Wenn man in einem Land wie Sachsen überhaupt eine Vorstellung bekommen kann, welche Kommune eigentlich die größten Lasten trägt, dann braucht man aktuelle Übersichten über die Ausgabeposten der Städte – allen voran der drei kreisfreien Städte. Diese Zahlen fragt die Landtagsabgeordnete der Linken Susanne Schaper regelmäßig ab. Und sie zeigen, wie die Soziallasten gerade in den drei Großstädten ins Budget schlagen.
Schon in der Vergangenheit fiel Leipzig dadurch auf, dass hier die Sozialausgaben besonders hoch waren. Was damit zu tun hat, dass Leipzig jahrelang tatsächlich aus guten Gründen den Titel „Armutshauptstadt“ verpasst bekam. Nicht weil die Leipziger besonders faul sind, sondern weil das Einkommensniveau lange Zeit deutlich unter dem etwa von Chemnitz und Dresden lag.
Die Armutsquote war zeitweilig deutschlandweit Spitze. Das vergisst sich so leicht. Das hat mit der hier ansässigen Wirtschaft zu tun bzw. der hier noch nicht ansässigen Wirtschaft, denn viele Unternehmen, die auch hochqualifiziertes Personal suchen, siedelten sich hier erst in den vergangenen 15 Jahren an.
Aber der Leipziger Wirtschaftsaufschwung hat eben auch mit einem massiven Ausbau von Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich zu tun. Und ein Problem langer Arbeitslosigkeit, die viele Leipziger erlebt haben, ist eben auch: deren Folgen vererben sich. Sodass sich in Leipzig ein manifester Bereich der Armut etabliert hat, in dem auch viele Kinder und Jugendliche aufwachsen müssen.
Wenn sich prekäre Lebenslagen vererben
Das Ergebnis, wie es der Antwort des Innenministers auf Schapers jüngste Anfrage zu entnehmen ist: Deutlich mehr Menschen als in Dresden sind – trotz Wirtschaftsaufschwung und sinkender Arbeitslosigkeit – auf Sozialleistungen der Stadt angewiesen. Was sich dann in den außerordentlichen Sozialausgaben der Stadt niederschlägt.
Gab die Landeshauptstadt Dresden 2023 zum Beispiel 335 Millionen Euro für Sozialleistungen aus, so waren es in Leipzig deutlich höhere Ausgaben von 582 Millionen Euro. 156 Millionen Euro entfielen dabei allein auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), was insofern als Bezeichnung nicht ganz stimmt, als viele dieser Personen gar keine Arbeit suchen, sondern in Arbeit sind – nur eben für einen Lohn, den sie zwingend durch Leistungen aus SGB II aufstocken müssen. In Dresden fielen hierfür nur 132 Millionen Euro an.
Dasselbe Bild bei Sozialleistungen nach SGB XII, worunter auch die Grundsicherung für Menschen fällt, deren Rente einfach nicht zum Leben reicht. Hier lag der Leipziger Ausgabetitel mit 98 Millionen Euro sogar dreimal so hoch wie der gleiche Posten in Dresden, wo es nur 33 Millionen Euro waren. Ein deutliches Zeichen dafür, wie sich die prekären Einkommensverhältnisse vieler Leipzigerinnen und Leipziger aus den letzten drei Jahrzehnten bis ins Rentenalter fortsetzen.
Aber der höchste Ausgabeposten betrifft ausgerechnet das andere Ende des Altersspektrums: Kinder und Jugendliche. Denn Armut und prekäre Einkommensverhältnisse haben direkt in den Familien fatale Folgen – von dauerhaften finanziellen Problemen der Eltern über innerfamiliäre Konflikte bis hin zu Problemen der Kinder, bei denen das Jugendamt einschreiten muss. Ergebnis: Aus dem Leipziger Haushalt mussten im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe 2023 knapp 228 Millionen Euro aufgewendet werden, ein Posten, der im vergleichbaren Dresden nur bei 88 Millionen Euro lag.
Manifeste Armut
Der komplette Sozialhaushalt der Stadt erzählt davon, wie sich die prekäre wirtschaftliche Lage in Leipzig und der jahrelang forcierte Niedriglohnsektor bis heute in der sozialen Bedürftigkeit tausender Leipzigerinnen und Leipziger zeigt, die auf die Sozialleistungen der Stadt angewiesen sind.
Und das Fatale daran ist: Das wächst sich nicht einfach aus, wenn auch die nachfolgenden Generationen die Probleme der Eltern „erben“, schon in der Schule Ausgrenzung und Abwertung erfahren und dann selbst in prekären Berufskarrieren landen.
Leipzig steht nicht allein da mit dem Jahr um Jahr wachsenden Sozialausgaben. Auch in Chemnitz und Dresden wuchsen die Sozialausgaben seit 2020, wie eine Landtagsanfrage von Susanne Schaper von 2023 ergab. In Dresden zum Beispiel von insgesamt von 290 auf 297 Millionen Euro bis 2022, in Chemnitz von 154 auf 177 Millionen Euro. 2023 gab es in allen drei Städten weitere Zuwächse. In Chemnitz auf 204 Millionen Euro, in Dresden auf 335 Millionen. Und in Leipzig ging es von 502 auf 582 Millionen Euro rauf.
Womit Leipzig ein Viertel seines Haushalts für Sozialausgaben hinblättern muss. In Dresden sind es dagegen nur 17 Prozent, in Chemnitz knapp 23. Was eben auch bedeutet, dass die steigenden Sozialausgaben auch die Möglichkeiten der Stadt zusehends beschränken, in anderen Bereichen der Stadt zu investieren.
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