Die Mieten in Leipzig steigen seit Jahren. Die Zeit, in der die Nettomiete bei 5 Euro pro Quadratmeter wie festgezurrt schien, ist seit 2014 vorbei. Das hat mit dem schwindenden Leerstand zu tun, aber eben auch mit Bautätigkeit und Sanierung. Denn wenn Wohnungssuchende in Leipzig keine Wohnungen im preiswerten Segment finden, sind sie in der Regel gezwungen, die deutlich teureren Mietangebote auf dem freien Markt anzunehmen.

„Leipzig ist weiterhin eine Stadt der Mieterinnen und Mieter: Die Wohneigentumsquote verharrt bei 22 Prozent“, fasst das Amt für Statistik und Wahlen den Befund für 2022 zusammen. „Die Kaltmieten sind binnen eines Jahres um 14 Cent gestiegen (Vorperiode: plus 27 Cent). Im Schnitt liegt dieser Wert bei 6,60 Euro pro Quadratmeter (Gesamtmiete: 9,18 pro Quadratmeter).“

Woher die Angst kommt: Tücken des Durchschnittswerts

Was dann auch zur Folge hat, dass die steigenden Wohnkosten zu den größten Ängsten der Leipzigerinnen und Leipziger gehören. Zu den Ängsten gibt es eine eigene Erhebung in der Bürgerumfrage. Dazu kommen wir noch.

Aber warum haben so viele Leipziger Angst vor steigenden Mieten, wenn es doch scheinbar nur um Cent-Beträge geht?

Das Problem steckt – wie so oft – im Durchschnittswert. Das lässt die Grafik mit der Mietbelastung nach Einkommensklassen ahnen. Da hat sich zwar scheinbar nicht viel getan. Die Geringverdiener mit maximal 1.100 Euro Einkommen im Monat sind mit 42 Prozent Mietbelastung eindeutig noch immer überlastet. Während die höheren Einkommensgruppen über 2.300 Euro netto mit 24 bzw. 20 Prozent Mietbelastung eher keine Probleme haben, auch die höheren Mieten in Leipzig zu zahlen.

Die Mietbelastung der Leipziger, gestaffelt nach Einkommensgruppen. Grafik: Stadt Leipzig, Vorabbericht zur Bürgerumfrage 2022
Die Mietbelastung der Leipziger nach Einkommensgruppen. Grafik: Stadt Leipzig, Vorabbericht zur Bürgerumfrage 2022

Das Problem taucht genau dort auf, wo man es auch erwarten könnte – in der Sandwich-Klasse der Menschen, die irgendwo zwischen 1.100 und 2.300 Euro Netto-Einkommen haben. Ihre Mietbelastung ist in den letzten drei Jahren erstmals seit 2011 über den Durchschnitt der Leipziger gestiegen. Noch nicht in den Bereich, den die Statistiker als Überlastung werten (40 Prozent).

Aber der leichte Anstieg auf 32 Prozent lässt ahnen, dass auch in dieser Einkommensklasse immer mehr Haushalte Mieten akzeptieren müssen, die das Haushaltsbudget völlig ausreizen oder auch übersteigen.

Wohin soll man da noch ausweichen?

Womit sie in dieselbe Zwangslage kommen wie die Geringverdiener und aus Kostengründen eine neue Wohnung suchen müssen. Die sie aber in der Regel nicht finden.

Was sich in der groben Statistik der Umzugsabsichten der Leipziger noch nicht zeigt. Dort ist die Gruppe derer, die nicht daran denken, in den nächsten zwei Jahren umzuziehen, mit 64 Prozent auf dem gleichen Niveau wie in den Vorjahren. Nur 36 Prozent erwägen den Umzug, 9 Prozent sogar ziemlich sicher. Auch das ist kein wirklich überraschender Wert.

Deutlicher wird die Sache erst, wenn man die „Umzugswilligen“ dann fragt, wohin sie umziehen wollen.

Die möglichen Ziele der „umzugswilligen“ Leipziger. Grafik: Stadt Leipzig, Vorabbericht zur Bürgerumfrage 2022
Die möglichen Umzugsziele der „umzugswilligen“ Leipziger. Grafik: Stadt Leipzig, Vorabbericht zur Bürgerumfrage 2022

Und da fiel dann auch Dr. Christian Schmitt, Leiter des Amtes für Statistik und Wahlen, auf, dass die Zahl derer, die einen Umzug ins Leipziger Umland in Erwägung ziehen, deutlich zurückgegangen ist. Dabei war die Abwanderung gerade von Familien mit Kindern ins Umland nun drei Jahre lang Dauerthema in der Leipziger Diskussion. Manche befürchteten gar, dass Leipzig dadurch der Kindernachwuchs verloren gehen könnte. Aber dass der Nachwuchs ausbleibt, hat wohl andere Gründe.

Einer dieser Gründe kann natürlich sein, dass junge Familien in Leipzig schlichtweg keinen bezahlbaren Wohnraum für Familien mehr finden. Denn man dürfe auch nicht übersehen, so Dr. Andrea Schultz, Abteilungsleiterin Stadtforschung im Amt für Statistik und Wahlen, dass die Bürgerumfrage nur die Bestandsmieten ermittelt.

Dass sich aber die Angebotsmieten auf dem freien Markt in einer völlig anderen Sphäre bewegen, und zwar deutlich über den 2022 ermittelten 6,60 Euro je Quadratmeter.

Ein unflexibel gewordener Wohnungsmarkt

Und da ahnt man dann zumindest, welch ein Druck gerade auf den Leipzigerinnen und Leipzigern liegt, die mit irgendwas zwischen 1.100 und 2.300 Euro im Monat auskommen müssen, irgendwie eine neue Wohnung zu finden, die dann möglicherweise auch die Erfüllung von Kinderwünschen ermöglicht.

Dass das direkte Leipziger Umland preislich längst davongezogen ist, kann durchaus in dem deutlichen Abschmelzen der Gruppe jener gesehen werden, die im Umland nach einem neuen Zuhause suchen – von 17 Prozent der „Umzugswilligen“ auf 9 Prozent.

Dafür ist eine andere Gruppe deutlich gewachsen, nämlich die Gruppe derer, die im selben Wohnviertel oder wenigstens im selben Stadtbezirk nach einer neuen Wohnung suchen – von 40 Prozent im Jahr 2021 auf nunmehr 57 Prozent. Man möchte in der Stadt bleiben, weil man hier Arbeit und Freunde hat, die Kinder in die Kita oder zur Schule gehen.

Und diese Zahl deutet eben auch nicht darauf, dass diese Menschen nun unbedingt ins Eigenheim ziehen wollen, wie es in der Stadtpolitik ja auch schon diskutiert wurde.

Eine Stadt sollte normalerweise die Bedingungen bereitstellen, dass sich der verändernde Status der Familienplanung auch in einem flexiblen Wohnungsmarkt abbildet. Aber Leipzigs Wohnungsmarkt ist nicht mehr flexibel. Womit wir wieder bei den Ängsten wären, die sich inzwischen auch um die steigenden Mieten in Leipzig ranken.

Mit denen beschäftigen wir uns im nächsten Beitrag zum Vorabbericht zur Bürgerumfrage.

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