Selbst die Grafik macht es mehr als deutlich, dass die fünf „neuen“ Bundesländer nach wie vor die Niedriglohnländer in Deutschland sind. Am 22. Juli veröffentlichte die Arbeitsagentur Sachsen die neueste Auswertung zu den Löhnen in Sachsen. Zwei Tage später gab es auch die Sonderauswertung für die Stadt Leipzig. Aber das Bild ist deutlich: Sachsen führt die Gruppe der fünf armen Länder an. Und es gibt noch eine Einschränkung.

Denn die Arbeitsagentur meldete, als wäre das wirklich eine aussagekräftige Zahl: „In Sachsen lag vergangenes Jahr das mittlere Einkommen der eine Million Vollzeitbeschäftigten bei 3.182 Euro/Monat. Das waren 170 Euro mehr als im Jahr 2022. Damit setzt sich der positive Trend fort. Bundesweit lag der Medianlohn bei 3.796 Euro. In allen sächsischen Städten und Landkreisen sind die mittleren Löhne zum Vorjahr gestiegen.“

Die schlechter bezahlte Hälfte sieht man nicht

Nur eine Million ausgewertete Beschäftigungsverhältnisse? Das kann nicht sein. Und es ist auch irreführend, wie ein Blick auf die sächsische Statistik zur Erwerbstätigkeit zeigt. Denn die offizielle Erwerbstätigenzahl lag Ende 2023 bei 2,079 Millionen, also doppelt so hoch.

Natürlich ist es logisch, dass dann die Aussagen zu den Bruttodurchschnittsverdiensten überhaupt nicht aussagekräftig sind. Sondern – gerade mit Blick auf Sachsen – zu hoch. Die Zahlen – obwohl sie schon die Schlusslichtsituation im Vergleich mit anderen Bundesländern zeigen, offenbaren wiederum nur die Gruppe der Gutverdiener in Sachsen, nämlich jener Beschäftigen, die in Vollzeit und sozialversicherungspflichtig tätig sind.

Das ist aber nur die Hälfte. Herausgerechnet sind hier schon alle Beschäftigten, die nur in Teilzeit arbeiten und damit natürlich auch geringere Löhne erhalten. Das sind in Sachsen über 550.000 Beschäftigte – vor allem Frauen.

Und dann fehlen noch rund 400.000 Personen, darunter rund 160.000 marginal Beschäftigte, die natürlich ebenfalls deutlich weniger Geld bekommen. Uns natürlich alle nicht sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, also vor allem Freiberufler, von denen ein Großteil in Sachsen ebenfalls nicht besonders rosig verdient.

Das muss man in Hinterkopf behalten, wenn die Arbeitsagentur den Sachsen nun vorrechnet, dass sie nun deutlich besser verdienen. Was für die ausgewählte Gruppe natürlich stimmt, denn diese zumeist in größeren Betrieben Beschäftigten sind in der Regel auch tarifgebunden und profitieren von den Verhandlungsergebnissen bei Lohnkämpfen.

Das sind dann auch die Personengruppen, welche die Bundesagentur in der Regel als Fachkräfte bezeichnet.

Der Blick nach Sachsen

„Fachkräfte sind trotz der aktuell schwierigen konjunkturellen Situation für die sächsischen Unternehmen wertvoller geworden, weil die Fachkräftebedarfe relativ hoch sind und künftig demografisch bedingt weiter steigen. Deshalb haben die Arbeitgeber in Sachsen wiederholt höhere Löhne gezahlt als im Vorjahr. Das ist für die Menschen zunächst erfreulich.

Doch leider bleibt nicht für jeden mehr Geld im Portemonnaie, da die Inflation und steigende Preise den Lohnanstieg oft wieder aufheben“, sagte Klaus-Peter Hansen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit, am Montag.

Und dann ist da das Wörtchen Median. Denn die Bundesagentur hat nur die Medianzahlen herausgegeben. Nicht zu verwechseln mit dem Durchschnittsverdienst.

„Das Medianentgelt aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten lag im vergangenen Jahr bei 3.182 Euro. Gegenüber dem Jahr 2022 sind die Löhne und Gehälter somit um 170 Euro oder 5,7 Prozent gestiegen. Der Anstieg des Medianlohns zum Vorjahr ist beispielsweise auf die relativ stabile Wirtschaftsentwicklung, die hohen Fachkräftebedarfe, Tariferhöhungen und die im Jahr 2023 geringere Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld zurückzuführen“, meldete die Arbeitsagentur.

Median aber bedeutet tatsächlich: Die Hälfte der erfassten 1 Million Arbeitnehmer bekam mehr als die ermittelten 3.182 Euro, die andere Hälfte bekam weniger.

Warum es da auch innerhalb Sachsens zu drastischen Unterschieden kommt, erläuterte die Arbeitsagentur Sachsen ebenfalls: „Auch innerhalb Sachsens gibt es erhebliche Lohnunterschiede. So liegt der Medianlohn von Dresden (Maximum) um 875 Euro über dem Erzgebirgskreis (Minimum). Die höchsten Medianlöhne gab es im vergangenen Jahr in den drei kreisfreien Städten Dresden (3.689 Euro), Leipzig (3.550 Euro) und Chemnitz (3.336 Euro). Die geringsten Medianlöhne werden im Erzgebirgskreis (2.815 Euro) in Görlitz (2.820 Euro) und im Vogtlandkreis (2.907 Euro) gezahlt.“

Und das hat Gründe, die direkt mit der lokalen Wirtschaftsstruktur zu tun haben: „Auch im Kreisvergleich sind die Unterschiede auf die Branchenstrukturen sowie die Anzahl und Größe der Betriebe zurückzuführen. So ist beispielsweise Dresden als Landeshauptstadt geprägt von der öffentlichen Verwaltung, der Hochschule oder auch der Mikroelektronik-/Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche, wo Jobs in den Bereichen der Hochtechnologie oder auch Forschung und Entwicklung höher entlohnt werden.

Leipzig ist die Handelsmetropole und zeichnet sich mit einem starken Fokus auf Medien, Kreativwirtschaft, Automobilindustrie und Logistik aus. Auch in der kreisfreien Stadt Chemnitz liegt der Schwerpunkt traditionell im Verarbeitenden Gewerbe, wo Jobs häufig besser bezahlt sind. In ländlichen Gebieten dominieren oftmals landwirtschaftliche oder handwerkliche Berufe, die tendenziell niedrigere Löhne haben können.“

Der Blick auf Leipzig

In der Stadt Leipzig lag das Medianentgelt aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten 2023 bei 3.550 Euro. Gegenüber dem Jahr 2022 sind die Löhne und Gehälter dieser Beschäftigtengruppe in Leipzig damit um 167 Euro bzw. 4,9 Prozent gestiegen. Im Landesvergleich liegt der Medianlohn in Leipzig damit 368 Euro über dem sächsischen Median. Nur in Dresden wurde mehr verdient (3.689 Euro).

Betrachtet nach Wirtschaftszweigen sind die Entgelte in Leipzig in allen Branchen angestiegen, so die Arbeitsagentur. Das höchste Plus in Höhe von 499 Euro bzw. 10,9 Prozent auf 5.059 Euro gab es auch in diesem Jahr in der Metall-, Elektro-, Stahlindustrie. Den geringsten Zuwachs gab es beim Medianentgelt der Branche öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung (90 Euro; 2,1 Prozent).

Die höchsten Entgelte erzielten in Leipzig weiterhin die Mediziner (6.577 Euro), Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen (5.475 Euro) und Lehr- und Forschungstätigkeiten an Hochschulen (5.226 Euro). Die geringsten Entgelte wurden im Bereich der Körperpflege (2.058 Euro), der Gastronomie (2.350 Euro) und in Reinigungsberufen (2.387 Euro) erzielt.

Während das Medianentgelt in der Stadt Leipzig der Männer bei 3.615 Euro liegt, erzielen Frauen 3.474 Euro. Die Differenz des unbereinigten Gender-Pay-Gap liegt demnach bei 141 Euro und hat sich damit im Vergleich zum Jahr 2022 um nur 4 Euro verringert.

Die berufliche Qualifikation spielt nach wie vor eine entscheidende Rolle bei der Höhe der Entgelte. Für Beschäftigte in der Stadt Leipzig mit akademischem Abschluss liegt der Median bei 4.863 Euro und mit einem anerkannten Berufsabschluss bei 3.293 Euro. Beschäftigte ohne Berufsabschluss erzielten 2.521 Euro.

Den Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit mit Ergebnissen nach Berufen findet man hier.

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