Schon die Ausgabe Nr. 1 des Quartalsberichts für Leipzig 2020 war eine Sparausgabe, die Ausgaben Nr. 2 und 3 wurden erst recht zusammengedampft. Obwohl es eigentlich nur die Nr. 3 wurde. Und auch das in einer Sparausgabe mit drei statistischen Beiträgen und den Zahlen bis September 2020. Aber auch das erzählt etwas über das Corona-Jahr. Sogar eine Menge.
Und das nicht in den Berichten zu Mietbelastung, Studierenden und Straftatenzahlen (auf die kommen wir später noch), sondern in jenem scheinbar so unspektakulären Zahlenteil, der eigentlich den Kern jedes Quartalsberichtes ausmacht und wo auch die kurzfristigen Veränderungen innerhalb eines Jahres sichtbar werden. Die Ankunft einer Pandemie zum Beispiel, die in Leipzig das Leben ab März deutlich sichtbar umgekrempelt hat – teilweise sogar zum Besseren.Über eine Zahl haben wir ja schon berichtet. Das sind die Fahrgäste der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB). Statt 111 Millionen beförderte Personen verzeichneten die LVB Ende September nur 79 Millionen, also nur noch 71 Prozent des Vorjahreswertes. Am heftigsten schlug dabei das 2. Quartal zu Buche, wo ja bekanntlich der erste Lockdown stattfand, und wo sich die Zahl der Nutzer von Bussen und Straßenbahnen mehr als halbierte – von 38 auf 18 Millionen Fahrgäste. Im dritten Quartal erhöhte sich die Zahl wieder leicht auf knapp 27 Millionen, was freilich noch niedriger war als die 34 Millionen im Vorjahr.
Das letzte Quartal mit dem (harten) Lockdown ab November ist noch nicht vermerkt. Aber man sieht schon, dass sich die Mobilität der Leipziger deutlich verringert hat. Aber nicht so stark, wie es andere Verkehrsverbünde vermelden, wo es teilweise auf 40 oder gar 20 Prozent runterging.
Der Grund ist wohl auch, dass in Leipzig deutlich mehr Menschen (auch und gerade in systemrelevanten Berufen) auf den ÖPNV angewiesen sind und gar nicht einfach aufs Auto umsteigen können und – man betrachte nur das Leipziger Radwegesystem – auch nicht so einfach aufs Fahrrad.
Was erzählen die Messstellen für Luftschadstoffe?
Aber da wir schon einmal beim Auto sind: Lässt sich der Rückgang des Autoverkehrs eigentlich aus dem Quartalsbericht ablesen?
Indirekt schon. Nämlich ganz hinten aus den Tabellen zur Schadstoffbelastung. Mancher erinnert sich vielleicht noch an das Jahr 2018, als Deutschland fast nur noch über ein einziges Thema diskutierte: drohende Fahrverbote. Und zwar so laut und verzweifelt, dass sich der Bundesverkehrsminister genötigt sah, Fördermittel für umweltfreundliche Verkehrsprojekte im ÖPNV in Aussicht zu stellen. In Leipzig entbrannte daraufhin die Diskussion um die Einführung eines 365-Euro-Tickets, für das es freilich bislang keine Fördermittel gab.
Während große deutsche Städte im Westen damit verzweifelt versuchten, vor allem die Stickoxidwerte irgendwie unter den von der EU gesetzten Grenzwert von 40 μg/m³ zu bekommen, kam Leipzig nur ganz kurz in diese Diskussion. Denn 2018 schwankten die gemessenen Stickoxidwerte an der Messstelle Leipzig-Mitte immer ganz knapp um die 40 μg/m³, mal ein bisschen drüber, mal ein bisschen drunter. Es war absehbar, dass sie langfristig drunter bleiben würden.
Und das war sogar schon 2019 der Fall, da lagen die gemessenen Werte knapp über 30 μg/m³. Wahrscheinlich ist das die aktuell denkbare Belastung, mit der Leipzig mit den heutigen Automodellen rechnen muss. Denn diese sichtlich geringere Belastung setzte sich 2020 fort. Die Monate Januar und September brachten genau solche Stickstoffdioxidbelastungen um 33 μg/m³.
Zwischendurch fielen sie freilich – beginnend mit dem Februar – noch tiefer, auch weil es 2020 die große Baustelle an der Haltestelle Goerdelerring gab, die möglicherweise dazu beitrug, einen Großteil des Kfz-Verkehrs von der Messstelle am Hallischen Tor wegzulenken. Der Lockdown fiel genau in diese Zeit.
Wahrscheinlich trug die Baustelle dazu bei, den Messwert am Hallischen Tor auf im Schnitt 26 μg/m³ zu senken. Was natürlich auch deutlich zeigt, dass der KfZ-Verkehr der Hauptverursacher von Stickstoffdioxid ist.
Eine ähnliche Entwicklung gibt es übrigens auch bei der Feinstaubmessung und beim Stickstoffmonoxid.
Da ist natürlich die Frage: Hat das nur mit der Baustelle am Goerdelerring zu tun? Dann passen die Messwerte von Februar und September nicht wirklich dazu, da die Verkehrseinschränkungen erst ab April wirksam wurden und bis Oktober gültig waren. Augenscheinlich haben sich beide Vorgänge überlagert, denn die Messwerte an der Messstelle in der Lützner Straße (für Feinstaub) deuten darauf hin, dass auch dort ab Februar das Kfz-Aufkommen spürbar geringer wurde und die Feinstaubwerte bis Juli unter denen des Vorjahres blieben. Erst ab August, als viele Leipziger aus dem Urlaub zurückkamen und die Pandemie scheinbar gebannt schien, wurden wieder die Vorjahreswerte erreicht.
Fluggastzahlen, Urlauber, Infizierte
Apropos Urlaub: Das lässt sich natürlich auch aus dem Quartalsbericht herauslesen. Etwa bei den Fluggastzahlen am Flughafen Leipzig/Halle, wozu der Bericht anmerkt: „Die Zahl der Fluggäste sank im 2. Quartal 2020 aufgrund des coronabedingten ,Lockdowns‘ um 99,0 Prozent auf 3.306. Im 3. Quartal nahm die Zahl wieder zu auf einen Stand von 145.097. Dies entsprach 43 Prozent des Wertes des 1. Quartals und 16,4 Prozent des Vorjahreswertes.“
Die meisten Leipziger verzichteten also auf den geplanten Flugtrip in die Türkei oder auf die Balearen, verbrachten den Urlaub lieber im Inland. Was ja bekanntlich nicht viel half, denn um die Verbreitung des Coronavirus einzugrenzen, war die grenzüberschreitende Mobilität immer noch zu hoch – und ist sie es bis heute, sodass selbst die ansteckenderen neuen Varianten ungehindert um die Welt fliegen.
Aber die Einschränkungen haben auch das Leipziger Gastgewerbe heftig getroffen, wie der Bericht konstatiert: „Die vom Statistischen Landesamt übermittelten Kennzahlen zum Tourismus waren im letzten halben Jahr niedrig. Bedingt durch den ,Lockdown‘ gingen die Gästeankünfte in Leipzig im 2. Quartal 2020 gegenüber dem 1. Quartal um 62,0 Prozent auf 114.447 zurück. Dies entspricht 22,1 Prozent des Vorjahreswertes. Im 3. Quartal konnten wieder 396.543 Gäste in Leipzig gezählt werden. Dies waren dennoch weniger als üblich. Der Wert liegt bei 76,3 Prozent des Vorjahreswertes. Im 3. Quartal kamen verglichen mit dem Vorjahr immerhin 82,7 Prozent der Gäste aus Deutschland aber nur 42,2 Prozent aus dem Ausland.“
Und dann kam ja bekanntlich im November der zweite Lockdown, der die Hotels wieder komplett schließen ließ.
Irgendwann werden wir sicherlich lernen, dass der eigentliche Knackpunkt einer Pandemie die Mobilität ist. Und dass man Pandemien nur in den Griff bekommt, wenn man wirklich bereit ist, grenzüberschreitende Verkehre so lange zu unterbinden, bis man die Sache wirklich in den Griff bekommen hat.
Weniger Verkehrsunfälle und das noch fehlende 4. Quartal
Zu den guten Folgen des Lockdowns gehörte dann übrigens auch die gesunkene Zahl von Verkehrsunfällen im 2. Quartal. Gab es im Vorjahresquartal 3.441 Unfälle, sank die Zahl auf 2.507. Im Sommerquartal waren die Zahlen dann freilich wieder auf Vorjahresniveau. Nach dem ersten Lockdown wurde also wieder ähnlich viel herumgefahren wie im Vorjahr.
Und fast mit Wehmut könnte man jetzt auf die Zahl der gezählten Corona-Infektionen von März bis September schauen (in der Rubrik „Meldepflichtige übertragbare Krankheiten“): 328 COVID19-Infizierte im ersten Quartal, 317 im zweiten und 287 im dritten. Das hätte Leipzig mit etwas Anstrengung doch schaffen können. Verglichen mit der Zahl der Grippeinfizierten (3.039) sah das ja geradezu noch beherrschbar aus. Vielleicht deshalb haben auch einige Leipziger die Warnung vor der Zweiten Welle nicht ernst genommen.
Das Ergebnis steht nicht im Quartalsbericht, findet man aber auf der Homepage der Stadt Leipzig. Seit Oktober haben sich über 12.000 Leipziger/-innen mit COVID19 infiziert. Und 246 sind an oder mit COVID19 gestorben.
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