Den diesjährigen Tag der Deutschen Einheit nutzte die Bundesagentur für Arbeit mal wieder zum großen Wundern: „Auch nach 32 Jahren Deutscher Einheit sind die Unterschiede zwischen Ost und West immer noch signifikant. In Ostdeutschland liegt etwa das Medianentgelt der Frauen schon seit Jahren über dem der Männer. Im Westen ist es umgekehrt.“

Natürlich stimmt an dem Satz etwas nicht. Aber es sind nicht die signifikanten Gehaltsunterschiede zum Westen. „Insgesamt liegen die Medianentgelte in Ostdeutschland nach wie vor deutlich unter denen im Westen. Die grundsätzliche Tendenz geht dahin, dass die Unterschiede – wenn auch nur langsam – geringer werden“, schreibt die Bundesagentur.

Und lässt dann eine irreführende Überschrift folgen: „Frauen in Ostdeutschland verdienen mehr als die Männer“.

Wahrscheinlich gab es zur Feier des Tages wieder zu viel Eierlikör im Büro.

Die eigentliche Botschaft gibt diese Überschrift nämlich nicht her:

„Das Medianentgelt der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten erreichte 2021 in Ostdeutschland erstmals die 3.000-Euro-Marke und liegt aktuell bei 3.007 Euro. Dabei verdienen die ostdeutschen Frauen mit 3.060 Euro im Mittel 82 Euro mehr als die Männer (2.978 Euro).

Der höhere Median der vollzeitbeschäftigten Frauen wird aber durch die deutschlandweit hohe Teilzeitquote der Frauen eingeschränkt. Auch in Ostdeutschland arbeitet fast die Hälfte der Frauen in Teilzeit (49 Prozent). Im Westen zeigt sich dagegen ein anderes Bild: Dort verdienen die Männer im Mittel 461 Euro mehr als die Frauen und erreichen 2021 ein Medianentgelt von 3.787 Euro.“

Auf die Krux an dieser Zusammenfassung kommen wir gleich noch.

Weniger Industrie, mehr Dienstleistung im Osten

Dass die Medienentgelte im Osten noch immer satte 600 Euro unter denen im Westen liegen, hat ganz simple strukturelle Gründe, wie auch die Bundesarbeitsagentur erläutert:

„Die unterschiedlichen Medianentgelte von Männern und Frauen in den beiden großen Landesteilen gehen auf die jeweiligen Branchenstrukturen zurück. In den alten Bundesländern finden sich weitaus mehr große Unternehmen in den von Männern dominierten Branchen mit entsprechenden Tarifstrukturen, wie z. B. dem verarbeitenden Gewerbe. Demgegenüber ist in Ostdeutschland der Frauenanteil in Branchen mit Tariflöhnen relativ hoch, z.B. in der öffentlichen Verwaltung oder dem Gesundheitswesen.“

Das ist die Stelle, an der gestutzt werden sollte. Denn auch das ist eine Verknappung. Denn die von der Bundesagentur für Arbeit vorgelegte Statistik ist wie immer, wenn die BA eine Statistik vorlegt, lückenhaft.

Das steckt nämlich in dem oben verwendeten Begriff „sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigte“. Deswegen ist auch der Verweis auf den höheren Frauenanteil in der „öffentlichen Verwaltung oder dem Gesundheitswesen“ irreführend.

Dazu genügt der Blick nach Sachsen, wo die scheinbar „ostdeutschen Verhältnisse“ nicht ganz so stark ausgeprägt sind wie etwa in Brandenburg, Thüringen oder Sachsen-Anhalt. Hier verdienten vollzeitbeschäftigte Männer im Median 2.867 Euro im Monat, Frauen immerhin 2.834 Euro, als etwas weniger als die Männer.

Was die BA also als Regel für den Osten erkennen will, trifft nicht auf alle Ostbundesländer zu.

Die ausgeblendete Teilzeit

Aber auch die beiden Zahlen sind noch nicht die ganze Wahrheit, die steckt in der eigentlichen Statistik zu sv-pflichtig Beschäftigten in Sachsen, die eben nicht nur die Vollzeitbeschäftigten umfasst, sondern auch die Teilzeitbeschäftigten.

Von 520.000 Teilzeitbeschäftigten in Sachsen waren 2021 immerhin 402.000 Frauen. Um Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen, arbeiten nun einmal viele Frauen in Teilzeit – auch in hochqualifizierten Berufen. Aber ihre Entgelte gingen nicht in die Statistik der BA ein. Was diese Statistik gewaltig verzerrt.

Denn während von 837.000 sv-pflichtig arbeitenden Männern nur 118.000 in Teilzeit arbeiteten (14,4 Prozent), arbeiteten von 782.000 Frauen die benannten 402.000 in Teilzeit – also 51,4 Prozent.

Da die Entgelte bei Teilzeit aber in der Regel deutlich niedriger liegen, haben Frauen in der Gesamtheit ein deutlich niedrigeres Einkommen als Männer.

Dass sie aber bei Vollzeitjobs fast auf demselben Niveau liegen, hat natürlich damit zu tun, dass sie hier zumeist in Bereichen tätig sind, in denen tariflich bezahlt wird, während auch in Sachsen viele Männer in Betrieben arbeiten, in denen deutlich unter Tarif bezahlt wird.

Was sich aber auch nach und nach ändert, denn der Fachkräftemangel zwingt viele Betriebe, die bislang lieber untertariflich bezahlten, dazu, die verfügbaren Arbeitskräfte besser zu bezahlen.

Unterschiede werden langsam geringer

„Insgesamt verzeichneten die Löhne und Gehälter 2021 im Osten einen kräftigeren Zuwachs als im Westen: Während in den alten Bundesländern die Medianentgelte um 86 Euro stiegen, konnten die Vollzeitbeschäftigten in Ostdeutschland ein Plus von 117 Euro erzielen“, stellt dazu die Bundesagentur für Arbeit fest.

„Damit verringerte sich 2021 erneut der Ost-West-Unterschied bei den Löhnen und Gehältern. Er beträgt aber immer noch 619 Euro. Im Jahr zuvor betrug der Abstand noch 650 Euro. 2017 lag der Unterschied noch bei 739 Euro.“

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