Im am Mittwoch, 20. Januar, vorgestellten Quartalsbericht 2/3 für 2020 bemüht sich Lars Kreymann, auch eine Zahl zu knacken, die man nicht wirklich knacken kann, wenn man die interne Zählstatistik der Polizei nicht kennt. Denn wenige Statistiken sehen seriöser aus als die jährlichen Kriminalitätsstatistiken der Polizei. Doch sie ist es nicht ganz wie erwartet.
Dabei freuen sich auch Statistiker, wenn sie über sinkende Kriminalitätszahlen berichten können. Und 2019 war wieder so ein Jahr, in dem die Zahlen deutschlandweit sanken, wie Kreymann feststellt: „Die Zahl der registrierten Straftaten ist in Deutschland vom Jahr 2018 zum Jahr 2019 um 2,1 Prozent gesunken. Auch die Mehrheit der hier verglichenen deutschen Großstädte konnte einen Rückgang der Straftaten feststellen. Erfurt konnte relativ den stärksten Kriminalitätsrückgang mit 14,0 Prozent vermelden, Bremen die stärkste Zunahme mit 6,1 Prozent. In Leipzig war die Zahl der Straftaten um 0,5 Prozent leicht rückläufig. Insgesamt konnten knapp 46 Prozent aller Fälle in Leipzig aufgeklärt werden.“Welcher Effekt da in Erfurt (oder auch München) so ein Wunder zuwege brachte, kann man bestenfalls mutmaßen. Den Hauptanteil am Rückgang hat der Anteil der Diebstähle, wie Kreymann feststellt: „Die Diebstahlkriminalität insgesamt ist in Deutschland von 2018 zu 2019 um 5,9 Prozent auf 1,8Mio. Fälle gesunken. Der Diebstahl von Kfz sank um 6,9 Prozent auf 28.132 Fälle. Der Diebstahl von Mopeds und Krädern nahm hingegen leicht zu, und zwar um 1,1 Prozent auf 20.425 Fälle. Der Diebstahl von Fahrrädern sank wiederum um 4,8 Prozent auf 277.874. Die Fälle von Taschendiebstahl nahmen um 9,7 Prozent ab und beliefen sich auf 94.106 Delikte im Jahr 2019. Ebenso verhielt es sich mit Wohnungseinbruchdiebstahldelikten, deren Anzahl in Deutschland von 2018 zu 2019 um 10,6 Prozent auf 87.145 Fälle zurückging.“
Es wird also deutlich weniger geklaut.
Auch in Leipzig, das scheinbar nur einen geringen Rückgang der Delikte hatte, wie Kreymann schreibt: „In Leipzig war ein Rückgang aller registrierten Straftaten von 2018 zu 2019 zu verzeichnen – wenn auch ein kleiner. Mit 71.696 lag 2019 die Anzahl der Straftaten um 0,5 Prozent (349) niedriger als ein Jahr zuvor. Durch diese Entwicklung und gepaart mit dem Anstieg der Bevölkerungszahl hat sich die Häufigkeitszahl um 1,5 Prozent auf eine Gesamtzahl von 12.196 verringert. Etwas mehr als die Hälfte aller Straftaten – nämlich 37.633 – stellten Diebstahldelikte dar. Und trotz eines sehr leichten Rückgangs der Straftaten insgesamt um 0,5 Prozent stieg die Anzahl der Diebstahldelikte von 2018 zu 2019 um 1,8 Prozent an. Sowohl Diebstähle ohne (+0,7 Prozent) als auch Diebstähle unter erschwerenden Umständen (+2,4 Prozent) nahmen zu.“
Das heißt: Allein die Zunahme der Diebstähle dämpfte den Rückgang der Delikte in Leipzig.
Aber die Zahlen sind unvollständig, wenn man sie nicht in Vergleich setzt, denn 2019 ebbte die Diebstahlserie in Leipzig ab, nachdem sie die Fallzahlen 2016 auf über 88.000 hatte anschwellen lassen.
Und dafür waren nicht nur die rührigen Diebesbanden verantwortlich, sondern auch das klaffende Personalloch bei der Polizei, über das wir mehrfach berichtet haben. Zum Jahresende (mitten im OBM-Wahlkampf) hatte Leipzig 300 Polizisten zu wenig. Weniger Polizisten aber bedeuten in der Folge immer auch: „Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch.“
Denn das bedeutet, dass Polizeistreifen später am Tatort sind, die Diebe also mehr Zeit haben, ihre Beutezüge zu machen, ohne ertappt zu werden.
Das war dem einstigen sächsischen Innenminister, der die fatale „Polizeireform 2020“ gestartet hatte, einfach nicht beizubringen. Um 10 Prozent ging die Zahl der Leipziger Polizeibeamten zurück. Weniger Polizisten bedeuten aber auch: weniger Personal im Innendienst, das die aufgenommenen Fälle bearbeitet und zur Anzeige bringt. Die Zahl der „offenen Vorgänge“ stieg Jahr für Jahr an.
Das heißt: Auch in den Zahlen für 2019 steckt noch eine Menge Nacharbeit aus den Vorjahren. Von einer Kriminalitätsstatistik, die von einer adäquat ausgestatteten Polizei erzählt, kann schlicht noch keine Rede sein. Anders als in Bayern, wo die Häufigkeitszahl (also die erfassten Straftaten auf 100.000 Einwohner gerechnet – deutlich niedriger liegt als in Leipzig mit seinen über 11.000. In Nürnberg lag sie 2019 bei 7.621, in München bei 6.132. Das kann auch mit dem höheren Wohlstand zu tun haben.
Aber zuallererst erzählt es davon, dass es dort nie diesen Einschnitt bei den Polizeibediensteten gab, der in Sachsen teilweise riesige Spielräume für allerlei Diebe ermöglichte.
Und dann gibt es da noch ein Delikt, das eigentlich keines ist, weil sich die Polizei diese Zahlen erst durch aktive Kontrollen holt: die Rauschgiftdelikte.
Kreymann: „Rauschgiftdelikte nahmen von 2018 zu 2019 erneut zu. Ende 2019 waren in Leipzig 2.765 Fälle erfasst – ein Zuwachs um 1,8 Prozent gegenüber 2018. Die Anzahl der Rauschgiftdelikte in Leipzig stieg im Laufe der letzten Jahre stetig an – seit 2015 um 92,1 Prozent.“
Womit er schon der Statistik auf den Leim ging. Denn in dieser Zeit hat die Polizei ihre Kontrollen im sogenannten „Bahnhofsquartier“ massiv ausgeweitet, um das dort heimisch gewordene „kriminelle Milieu“ wieder zu verdrängen, wie das so schön im Amtsdeutsch heißt. Aber damit beseitigt man weder die Konsumenten, die sich (illegale) Suchtmittel kaufen, noch die Anbieter, die ihre Vertriebsstrukturen immer neu aufbauen, wenn die Polizei mal wieder einen Fahndungserfolg vermeldet hat.
Das heißt: Die Polizei treibt die Deliktzahlen künstlich in die Höhe, wenn sie verstärkt Kontrollen durchführt. Zur Eindämmung der Suchtproblematik dient diese Strategie in keiner Weise. So wenig wie jedes andere repressive Instrument, mit dem sächsische Innenminister glauben, der Kriminalität Herr zu werden.
Was bleibt als Fazit? Die Kriminalitätsstatistik sagt wenig aus über die tatsächliche Kriminalitätsentwicklung in Leipzig – aber jede Menge über funktionierende bzw. nicht funktionierende Polizeiarbeit.
Den Quartalsbericht findet man auf der Website des Amtes für Statistik und Wahlen.
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