Es ist auch nur eine Hochrechnung. Aber die am Dienstag, dem 9. April, veröffentlichte neue Bevölkerungsvorausberechnung zeigt, wie sich Deutschland in den nächsten Jahren weiter verändern wird. Und eben nicht nur Deutschland, sondern auch die einzelnen Bundesländer. Und während der Süden weiter Bevölkerungswachstum verzeichnen wird, wird ein Bundesland wie Sachsen schrumpfen. Mit zwei Ausnahmen.
„In Sachsen wird die Bevölkerungszahl von 2020 bis 2040 deutlich sinken, um –5,7 Prozent auf 3,8 Millionen Menschen“, fasst die Bertelsmann Stiftung die Ergebnisse der Hochrechnung für Sachsen zusammen. „Diese Entwicklung verteilt sich unterschiedlich auf die verschiedenen Kreise. Starke Bevölkerungssteigerungen sind in Leipzig zu erwarten und auch für Dresden wird ein moderates Wachstum vorausgesagt. Die anderen 11 Kreise und kreisfreien Städte werden hingegen schrumpfen, teils um bis zu –19 Prozent.“
Die Unterschiede in der Entwicklung sind unübersehbar, wie die Studie feststellt: „So liegt die Bevölkerungsentwicklung in den 13 Kreisen und kreisfreien Städten zwischen +14,7 Prozent (Stadt Leipzig) und –19,1 Prozent (Erzgebirgskreis). Für die Stadt Leipzig wird damit das höchste Bevölkerungswachstum aller Kreise und kreisfreien Städte im gesamten deutschen Bundesgebiet vorhergesagt. Bevölkerungszuwächse gibt es auch in der Landeshauptstadt Dresden mit +1,9 Prozent. Die dritte kreisfreie Stadt Chemnitz wird hingegen um –9,3 Prozent schrumpfen“, sagt die Bertelsmann-Studie voraus.
Oder genauer: Sie berechnet es – wie es auch die Leipziger und die sächsischen Statistiker tun – aus den Bevölkerungsentwicklungen der letzten Jahre und den vorhandenen Daten zu Kindern und Alterskohorten heraus.
So bestätigt die Berechnung natürlich, was jetzt auch schon in den ländlichen Regionen Sachsens zu beobachten ist: „Am Ende der Skala steht der Erzgebirgskreis, außerdem werden für den Vogtlandkreis und die Kreise Görlitz, Bautzen, Mittelsachsen und Zwickau Bevölkerungsrückgänge von 11 Prozent und mehr zwischen 2020 und 2040 erwartet.“
Und das hat Folgen auch für die Wirtschaft.
Die Folgen: Mehr ältere Menschen und geringeres Erwerbspersonenpotenzial
„Ältere Menschen stellen andere Anforderungen an die kommunale Infrastruktur als jüngere, auf Wachstum muss anders reagiert werden als auf Schrumpfung. So unterschiedlich die Entwicklungen in den Kommunen sind, sollte auch die kommunale Infrastruktur vorbereitet werden, sei es beispielsweise im Bereich Betreuungseinrichtungen für ältere Menschen oder für Hochbetagte“, geht die Bertelsmann Stiftung auf ein wesentliches Anliegen der Studie ein.
„Die Zunahme des Anteils der Bevölkerung im potenziellen Rentenalter spielt dabei eine zentrale Rolle: In den nächsten Jahrzehnten wird die zunehmende Alterung erhebliche Auswirkungen auf die Alterssicherungssysteme und auf den Pflegebedarf haben. Der Anteil der Personen im Alter ab 65 Jahren an der Gesamtbevölkerung in Sachsen beträgt im Jahr 2020 knapp 27 Prozent, 20 Jahre später werden es gut 30 Prozent und somit etwa 72.000 Personen mehr sein.“
Und das heißt eben auch: „Das sogenannte Erwerbspersonenpotenzial wird hingegen um knapp 13,5 Prozent auf etwa 1,8 Millionen sinken. Die Anzahl von Personen im Alter zwischen 25 und 64 schrumpft. Dem Beschäftigungssystem werden dann etwa 280.000 Personen weniger zur Verfügung stehen. Neben den Alterssicherungs- und Bildungssystemen steht also auch der Arbeitsmarkt vor großen Herausforderungen.“
Es gibt also deutlich mehr Rentner/-innen vor allem im hochbetagten Alter, von denen viele eine teure Pflege brauchen. Während die Zahl der Menschen, die das dafür notwendige Geld erwirtschaften müssen, schrumpft.
Und da ist noch gar nicht einberechnet, dass gerade die Geburtenzahlen einbrechen – nicht nur in Sachsen. Was bedeutet, dass künftig noch weniger junge Menschen in den Arbeitsmarkt eintreten.
Warum das so ist, das klärt natürlich auch die Bertelsmann-Studie nicht. Allein mit Zahlen kann man demografischen Entwicklungen nicht gegensteuern. Und gerade das Beispiel Sachen zeigt, dass die Regierung seit Jahren keine Rezepte hat, dem demografischen Dilemma irgendetwas entgegenzusetzen.
Wobei der Blick auf die Karte zeigt, dass auch in Sachsen gilt: Das Wachstum findet künftig vor allem in wirtschaftlich starken Großstädten wie Leipzig und Dresden statt. Die Menschen verlassen die als abgehängt empfundenen ländlichen Regionen und versuchen in der Großstadt ihr Glück. Oder im direkten Umland der Großstädte, von wo aus die Arbeitsplätze in der Stadt gut erreichbar sind.
Weshalb die Prognosen für die Landkreise Leipzig und Nordsachsen so möglicherweise nicht eintreten werden, denn beide profitieren derzeit vom Bevölkerungswachstum der Stadt Leipzig.
Keine Kommentare bisher
“Weshalb die Prognosen für die Landkreise Leipzig und Nordsachsen so möglicherweise nicht eintreten werden, denn beide profitieren derzeit vom Bevölkerungswachstum der Stadt Leipzig.”
Man darf sich von Momentaufnahmen nicht täuschen lassen. Auch wenn die direkt an Leipzig grenzenden Gemeinden (außer Markkleeberg) seit ein paar Jahren vom Zuzug aus Leipzig profitieren, muss das nicht in 10 oder 15 Jahren auch noch so sein. Die Kinder, die jetzt im Umland aufwachsen, werden in 15 Jahren das Elternhaus verlassen haben. Diese Entwicklungen hatten wir in den 2000er Jahren bereits, als die Kinder die Eigenheime verlassen hatten, schrumpfte die Bevölkerungszahl im Umland deutlich. Zudem wird man nicht mehr ewig viele Eigenheime ins Umland setzen können. Die Kosten dafür sind hoch und Bauland knapper als vor 30 Jahren.
Da niemand 5, 10 oder noch mehr Jahre in die Zukunft schauen kann, darf man diese Prognosen auch nur als Trend sehen, wenn sich nicht etwas gravierend ändert. Allerdings ändert sich ständig etwas gravierend. Es ist nicht das erste Mal, dass bspw. für Leipzig 700.000 Menschen prognostiziert werden und es ist auch nicht das erste Mal, dass Sachsens Bevölkerungszahl unter 4 Mio. fallen wird. 2011/2013 stand man schon mal kurz davor, dass man unter diese Marke fällt. In der 6. regionalisierten Bevölkerungsprogrognose (2016) ging man davon aus, dass Sachsen im Jahr 2030 bei ca. 3,8 Mio. Einwohner*innen landen wird. Das ist ungefähr der Wert, den Bertelsmann nun für 2040 angibt. Im Moment hat Sachsen fast 4.1 Mio. Einwohner*innen und ist mit dem Wert seit 2015 – also seit fast 10 Jahren – stabil. Ungeachtet dessen dürfte es auf dem Land zusehends problematisch werden. Die Überalterung wird zu einem nicht händelbaren Problem. Das wird dann auch dazu führen, dass die Lebenserwartung auf dem Land deutlich sinkt und viele Alte notgedrungen in die Stadt ziehen müssen.