Nicht nur den Stadtrat bewegte im vergangenen Jahr die Frage, ob es Leipzig gelingt, Leitungsstellen in der Stadtverwaltung auch einigermaßen gerecht zu besetzen. Nicht nur was die Parität von Frauen und Männern betrifft, sondern auch die Berücksichtigung ostdeutscher Bewerber. Zuletzt kochte ja im Frühjahr 2019 die Diskussion hoch, dass Ostdeutsche selbst in den ostdeutschen Bundesländern in Führungspositionen das Nachsehen haben. Aber ist das auch in Leipzig so?
Das Leipziger Verwaltungsdezernat hat sich jetzt einmal die Mühe gemacht, eine aktuelle Übersicht zu Stellenbesetzungsentscheidungen bezüglich Amts-/Referats- und Eigenbetriebsleiter/-innen in der Leipziger Verwaltung zu erstellen. Was ja zwei Aspekte hat: Einmal den Ist-Stand, also die Personalsituation, wie sie in den vergangenen 30 Jahren gewachsen ist, und zum anderen die Veränderungen, die entstehen, wenn man bewusst Frauen vor allem in Führungspositionen bringt. Denn hier gab es auch in Leipzig über all die Jahre ein heftiges Manko.
Und das ist auch noch nicht ausgeglichen. Tatsächlich zeigt die Auswertung, dass die Leipziger Besetzung von Führungspositionen in der Vergangenheit sehr konservativ und männerdominiert war. Was den Ist-Stand betrifft, sind nach wie vor 75 Prozent aller Leitungspositionen im Rathaus von Männern besetzt. Auf der Amtsleiterebene sind es 73,7 Prozent, auf der Abteilungsleiterebene immer noch 67,1 Prozent.
„Danach konnte die Stadt Leipzig in der 6. Wahlperiode (2014 bis 2019) eine unter Beachtung der Vergleichsgruppe vergleichbare Besetzung mit Frauen und Männern erreichen“, zieht das Verwaltungsdezernat Bilanz für die zurückliegenden fünf Jahre, in denen man bewusst versucht hat, dieses Ungleichgewicht ein bisschen zu korrigieren.
„Allerdings entspricht diese Anzahl nicht dem Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung. Zur Erhöhung des Anteils gilt es, die entsprechenden Aktivitäten der Stadt Leipzig fortzusetzen, welche etwa im städtischen Gleichstellungsaktionsplan formuliert sind.“
Zu den Aktivitäten gehört eben auch, dass man bevorzugt Frauen einstellt, wenn die benötigten Qualifikationen vorhanden sind. Was eben in der letzten Legislatur des Stadtrates (2014 bis 2019) dazu führte, dass 73,7 Prozent der frei gewordenen Amtsleiterstellen mit Frauen besetzt wurden. Und auch auf Führungspositionen in den Eigenbetrieben der Stadt wurden zu 69,2 Prozent Frauen berufen.
Das reicht natürlich noch lange nicht, um in naher Zukunft die Parität von 50:50 herzustellen, aber es verändert das Verhältnis spürbar. Und es sorgt logischerweise auch dafür, dass die Präsenz von Frauen in Führungspositionen zunehmend als Normalzustand empfunden wird.
Was die Sache auf den ersten Blick scheinbar etwas komplizierter macht ist natürlich der Versuch, gleichzeitig auch qualifizierte Führungskräfte mit Geburtsort in Ostdeutschland in diese Positionen zu bekommen.
Das Verwaltungsdezernat zitiert dazu extra den entscheidenden Artikel im „Handelsblatt“, der das Thema Ende 2019 noch einmal aufgekocht hat: „Das Handelsblatt konstatierte in einem Ende 2019 erschienenen Artikel, dass Ostdeutsche zwar etwa 15 % der Bevölkerung stellten, aber nur wenige Top-Posten besetzten. Grundlage waren – ergänzend zu den bereits genannten Sachverhalten – Auswertungen der Vorstandsbesetzung der 30 Dax-Unternehmen (1,6 % Ostdeutsche), der Richterschaft der obersten Bundesgerichte (1,0 % Ostdeutsche) sowie der Mitglieder der Bundesregierung (12,5 % Ostdeutsche).“
Auf bundesweiter Ebene trifft das also zu. Das Verwaltungsdezernat belegt auch mit offiziellen Zahlen, dass Ostdeutsche (Berliner eingeschlossen) eigentlich 20 Prozent dieser Stellen besetzen müssten, um entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten zu sein.
Natürlich ist das in einer ostdeutschen Metropole wie Leipzig anders, in der sich natürlich auch qualifizierte Führungskräfte aus Westdeutschland gern bewerben, weil sie diese Stadt als attraktiv empfinden und gern hier arbeiten möchten. Das ist ja kein Malus. Im Gegenteil. Leipzig ist auch deshalb erfolgreich, weil die Stadt bundesweit als Wachstumsmotor im Osten wahrgenommen wird.
Und trotzdem bedeutet das nicht, dass ostdeutsche Bewerber um freie Stellen schlechtere Karten haben, betont der Verwaltungsbürgermeister. Auch wenn manche Diskussion – auch im Stadtrat – manchmal so wirkte. Auch weil die Besetzung von Amtsleiterstellen in der von den Ratsfraktionen mit besetzten Auswahlkommission immer wieder zum Politikum wurde. Da war sich auch der eine oder andere Akteur nicht zu schade, aussichtsreiche Bewerber/-innen via Presse zu beschädigen, um ihre Berufung zu verhindern.
Aber von einer Benachteiligung ostdeutscher Bewerber/-innen kann eher keine Rede sein. 78,9 Prozent der letztlich gewählten Amtsleiter/-innen hatten in den vergangenen fünf Jahren eine ostdeutsche Biografie, bei den Leitungspositionen in den Eigenbetrieben entspricht die ostdeutsche Quote der Frauenquote: 69,2 Prozent. Die Berufungspraxis zeigt also, dass vor allem qualifizierte Frauen aus Ostdeutschland einen Bonus haben.
Dass freilich Versuche, die Bevorzugung von Frauen und Ostdeutschen schon im Bewerberverfahren festzulegen, gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz verstoßen, betont das Verwaltungsdezernat ebenfalls.
„Danach kann die Stadt Leipzig im Rahmen von Personalbesetzungen keine Charakteristika wie Geburtsort, Alter oder Geschlecht als Grundlage für eine Entscheidung heranziehen. Entscheidungen müssen auf Basis einer Einschätzung von Eignung, Befähigung und Leistung getroffen werden“, betont es in der Informationsvorlage für den Stadtrat.
Erst wenn wirklich die fachlichen Voraussetzungen alle erfüllt sind, kann eine Kommune auch versuchen, das Geschlechterverhältnis in Ausgleich zu bringen. Und die Besetzungszahlen zeigen eigentlich, dass tatsächlich genug qualifizierte Bewerber/-innen auch aus den ostdeutschen Bundesländern zur Verfügung stehen, um die Leitungspositionen im Rathaus und in den Eigenbetrieben nachzubesetzen.
Bessere Radwege und bezahlbarer ÖPNV: OBM-Kandidatinnen plädieren für die Verkehrswende
Bessere Radwege und bezahlbarer ÖPNV: OBM-Kandidatinnen plädieren für die Verkehrswende
Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 24. Januar 2020): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen. Doch eben das ist unser Ziel.
Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen (zur Abonnentenseite).
Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Aufrechterhaltung und den Ausbau unserer Arbeit zu unterstützen.
Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 350 Abonnenten.
Keine Kommentare bisher