Sie haben die Corona-Pause genutzt. Am Dienstag, 19. Mai, legten die sächsischen Statistiker die mittlerweile 7. Regionalisierte Bevölkerungsprognose für Sachsen vor. Die Prognose bestätigt die inzwischen auch in Leipzig korrigierten Hochrechnungen für das Jahr 2030, nach denen die große Stadt im Westen Sachsens dann zwischen 640.000 und 660.000 Einwohner/-innen haben wird.

Und das, während das Statistische Landesamt für ganz Sachsen einen weiteren Rückgang der Bevölkerung in Aussicht stellt: „Am Jahresende 2018 lebten knapp 4,08 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen in Sachsen. Im Jahr 2035 wird die Einwohnerzahl in Variante 1 voraussichtlich bei 3,95 beziehungsweise in Variante 2 bei 3,81 Millionen Personen liegen. Das bedeutet, 2035 leben voraussichtlich zwischen 13.2500 und 26.3400 bzw. 3,2 bis 6,5 Prozent weniger Menschen im Freistaat Sachsen als Ende 2018. Der Rückgang der Gesamteinwohnerzahl wird von einer fortgesetzten Alterung der Bevölkerung begleitet. Das Durchschnittsalter, ein Indikator für die Alterung einer Bevölkerung, steigt in Sachsen um etwa ein Jahr von derzeit 46,8 Jahre auf 47,4 Jahre bzw. 48,1 Jahre im Jahr 2035.“

Der äußere Trend ist auf regionaler Ebene kaum zu beeinflussen. Denn all die Faktoren von geringen Geburtenzahlen bis hin zur wachsenden Überalterung haben zuallererst mit der Politik im Bund zu tun, die zutiefst besitzstandwahrend und familienfeindlich ist. Etwas, was ja gerade die Coronakrise mit aller Deutlichkeit gezeigt hat: Nicht nur, dass vor allem Frauen nun auf einmal wieder das Homeschooling der Kinder absicherten. Frauen sind auch die Hauptbetroffenen in den sogenannten systemrelevanten Berufen, wo sie unter massivem Personalmangel und deutlich schlechteren Gehaltsbedingungen arbeiten.

Da aber stillschweigend die Last der Familie und der Hausarbeit immer noch bei den Frauen abgeladen wird, entstehen gleich mehrere negative Effekte, die zu einem massiven Rückgang der Geburtenzahlen führen. Dazu gehört auch die Tatsache, dass immer mehr Menschen – ganz und gar nicht freiwillig – auf die Gründung einer Familie verzichten, weil sich Kinder ganz und gar nicht mit der schönen neuen und ach so flexiblen und mit Zeitverträgen ausgestatteten Arbeitswelt vertragen. Die Zahl der Single-Haushalte, in denen keine Kinder leben, wächst.

Und es sieht nicht so aus, dass der Gesetzgeber auch nur verstanden hat, was die Coronakrise an Fehlentwicklungen alles offengelegt hat.

Und dazu kommt natürlich, dass parallel dazu tragende Infrastrukturen in den Regionen über die Jahre zurückgebaut wurden: Schulen, Ärztehäuser, Krankenhäuser, Verwaltungen, ÖPNV-Verbindungen usw. Die Abwanderung vor allem der jungen und gut ausgebildeten Menschen geht weiter. Seit etwa zehn Jahren eben nicht mehr zu den gut bezahlten Jobs in den Westen. Die jungen Sächsinnen und Sachsen wandern in die drei Großstädte des Landes ab, dorthin, wo auch das Arbeitsangebot für Akademiker wächst.

Bevölkerungsprognose in zwei Varianten nach Kreisen. Grafik: Freistaat Sachsen, Statistisches Landesamt
Bevölkerungsprognose in zwei Varianten nach Kreisen. Grafik: Freistaat Sachsen, Statistisches Landesamt

Was für Chemnitz vielleicht die Stabilisierung der Bevölkerungszahl bedeutet, für Dresden und Leipzig aber ein Wachstum. Wobei natürlich kein Mensch weiß, wie sich das viel zu geringe Angebot an neuen bezahlbaren Wohnungen auf dieses Wachstum auswirkt.

Dresden könnte in der Variante 1, in der Sachsen nicht ganz so viele Einwohner verliert wie in Variante 2, bis 2030 von 554.00 auf 582.000 Einwohner anwachsen. Leipzig trauen die Statistiker zu, dass es von den 587.000 Einwohnern des Jahres 2018 auf 663.000 Einwohner wachsen kann. Im Einwohnermelderegister hat Leipzig ja schon im Herbst 2019 die 600.000er-Grenze überschritten. In der vorletzten Leipziger Prognose wurden zwar Einwohnerzahlen von über 720.000 für das Jahr 2030 ausgewiesen. Aber da hatte augenscheinlich doch die starke Zuwanderung von 2015 die Berechnungen verzerrt.

Im Frühjahr 2019 haben auch Leipzigs Statistiker ihre etwas überschwängliche Prognose deutlich nach unten korrigiert: „Im Jahr 2030 wäre gemäß der Hauptvariante – dem als wahrscheinlichsten angesehenen Verlauf – eine Einwohnerzahl von rund 644.000, im Jahr 2040 von 665.000 zu erwarten.“

628.100 bis 637.590 Einwohner halten die sächsischen Statistiker für Leipzig sogar schon bis 2025 für möglich.

Auf den Karten des Statistischen Landesamtes leuchten die beiden Wachstumspole Leipzig und Dresden grün, während besonders der Erzgebirgskreis noch über 15 Prozent seiner Bevölkerung verliert und auch die Lausitz und Mittelsachsen mit weiteren Bevölkerungsverlusten von 10 bis 15 Prozent rechnen müssen.

Auch in den Berechnungen der Landestatistiker profitieren die großstadtnahen Landkreise von ihrer Großstadtnähe, sodass auch Nordsachsen und der Landkreis Leipzig bis 2030 eher nur mit kleineren Bevölkerungsverlusten zu rechnen haben. Es sei denn, der Wohnungsbau in Leipzig passt nicht zur Zuwanderungsbewegung. Dann könnten auch die Gemeinden im Umland weiter profitieren, wenn sie vor allem preiswerten Wohnungsbau anbieten können und zudem auch mit dem ÖPNV gut angebunden sind. Beides sehr heikle Themen, deren Lösung oft schon an der Kreisgrenze scheitert.

Bis 2032 rutscht der Freistaat wohl unter 4 Millionen Einwohner

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