Mehrere Karten in der neuen Veröffentlichung des Statistischen Landesamtes „Sachsen in Karten“ zeigen die Stadt Leipzig so ganz nebenbei in ihrer Funktion als Metropole. Die sie nicht ganz ausfüllt, weshalb meist der Begriff Metropole für die kleine große Stadt an der Pleiße vermieden wird. Aber sie erfüllt dennoch wichtige zentrale Aufgaben, die mit den Finanzzuweisungen in Sachsen nicht wirklich abgebildet sind.

Die Finanzzuweisungen findet man in dem Kartenwerk „Sachsen in Karten“ leider nicht. Es verblüfft schon, wie sehr das Politische in der sächsischen Geographie möglichst vermieden wird, obwohl alle fünf Jahre heftig darum gerungen wird, wenn es um die neuen Staatshaushalte geht und den Kommunalen Finanzausgleich.

Um den wurde ja gerade wieder mit harten Bandagen aber butterweichen Argumenten gerungen. Meist sind es die kleinere Gemeinden, die sich besonders benachteiligt fühlen. Ein Gefühl, das nicht so ganz unberechtigt ist, weil die Gelder aus dem Finanzausgleich meist wirklich nicht für das Notwendigste reichen.

Und genauso verärgert sind die größeren Städte, die zwar aufgrund eines Schlüssels mehr Geld pro Kopf bekommen – aber auch dieses Geld reicht nicht wirklich, um die zentralen Versorgungsaufgaben abzusichern. Sachsen ist ein Land, in dem auf jeden Fall auf kommunaler Ebene die Decke immer zu kurz ist.

Aber weil über die reellen Bedarfe nicht geredet wird und nirgendwo handfeste Zahlen dafür existieren, streiten sich die Kleinen mit den Größeren – und die Regierung spielt Schiedsrichter, ohne dass die Regeln tatsächlich geklärt sind.

Zwei Karten zeigen recht deutlich, wie sehr Städte wie Dresden und Leipzig ihre zentrale Rolle als Motor ausfüllen. Hier wird nicht nur ein höherer Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) erwirtschaftet als in den ländlichen Regionen, hier werden auch die höheren Löhne gezahlt, die dann zumeist in die angrenzenden Landkreise abfließen.

Bruttoinlandsprodukt in Sachsen. Karte: Freistaat Sachsen / Statistisches Landesamt
Bruttoinlandsprodukt in Sachsen. Karte: Freistaat Sachsen/Statistisches Landesamt

Zum BIP schreiben die Statistiker: „Das Bruttoinlandsprodukt für Sachsen insgesamt lag 2017 bei knapp 122,3 Milliarden Euro, darunter die Bruttowertschöpfung bei 110,2 Milliarden Euro. Die Bruttowertschöpfung der einzelnen Kreise zeigt die Karte unten. An der Spitze stehen die Kreisfreien Städte Dresden mit 19,4 Milliarden Euro und Leipzig mit 18,7 Milliarden Euro. Unter den Landkreisen erwirtschaftete der Kreis Zwickau mit 9,1 Milliarden Euro die höchste und der Kreis Nordsachsen mit knapp 4,9 Milliarden Euro die niedrigste Bruttowertschöpfung.“

In der Karte haben die Statistiker dann aber nicht das BIP von 2017 eingetragen, sondern das von 2018. Die Produktivität wuchs ja weiter an, erreichte 2018 immerhin 124,4 Milliarden Euro, wovon in Dresden 22,4 Milliarden erarbeitet wurden und in Leipzig 21,5 Milliarden. Das sind die beiden dicken Kugeln auf der BIP-Karte.

Und das hat auch zur Folge, dass die errechneten Arbeitnehmerentgelte in Dresden und Leipzig deutlich höher sind als im Rest des Landes. Sie liegen über 27 Euro pro Arbeitsstunde. Ein Wert, bei dem sich die meisten Leipziger/-innen natürlich zu Recht fragen, wer die eigentlich bekommt. Denn sie gehören eindeutig nicht dazu.

Arbeitnehmerentgelte in Sachsen. Karte: Freistaat Sachsen / Statistisches Landesamt
Arbeitnehmerentgelte in Sachsen. Karte: Freistaat Sachsen/Statistisches Landesamt

Das zeigt dann die verblüffend gegenteilige Karte zu den verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte. Da landet Leipzig auf einmal bei den einkommensärmeren Regionen in Sachsen, bekommen Leipziger Haushalte über 2.500 Euro weniger im Jahr als die Haushalte im benachbarten Landkreis Leipzig.

Ein schon seit Jahren zu beobachtender Effekt, der daraus resultiert, dass insbesondere Spitzenverdiener sich schon in der Vergangenheit ihren Wohnsitz im Landkreis und insbesondere in den leipzignahen Kommunen gesucht haben. Sie pendeln jeden Tag zur Arbeit in die Großstadt, während gerade Niedriglöhner und Normalverdiener in der Regel bislang in der noch mietgünstigen Großstadt leben konnten.

Im Jahr 2017, das hier abgebildet ist, war die beginnende Verdrängung durch steigende Mieten und fehlenden Sozialwohnungsbau in dieser Statistik noch nicht sichtbar.

Die verfügbaren Haushaltseinkommen in Sachsen. Karte: Freistaat Sachsen / Statistisches Landesamt
Die verfügbaren Haushaltseinkommen in Sachsen. Karte: Freistaat Sachsen / Statistisches Landesamt

Aber etwas anderes war sichtbar: Wie stark die Großstädte mittlerweile ihre Haushalte durch eigene Steuereinnahmen entlasten können. Was nicht heißt, dass sie sich irgendwann ganz aus eigener Kraft finanzieren können. Das ist mit dem deutschen Steuerrecht einfach nicht möglich, denn die wichtigsten Steuern – Einkommens- und Umsatzsteuern – kassiert erst einmal der Bund, der sie dann gnädig wieder zurückverteilt an die, die das Geld tatsächlich brauchen.

Was Städte wie Leipzig vor allem selbst „erwirtschaften“ können, sind die Gewerbesteuern und die gewährten Anteile an Einkommens- und Umsatzsteuer. Diese Gelder stecken hinter dem Begriff „Kommunale Steuereinzahlungen“.

„Je Einwohnerin und Einwohner berechnet beliefen sich die Einzahlungen aus Steuern (netto) auf 877 Euro. Auf jede Sächsin und jeden Sachsen kamen damit 36 Euro mehr als im Jahr 2017“, schreiben die Statistiker dazu. Deutlich über diesem Durchschnitt lagen die drei großen Städte Chemnitz mit 978 Euro, Dresden mit 1.123 Euro und Leipzig mit 1.057 Euro. „Die Kommunen konnten mit den Einzahlungen aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben (brutto) abzüglich der Einzahlungen aus Ausgleichsleistungen 30,0 Prozent ihrer Bereinigten Einzahlungen (ohne Finanzierungstätigkeit) im Jahr 2018 decken.“

Die Steuereinnahmen der Kommunen in Sachsen. Karte: Freistaat Sachsen / Statistisches Landesamt
Die Steuereinnahmen der Kommunen in Sachsen. Karte: Freistaat Sachsen/Statistisches Landesamt

Die restlichen 70 Prozent mussten also aus Zuweisungen von Bund und Land kommen.

In welchem Dilemma freilich Sachsens Städte sind, zeigt dann der Schuldenstand. Denn alles, was nicht durch Steuern und Zuweisungen finanziert werden kann, muss durch Kredite (Schulden) bezahlt werden. Und weil in den letzten 20 Jahren so närrisch auf der Schwarzen Null herumgeritten wurde und geradezu ein Verbot von Schuldenaufnahme in die Sächsische Verfassung geschrieben wurde, haben Kommunen wie Leipzig die ganzen teuren Ausgaben in ihre Eigenbetriebe ausgelagert.

Das haben Sachsens Statistiker wohl gemerkt. Die Politik stellt sich da noch ein bisschen dumm, weil sonst der ganze Hokuspokus mit der Sparsamkeit und der Schwarzen Null auffliegen würde und auch Sachsens sparsame Finanzminister zugeben müssten, dass sie die Kommunen knapphalten, während sie die Milliarden in riesigen Fonds sammeln.

Ergebnis, wie die Statistiker feststellen: „Die Betrachtung des Schuldenstandes der jeweiligen Kreisfreien Stadt und kreisangehörigen Gemeinde zusammen mit ihren Eigenbetrieben und Eigengesellschaften vermittelt ein umfassenderes Bild des Schuldenstandes als der alleinige Blick auf den Schuldenstand des kommunalen Kernhaushaltes. Am 31. Dezember 2018 betrug in Sachsen der Schuldenstand der kommunalen Kernhaushalte und deren Eigenbetriebe und Eigengesellschaften 8,1 Milliarden Euro (Vorjahr: 8,3 Milliarden Euro).

Davon entfielen 2,7 Milliarden Euro (Vorjahr: 2,8 Milliarden Euro) auf die kommunalen Kernhaushalte und 5,4 Milliarden Euro (Vorjahr: 5,5 Milliarden Euro) auf deren Eigenbetriebe und Eigengesellschaften, bei denen sie eine hundertprozentige Beteiligung am Nennkapital oder Stimmrecht haben. Jede Sächsin und jeder Sachse trug am 31. Dezember 2018 damit Schulden in Höhe von 1.978 Euro. Das waren 56 Euro je Einwohnerin und Einwohner weniger als am gleichen Stichtag des Vorjahres.“

Die Leipziger Pro-Kopf-Verschuldung allein auf den Kernhaushalt bezogen sank 2019 auf 806 Euro. In der Karte aber sieht man, dass Leipzig mit über 3.000 Euro pro Kopf zu den am stärksten verschuldeten Kommunen in Sachsen gehört. Der Löwenanteil dieser Kreditschulden liegt aber nicht mehr im Leipziger Kernhaushalt, sondern in den Kommunalbetrieben, die die ganzen wirklich teuren Infrastrukturen in Leipzig bauen und unterhalten müssen – von den Wasserleitungen über die Strom- und Wärmeversorgung bis zu Straßenbahnen, Bussen und Kommunalwohnungen. Natürlich sind das alles echte Zukunftsinvestitionen und vor allem auch echte Wertanlagen.

Das „Jahrbuch 2019“ gibt dann etwas genauer an, wie die Schulden in Leipzig 2018 verteilt waren: Im Kernhaushalt hatte Leipzig nur noch 550 Millionen Euro Schulden, auch wenn das etwa im Vergleich zu Dresden viel aussieht, das „nur“ 107 Millionen Euro Schulden hat. Aber wenn man bedenkt, dass Leipzig vor 15 Jahren noch über 900 Millionen Euro Schulden hatte und Dresden zwischenzeitlich (durch den Verkauf seiner Wohnungsgesellschaft) null Schulden, sehen diese Zahlen schon völlig anders aus.

Dafür sind Leipzigs Eigenbetriebe mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro Verbindlichkeiten bei Kreditinstituten belastet, um die ganzen überfälligen Infrastrukturmaßnahmen zu finanzieren. Auch das ist viel, wenn man die 500 Millionen bei Dresdener Eigenbetrieben zum Vergleich nimmt. Aber es hat eben auch damit zu tun, dass Leipzig über Jahre nicht so viel investieren konnte wie die oft auch mit Fördermitteln bevorteilte Landeshauptstadt.

Dass sich das in einer Differenz von 1 Milliarde Euro sichtbar macht, ist zumindest schon verblüffend. Aber an der Stelle darf man auch nicht vergessen, dass in dieser „ausgelagerten“ Schuldenlast auch noch die Schulden der LWB stecken, die noch heute am Abbau der Altschulden zu knabbern hat. Hier geht es allein um rund 550 Millionen Euro. Auch die LWB hat – wie die Stadt Leipzig selbst – in einem rigiden Sparprogramm den einst deutlich höheren Schuldenberg (2010 noch fast 800 Millionen Euro) nach und nach abgetragen.

Aber selbst die verbleibenden fast 1 Milliarde Euro erzählen eben auch von der zentralen Versorgungsaufgabe der Großstadt Leipzig, die sie auch irgendwie auszufüllen versucht, auch wenn die Gelder nie wirklich reichen, um das Notwendige auch umzusetzen.

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