Wenn diverse Zeitungen immer wieder neue Mietmarktberichte verรถffentlichen, weiร man meist gar nicht mehr, wovon da die Rede ist. Manchmal merkt man nur, dass irgendwelche Interessenverbรคnde dahinterstecken, die steigende Mieten fรผr eine profitable Geschรคftsgrundlage halten. Im neuen Quartalsbericht haben Leipzigs Statistiker/-innen mal eine Mietpreisanalyse unternommen.
Die von Andrea Schultz, Martin Waschipky und Stephan Hack unternommene Analyse betrachtet die verschiedenen Mietwerte der vergangenen zehn Jahre.
Und da muss man schon sehr aufs Detail achten.
โIm Unterschied zu den Angebotsmieten spiegeln die Bestandsmieten den mittleren Mietpreis fรผr alle Wohnungen โ unabhรคngig von der Wohn- bzw. Mietvertragsdauer โ widerโ, betont das Amt fรผr Statistik und Wahlen. Und die Bestandsmieten werden auf zwei verschiedenen Wegen erfasst.
Einmal im Mietspiegel der Stadt, der aber nur die Mietverรคnderungen der vergangenen sechs Jahre erfasst. Und zum anderen รผber die jรคhrliche Bรผrgerumfrage, mit der tatsรคchlich erfasst wird, was alle erfassten Haushalte aktuell tatsรคchlich an Miete zahlen.
Alles scheinbar Feinheiten. Aber nicht unwichtig.
Denn: โAm Beginn des Untersuchungszeitraums 2012 lagen in Leipzig die Angebotsmieten und die Bestandsmieten auf nahezu gleichem Niveau (2012 Bestand: 5,15 Euro, Angebot: 5 Euro), Zuziehende und Umziehende konnten sich also zu den gleichen Konditionen wie alteingesessene Mieterinnen und Mieter mit Wohnraum versorgen. Seither bildet sich jedoch eine Preisschere zwischen Angebots- und Bestandsmieten โ mit hoher Dynamik bei den Angebotsmieten (2021 Bestand: 6,47 Euro, Angebot: 7,52 Euro)โ, stellt das Amt fรผr Statistik und Wahlen fest.

Die Kurven der drei Erfassungsarten gehen also seitdem deutlich auseinander. Was auch mit einem Phรคnomen zu tun hat, das Leipzigs Stadtverwaltung damals beharrlich verleugnete: der zunehmenden Knappheit frei verfรผgbaren Wohnraums auf dem Leipziger Mietwohnungsmarkt.
Dieser sei einfach noch nicht โangespanntโ, wurde jahrelang behauptet. Und generell betrachtet stimmte das ja auch. Der Wohnraum wurde vor allem fรผr Leipziger/-innen knapp, die nach bezahlbarem Wohnraum suchten, auรerdem fรผr Familien mit Kindern und fรผr Singles.
Wรคhrend im Luxussegment immer fleiรig gebaut wurde und das Geld fรผr den sozialen Wohnungsbau hinten und vorn nicht reichte. Nur ein Drittel dessen, was die Stadt selbst als jรคhrlich benรถtigten Sozialwohnungsbau berechnet hat (1.200 bis 1.300 neue Wohnungen) kann von den von Bund und Land bereitgestellten Fรถrdergeldern tatsรคchlich gebaut werden.
Abwandern, verkleinern oder deutlich mehr zahlen
Was eben teilweise dazu fรผhrt, dass Leipziger/-innen ins Umland abwandern, weil sie nur dort noch bezahlbaren Wohnraum finden. Oder man beiรt in den sauren Apfel und zieht in teurere Wohnungen โ meist mit deutlichem Verzicht auf Wohnflรคche. Auch das treibt dann die Durchschnittsmieten nach oben.
Wobei eben auch deutlich wird, dass die Angebotsmieten nicht wirklich das Mietniveau in Leipzig spiegeln. Sie spiegeln eher die Knappheit des verfรผgbaren Wohnungsangebots und die Preislage, fรผr die heute Wohnungen angemietet werden kรถnnen.
Wo vor zehn Jahren durchschnittlich 5 Euro noch ausreichten und genรผgend Wohnungen auch in dieser Preislage gefunden werden konnten, sind die Angebotsmieten um satte 50 Prozent gestiegen.
Und das macht sich mittlerweile auch bei den abgefragten tatsรคchlichen Miethรถhen bemerkbar.
Auch wenn das Amt fรผr Statistik und Wahlen betont: โUnter anderem der qualifizierte Mietspiegel schรผtzt seit 2017 die Bestandsmieterinnen und -mieter davor, dass die Preisanstiege des Angebotsmarktes auf die Bestรคnde durchschlagen.โ Und: โDas Mietenniveau der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB) liegt im Mittel unter dem stรคdtischen Niveau, somit wirken die kommunalen Bestรคnde mietpreisdรคmpfend.โ
Baupreise schlagen durch
Im Jahr 2021 โ so das Amt โ โhaben die Preise fรผr Wohnungsbau und -instandhaltung nochmals stark angezogen โ entsprechend sind Auswirkungen auf die Mietpreisentwicklung zu erwarten. Anhand des Sรคchsischen Verbraucherpreisindexes wird zudem deutlich, dass die Nettokaltmieten in Leipzig deutlich stรคrker steigen als im Freistaat.โ
Knappheit hat ihren Preis. Und noch etwas stellen die drei Autor/-innen fest: โNach Befunden der Kommunalen Bรผrgerumfrage 2021 wurden in den zurรผckliegenden sechs Jahren bei 49 Prozent der Leipziger Miethaushalte Erhรถhungen verlangt. Wohnungen in Plattenbauten waren jedoch รผberdurchschnittlich hรคufig betroffen, und zwar zu 69 Prozent. In Wohnungen, die nach 1990 gebaut wurden, fanden dagegen nur zu 39 Prozent Mieterhรถhungen statt. Somit sind im Datenpool der mietspiegelrelevanten Wohnungen die (eher preiswerten) Plattenbauwohnungen รผberproportional stark zum Gesamtwohnungsmarkt vertreten, die (eher teureren) Wohnungen der Nachwendezeit proportional weniger.โ
Wobei die beigefรผgte Karte auch zeigt, dass der Mietanstieg nicht alle Ortsteile gleichmรครig erfasst. Im Gegenteil: einige Ortsteile im Stadtinneren und am Stadtrand fallen mit besonders starken Mietsteigerungen auf.
โDie hรถchsten Bestandsmietsteigerungen lassen sich fรผr Plagwitz (+47 Prozent) innerhalb von acht Jahren feststellen. Aber auch in einigen Ortsteilen des Stadtrandes mit teilweise nennenswertem Wohnungsbestand aus der Nachwendezeit (Seehausen und Lรผtzschena-Stahmeln) haben sich die Bestandsmieten deutlich erhรถht. Vergleichsweise geringe Bestandsmietsteigerungen sind fรผr die durch Siedlungen, Altbau und industriellen Plattenbau geprรคgten Viertel in Mockau-Nord und in Sellerhausen-Stรผnz zu verzeichnenโ, stellen die Autor/-innen des Beitrags fest.

Die spรคte Mietpreisbremse
Und die Gelegenheit nutzen sie natรผrlich auch, um auf die demnรคchst wirksam werdenden Mietpreisbremse hinzuweisen: โDie hedonischen Mietpreise des Mietspiegels dienen dazu, im Mieterhรถhungsverfahren, die maximal zulรคssige Miethรถhe vorzuschreiben. Zudem kann die ortsรผbliche Vergleichsmiete auch zur Preisfindung bei Neuvermietungen dienen. Gilt in einer Kommune die Mietpreisbremse, dann darf die Miete bei Neuvermietung maximal 10 Prozent รผber der ortsรผblichen Vergleichsmiete liegen. In Leipzig tritt die Mietpreisbremse in Kรผrze in Kraft.โ
Anderthalb Jahre zu spรคt.
Dabei genรผgt diese Bremse nicht wirklich, erklรคrte erst am 2. Juni Juliane Nagel, Sprecherin der Linksfraktion im Landtag fรผr Wohnungspolitik:
โDie Koalition lobt sich fรผr die Mietpreisbremse, aber die kommt anderthalb Jahre zu spรคt und wirkt mรครig. CDU, Grรผne und SPD hรคtten die Mieterinnen und Mieter lรคngst besser vor horrenden Neuvertragsmieten in Bestandswohnungen schรผtzen kรถnnen. Mir hat beispielsweise ein Paar aus Leipzig-Lindenau berichtet, dass ihre Wohnung durch Neuvermietung um 50 Prozent verteuert wurde, ohne dass etwas renoviert worden wรคre.
Solche Profitmaximierung kรถnnen wir uns nicht bieten lassen. Wir mรผssen die Marktmacht der bรถrsennotierten Konzerne brechen und gemeinwohlorientierte Akteure fรถrdern! Erst gestern wurde bekannt, dass Vonovia die Mieten angesichts der Inflation erhรถhen will. Dabei hat dieses Unternehmen letztes Jahr 1,7 Milliarden Euro Gewinn erzielt und die hรถchste Dividende der Unternehmensgeschichte ausgezahlt.
Mieten und Energiekosten steigen viel stรคrker als die Einkommen. Das frisst immer grรถรere Teile der kleinen Einkommen vieler Menschen auf. Das Mantra der Immobilienlobby, dass der Markt die Sache regelt, stimmt nicht. Helfen kann nur staatliche Regulierung.
Die Mietpreisbremse bremst aber kaum: Sie gilt weder fรผr modernisierte Wohnungen noch fรผr Neubauten. Auch in Leipzig und Dresden treiben teure Luxusneubauten den Mietspiegel in die Hรถhe. Das schwรคcht auch die Mietpreisbremse, die auf der ortsรผblichen Vergleichsmiete basiert.โ
Was aber passiert, wenn in einer beliebten Stadt wie Leipzig die Mieten so stark steigen?
Dann stimmen auf einmal die Statistiken nicht mehr. Was die drei Autor/-innen mit Blick auf den sรคchsischen Preisindex (den das Landesamt fรผr Statistik regelmรครig verรถffentlicht) diskutieren.
โAus der amtlichen Statistik ist hierbei nur der Nettokaltmietenindex als Untergruppe aus dem sรคchsischen Verbraucherpreisindex verfรผgbar. Der Wert dieser Datenquelle liegt vor allem in der rรคumlichen Vergleichsmรถglichkeit. Inhaltlich muss bedacht werden, dass sich der sรคchsische Nettokaltmietindex auf die gesamte Grundmiete der Wohnung und nicht die Quadratmetermiete bezieht.
Wendet man die zugrundeliegende Methode fรผr die Bestandsmieten in Leipzig an, d. h. man relativiert sie zur Basis 2015 โ 100, werden Besonderheiten der Leipziger Mietpreisentwicklung im Vergleich zur gesamtsรคchsischen Situation deutlich. Obwohl die Bestandsmieten in Leipzig deutlich weniger stark als die Angebotsmieten steigen, sieht man im sachsenweiten Vergleich die besondere Preisdynamik in Leipzig. Wรคhrend die mittleren Bestandsmieten (netto-kalt, Gesamtwohnung) in Leipzig seit 2015 um 26,2 Prozent gestiegen sind, ist fรผr Sachsen nur ein Anstieg um 4,4 Prozent realisiert worden.โ
Das heiรt: Die Leipziger zahlen zwar immer mehr fรผr die Miete. Da die Mieten aber in anderen Landesteilen mehr oder weniger stagnieren (und sogar grรถรerer Wohnungsleerstand existiert), wird der starke Anstieg in Leipzig nur zu einem geringen Teil auch im sรคchsischen Preisindex abgebildet.
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Es gibt 2 Kommentare
Die Tage kam von der LWB wieder die jรคhrliche Mieterhรถhung.
โGem. ยง558 Abs. 3 BGB in Verbindung mit der Verordnung der Sรคchsischen Staatsregierung zur Senkung der Kappungsgrenze vom 23.01.2018, verkรผndet am 18.02.2018, darf sich Ihr Mietzins innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren, von Erhรถhungen nach den ยงยง 559 bis 560 BGB abgesehen, nicht mehr als 15 von Hundert erhรถht haben (Kappungsgrenze).โ
Die LWB nutzt also den gesetzlich eingerรคumten Spielraum fast vollstรคndig aus. In meinem Fall sind es reichlich 15 Euro dieses Jahr. Das Konstrukt des Mietspiegels / der โortsรผblichen Vergleichsmieteโ ist also auch fรผr den stรคdtischen Groรvermieter ein Instrument, bei dem er fleiรig mit am Hebel ist und so selbst wirksam die Durchschnittswerte nach oben treibt.
โ
Es ist nicht so, dass mich die 15 Euro jetzt aus der Wohnung treiben, aber ob sowas jedes Jahr sein muss, wรผrde ich mal in den Raum stellen. Und es wird auch durchaus komplett durchgezogen: Letztes Jahr hatte ich einfach stillschweigend den Dauerauftrag erhรถht und die Miete angepasst, da kam dann einige Zeit spรคter ein Brief an in dem sinngemรคร stand, ich mรผsse noch schriftlich zustimmen, sonst wรผrde man es sich einklagen. Finde ich mรครig, solche Gebaren.
Hat nicht der Leipziger Stadtrat im Mietspiegel festgelegt, daร Vermieter รผber einen Zeitraum von 3 Jahren die Mรถglichkeit haben die Miete um 15% zu erhรถhen. Somit hat die Politik eine Mitschuld an den Erhรถhungen. Da sollten sich Stadtpolitiker doch ein wenig zurรผckhalten.