Euphorie ist vielleicht nicht gerade die Tugend, die Statistiker pflegen sollten. Auch dann nicht, wenn sich diverse Medien in Superlativen und Hosianna-Rufen austoben und das ansteckend wirkt. Da fällt einem schnell mal das Wort „Umsatzrekord“ ein, als wenn es beim Wirtschaften um Rekorde ginge. Doch manchmal steigen Umsätze auch einfach nur deshalb, weil die Preise steigen. Dann werden Umsätze schnell genauso trügerisch wie das heilige BIP. Ein Blick zurück ins Jahr 2022.

Wer sich erinnert: Da löste ein gewisser Wladimir Putin die nächste Eskalationsstufe in seinem Krieg gegen die Ukraine aus und glaubte tatsächlich – Stichwort „Nordstream“ I und II – die Europäer mit seinem Erdgas erpressen und zum Stillhalten bringen zu können. Was bekanntlich nicht gelang.

In aller Eile und mit einer Menge Geld kaufte auch die Bundesrepublik Deutschland auf den internationalen Märkten Flüssiggas zusammen, startete den Bau eigener Gas-Terminals und sorgte auch dafür, dass die vom russischen Energieunternehmen Gasprom bewusst entleerten Gasspeicher schleunigst wieder aufgefüllt wurden. Die Deutschen mussten im Winter nicht frieren.

Aber das hatte seinen Preis. Denn die rasant steigenden Energiepreise schlugen noch im selben Jahr auch auf die Erzeugerpreise durch – und in der Folge auch auf die Verbraucherpreise.

Nicht wirklich vergleichbare Zahlen

Einen Höchststand bei den Umsätzen sächsischer Unternehmen hätte es vielleicht auch ohne diese Entwicklung gegeben. Doch der Preisschub sorgte für einen sehr deutlichen Anstieg der Umsätze.

Mit den Worten des Statistischen Landesamtes: „Die rund 134.000 umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen in Sachsen erzielten 2022 einen neuen Umsatzrekord aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 215,8 Milliarden Euro. Nach Angaben des Statistischen Landesamtes stieg der Umsatz um 38,5 Milliarden Euro (21,7 Prozent) gegenüber dem Jahr 2021. Die Anzahl steuerpflichtiger Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 22.000 Euro erhöhte sich dabei um rund 2.400 Unternehmen (1,8 Prozent).“

Und diese Steigerung der Umsätze wurde nicht nur bei den Energieunternehmen sichtbar, wie das Statistische Landesamt feststellt: „Umsatzstärkste Branche war 2022 der Wirtschaftszweig Energieversorgung mit gut 38,6 Milliarden Euro bzw. 17,9 Prozent des sächsischen Gesamtumsatzes aus Lieferungen und Leistungen.

Als zweitstärkste Branche erzielte der Wirtschaftszweig Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen knapp 38,3 Milliarden Euro. Das entsprach 17,7 Prozent des Gesamtumsatzes aller Branchen. Gemessen am Umsatz erreichte der Wirtschaftszweig Verarbeitendes Gewerbe als drittstärkste Branche 37,6 Milliarden Euro Umsatz bzw. 17,4 Prozent des sächsischen Gesamtumsatzes.“

Zum Vergleich, was die Umsatzzahlen für 2022 bedeuten, lohnt sich der Blick in die jüngere Vergangenheit. 2019 – im letzten Jahr vor der Corona-Pandemie – lagen die Umsätze der sächsischen Unternehmen gerade einmal bei 156 Milliarden Euro. Durch die Einschränkungen im ersten Corona-Jahr bedingt sanken sie 2020 leicht auf 153 Milliarden Euro, um sich dann 2021 auf neuen Höchststand von 177 Milliarden Euro zu steigern.

Was aber eher nicht mit einem besonders kräftigen Entwicklungsschub in der sächsischen Wirtschaft zu tun hat. Darauf weist das Statistische Landesamt extra hin: „Ab 2021 werden auch Umsätze aus steuerfreien Lieferungen und Leistungen von Banken und Versicherungen in der Umsatzsteuerstatistik ausgewiesen.“

Zumindest sind sie darin erfasst. Ihre genaue Größenordnung gibt das Statistische Landesamt in seiner Meldung aber nicht an. Sie dürfte wohl um die 20 Milliarden Euro liegen.

Dafür betont das Amt am Ende, dass man die euphorische Floskel vom „Umsatzrekord“ vielleicht doch lieber gleich wieder vergisst. Denn: „Aufgrund der im Jahr 2021 noch bestehenden Corona-Maßnahmen sowie der allgemeinen geopolitischen Lage und den daraus resultierenden Preisentwicklungen in allen Bereichen der Gesellschaft spiegeln sich die starken Steigerungsraten auch in den Ergebnissen der Umsatzsteuerstatistik wider. Eine Preisbereinigung wird nicht vorgenommen. Somit sind Zeitvergleiche eingeschränkt.“

Die einzigen, die sich freuen dürften, wenn sie das Talent dazu nicht völlig eingebüßt haben, sind die Finanzminister. Denn höhere Umsätze bedeuten letztlich auch mehr Steuereinnahmen, mit denen dann die „schuldengebremsten“ Haushalte irgendwie noch gerettet werden können.

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