 2023 wurden 550 Geburten weniger registriert. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes bedeutet das für das 1. Quartal 2024 einen Rückgang von 8,4 Prozent“, so das Landesamt. Und das gegenüber einem Zeitraum, in dem die Geburten schon heftig im Rückgang begriffen waren.
„Waren es im Jahr 2016 noch durchschnittlich 2.960 Kinder, die monatlich im 1. Quartal geboren wurden, nahm die Anzahl danach stetig ab und erreicht im 1. Quartal 2024 mit rund 1.980 Kinder pro Monat seinen bisherigen Tiefstand“, so das Statistische Landesamt. Das sich auch in einer Erklärung für diesen durchaus beängstigenden Trends versucht: „Diese Entwicklung ergibt sich zum einen durch den steten Rückgang der Anzahl der Frauen im gebärfähigen Alter und zum anderen durch deren Verhaltensänderungen.“
Verhaltensänderung heißt: Die jungen Frauen verzichten ganz bewusst auf Kinder. Und als Motiv spielt der immer deutlicher spürbare Klimawandel immer wieder genannt. Was sich verbindet mit der Wahrnehmung, dass keine deutsche Regierung genug tut, das Land wenigstens klimaneutral umzugestalten und eine Zukunftsperspektive zu schaffen, in der man vertrauensvoll eine Familie gründen könnte.
Und das trifft eben auch auf die sächsische Landesregierung zu, die zwar einen Bevölkerungsmonitor aufgesetzt hat, den man im Internet öffnen kann. Aber eine nachvollziehbare Strategie, wie sie die zunehmenden demografischen Probleme im Land angehen möchte, sucht man vergebens.
Stattdessen schwadronieren konservative und populistische Politiker von Abschottung, Grenzsicherung und Abschiebung, deutliches Zeichen dafür, dass sie die Zeichen der Zeit einfach nicht verstanden haben.
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