Eines der penetrant immer wieder wiederholten Argumente in der deutschen Migrationsdebatte ist ja die Behauptung, die Menschen würden in Deutschland nur deshalb einen Asylantrag stellen, um hier die sozialen Leistungen in Anspruch nehmen zu können, und nicht wirklich arbeiten wollen. Zwei DIW-Studien nehmen jetzt direkt Geflüchtete der Jahre 2015 und 2016 in den Fokus und stellen nicht nur steigende Erwerbstätigkeit fest, sondern auch die deutliche Zunahme von Aufstieg in höhere Positionen.

Im Grunde zwei Studien, die untermauern, dass Deutschland längst ein typisches Einwanderungsland ist, auch wenn das in den Köpfen gerade konservativer Politiker einfach nicht ankommen will. Und dass Deutschland, wenn es im internationalen Wettbewerb überhaupt noch mithalten will, die Zuwanderung auch braucht. Und dass es mit den ankommenden Menschen nicht umgehen kann wie Aschenputtel mit den Erbsen: Eine Wirtschaft wie die Deutsche braucht Menschen aller möglichen Qualifikationen.

Geflüchtete, die vor allem in den Jahren 2015 und 2016 nach Deutschland gekommen sind, finden hierzulande immer häufiger einen Job und wechseln zunehmend von Hilfskraft- in Fachkrafttätigkeiten oder steigen direkt als Fachkraft ein. Der sogenannte Gender Gap bei der unbezahlten Sorgearbeit ist bei Geflüchteten teilweise sogar geringer als bei vergleichbaren Paaren ohne Migrationshintergrund. Das sind die zentralen Ergebnisse der beiden Studien von Forscherinnen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Otto-Friedrich-Universität Bamberg.

„Die beiden Untersuchungen zeigen, wie wichtig die Arbeitsmarktintegration nach Deutschland geflüchteter Frauen und Männer ist und wie sehr es sich auszahlt, Sprachkurse zu besuchen und an anderen Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen“, sagt Cornelia Kristen, Senior Research Fellow im SOEP und Professorin für Soziologie an der Universität Bamberg. In die Studien einbezogen wurden Geflüchtete, die von 2013 bis 2020 nach Deutschland gekommen sind, meist in den Jahren 2015 und 2016. Als Datengrundlage diente das SOEP und die darin integrierte sogenannte IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten.

Über die Hälfte der erwerbstätigen Geflüchteten ist als Fachkraft tätig

Die Erwerbsbeteiligung der betrachteten Geflüchteten ist mit der Zeit deutlich gestiegen. Insbesondere Männer arbeiteten im Jahr 2020 deutlich häufiger als vier Jahre zuvor (55 statt 16 Prozent). Unter den Frauen stieg die Erwerbstätigkeit auf niedrigerem Niveau ebenfalls, von sechs auf 17 Prozent. Geflüchtete arbeiten zunächst vor allem als Hilfs- oder Fachkraft. Über den Zeitverlauf zeigt sich jedoch, dass vor allem Männer immer häufiger in Fachkrafttätigkeiten kommen – inzwischen arbeitet ein Drittel der 18- bis 65-jährigen geflüchteten Männer in dieser Position. Betrachtet man nur die erwerbstätigen Geflüchteten, sind sogar mehr als 60 Prozent als Fachkraft tätig.

Die Mobilität der Geflüchteten ist dabei höher als in der restlichen Bevölkerung in Deutschland. Unter den Geflüchteten wechseln vergleichsweise viele in andere Positionen, vor allem von Hilfskraft- in Fachkrafttätigkeiten.

„Insbesondere im Ausland erworbene berufliche Qualifikationen und der Erwerb eines deutschen Bildungsabschlusses sowie das Erlernen der deutschen Sprache begünstigen die bessere Positionierung in der Arbeitswelt und den Wechsel von einer Hilfskraft- in eine Fachkrafttätigkeit“, erklärt Studienautorin Elisabeth Liebau, wissenschaftliche Mitarbeiterin des SOEP im DIW Berlin.

Gender Care Gap deutlich geringer, wenn sowohl Mann als auch Frau erwerbstätig sind

Ob, in welchem Umfang und in welcher Position jemand erwerbstätig ist, wirkt sich in einer Partnerschaft maßgeblich auf die Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit aus. Das geht aus der zweiten Studie hervor, die in Abhängigkeit verschiedener Erwerbskonstellationen untersucht, wie sich Mann und Frau Aufgaben wie die Kinderbetreuung, Hausarbeit, Besorgungen und Reparaturen aufteilen. Demnach verringert sich insbesondere bei geflüchteten Paaren der Gender Care Gap, wenn neben dem Mann auch die Frau erwerbstätig ist. Während sich die Frau im Durchschnitt beispielsweise jeden Werktag 214 Minuten und damit gut dreieinhalb Stunden mehr um die Kinder kümmert als ihr Partner, sofern nur dieser erwerbstätig ist, schrumpft dieser Unterschied auf nur 40 Minuten zusammen, wenn beide erwerbstätig sind.

Gender Care Gap bei Paaren mit und ohne Migrationshintergrund. Grafik: DIW
Gender Care Gap bei Paaren mit und ohne Migrationshintergrund. Grafik: DIW

Das ist sogar ein größerer Rückgang als bei Paaren ohne Migrationshintergrund. Ist die Frau gleich viele Stunden erwerbstätig oder mehr und hat sie eine höhere berufliche Position als der Mann inne, trägt dies ebenfalls dazu bei, den Gender Care Gap zu reduzieren.

„Die mit einer Erwerbstätigkeit verbundenen Vorteile verbessern die Stellung von Frauen“, sagt Studienautorin Miriam Gauer, wissenschaftliche Mitarbeiterin des SOEP im DIW Berlin. „Frauen sind dann nicht nur finanziell besser abgesichert, sondern auch mit Blick auf die Aufteilung der Haus- und Sorgearbeit gleichberechtigter. Das trifft bei Geflüchteten offenbar sogar noch mehr zu als bei anderen Paaren.“

Die Erkenntnisse beider Studien unterstreichen, so das DIW, dass die Politik weiterhin in die Arbeitsmarktintegration investieren sollte. So gibt es unter Geflüchteten offenbar ein großes Fachkräftepotenzial, das noch nicht ausgeschöpft wird. Dieses sollten Unternehmen auch nutzen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Voraussetzung sind den Studienautorinnen zufolge ausreichende Qualifizierungsmaßnahmen. Neben Sprachkursen sowie Aus- und Weiterbildungen sei aber, wie andere Studien zeigen, auch eine vereinfachte Anerkennung von Berufsabschlüssen wichtig und darüber hinaus etwa auch ein ausreichendes Angebot an Kita- und anderen Betreuungsplätzen.

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