Es ist erst einmal nur eine zusammenfassende Meldung für ganz Deutschland. Aber die Zahl der Sanktionen in den deutschen Jobcentern ist 2022 gesunken. Auch wenn die Bundesagentur für Arbeit nicht von Sanktionen spricht, sondern von Leistungsminderungen, was aber auch nichts anderes ist als eine Kürzung der Gelder für die Hilfsbedürftigen. Die Jobcenter haben im vergangenen Jahr 148.488 Leistungsminderungen ausgesprochen, 45.241 weniger als im Jahr 2021.
Betroffen davon waren 99.571 erwerbsfähige Leistungsberechtigte, 31.389 weniger als im Vorjahr. Die Zahl der Leistungsminderungen liegt erheblich unter dem Niveau vor der Pandemie, so die Bundesagentur. Im Jahr 2019 wurden noch 806.811 Minderungen ausgesprochen. Gründe sind neben den Folgen der Corona-Pandemie auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019 und das sogenannte „Sanktionsmoratorium“.
Sanktionspolitik und die Frage der Pflichtverletzung
Im vergangenen Jahr mussten 2,7 der Prozent der Leistungsberechtigten mit mindestens einer Sanktion belegt werden, meint die Bundesagentur für Arbeit. Das „Müssen“ ergibt sich aus der Konstruktion der „Pflichtverletzungen“ im SGB II. Ob die Sachbearbeiter/-innen im Jobcenter die konkrete „Pflichtverletzung“ dann tatsächlich auch als solche ansehen, ist eine andere Frage.
Erst recht, wen die Sanktionierten vor Gericht ziehen und gerade in Leipzig in vielen Fällen auch bestätigt bekamen, dass die Leistungskürzungen zu Unrecht verhängt worden waren.
Im Vorjahr waren 3,1 Prozent der Jobcenter-Klienten von Leistungskürzungen betroffen. Damit kommen 97 von 100 Menschen mit Minderungen nicht in Berührung, versucht die Bundesagentur die Sache ins Positive zu wenden.
Doch zur Seltsamkeit des Konstrukts gehört die simple – auch auf Wikipedia zu lesende – Feststellung: „Geschäftsführer der Jobcenter erhalten vierstellige Prämienzahlungen, wenn sie vorgegebene Sanktionsquoten annähernd erreichen oder übertreffen.“
Dass viele „Pflichtverletzungen“ gar keine sind und die Sanktionen zu Unrecht verhängt wurden, bestätigte dann auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2019.
Während des „Sanktionsmoratoriums“ von Juli 2022 bis Dezember 2022 führte das erste Meldeversäumnis nicht zu einer Leistungsminderung. In die Statistik gehen nur die Minderungen aufgrund aller weiteren wiederholten Meldeversäumnisse ein. Rechtsfolgen aufgrund von Pflichtverletzungen waren in diesem Zeitraum nicht zulässig. Daher werden neu ausgesprochene Sanktionen während dieses Zeitraums nicht nach Gründen unterschieden.
Die Leistungsminderungen im Bürgergeld
Das „Sanktionsmoratorium“ ist zum Ende des vergangenen Jahres ausgelaufen. Ab Januar dieses Jahres müssen die Jobcenter wieder Leistungsminderungen prüfen und gegebenenfalls aussprechen. Das alte Bestrafungsprinzip aus „Hartz IV“ wurde also auch wieder in das Bürgergeld implementiert, das damit wiederum nicht bedingungslos ist.
Die Folge: Verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten oder liegen Meldeversäumnisse vor, können die Leistungen vom Jobcenter weiterhin gemindert werden. Eine Pflichtverletzung liegt etwa vor, wenn eine zumutbare Arbeit oder Ausbildung nicht angetreten oder abgebrochen, oder eine Maßnahme zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht angetreten oder abgebrochen wird. Ein Meldeversäumnis liegt vor, wenn Termine im Jobcenter oder beim Ärztlichen oder Berufspsychologischen Dienst ohne wichtigen Grund nicht wahrgenommen werden.
Also das komplette Besteck aus „Hartz IV“.
Bei der ersten Pflichtverletzung wird der Regelbedarf um 10 Prozent für einen Monat, bei einer zweiten Pflichtverletzung um 20 Prozent für zwei Monate und in der letzten Stufe um 30 Prozent für drei Monate gemindert. Die Leistungen dürfen insgesamt um maximal 30 Prozent des Regelbedarfes gemindert werden. Bis zu dieser Maximalhöhe können sich Minderungen im Einzelfall auch aufaddieren. Kosten für Miete und Heizung dürfen nicht gekürzt werden.
Leistungsminderungen treten nicht ein, wenn ein wichtiger Grund für das Verhalten vorliegt oder sie im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte bedeuten würden.
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