Seit 2010 steigen die Einkommen der Sachsen spürbar an, merken immer mehr Beschäftigte, was es heißt, wenn ein Land prosperiert, die Auftragsbücher der Unternehmen voll sind und der Staat wieder Geld ausgibt, auch für neue Arbeitsplätze. Die Arbeitsagentur Sachsen hat den neuen Entgeltatlas ausgewertet und stellt fest: „In Sachsen lag vergangenes Jahr das mittlere Einkommen von Vollzeitbeschäftigten bei 2.587 Euro/Monat. Das waren 108 Euro mehr als im Jahr 2017.“

Vom Begriff „mittleres Einkommen“ darf man sich nicht irritieren lasen. Tatsächlich wertet der Entgeltatlas die Median-Einkommen aus, ermittelt also jene Einkommen, bei denen die eine Hälfte der Beschäftigten mehr verdient und die andere Hälfte weniger.

Bundesweit lag der Medianlohn bei 3.304 Euro. In den sächsischen Städten und Landkreisen sind die mittleren Löhne zum Vorjahr gestiegen – am kräftigsten in den Städten Leipzig und Chemnitz sowie in Nordsachsen und im Vogtlandkreis. In Leipzig sogar mit 128 Euro am stärksten auf nunmehr 2.936 Euro.

Und das hat aus Sicht der Arbeitsagentur natürlich Folgen: Unternehmen können nicht mehr damit rechnen, dass sie Fachkräfte auch zum Niedrigpreis bekommen. Die qualifizierten Beschäftigten können sich aussuchen, wo sie ein Angebot annehmen.

Und da ist die Rolle der Großstädte auch in diesem Fall nicht zu unterschätzen, denn sie bieten mittlerweile deutlich höhere Lohnniveaus als die ländlichen Regionen. Auch deshalb ziehen junge Menschen in die Großstädte oder deren Speckgürtel.

„Gute Arbeit, attraktive Rahmenbedingungen und faire Löhne sind bei der Fachkräftesicherung wichtige Erfolgskriterien. Wer Fachkräfte will, muss Fachkräfte entsprechend ihrer Qualifikation bezahlen“, sagt denn auch Klaus-Peter Hansen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit (BA). „Erfreulich ist, dass das viele sächsische Betriebe erkannt haben und auch deshalb das Lohnniveau gestiegen ist. Zurückzuführen ist der Anstieg des Medianlohns auf die gute konjunkturelle Entwicklung, verbunden mit dem Wirtschaftswachstum und auf den immer größer werdenden Wettbewerb der Betriebe, wenn es um gute Fachkräfte geht.“

Von 2017 auf 2018 ist der Medianlohn der rund eine Million vollzeitbeschäftigten Frauen und Männer in Sachsen um 108 Euro auf 2.587 Euro gestiegen. Im Vergleich ist er von 2016 auf 2017 um 91 Euro auf 2.479 Euro gestiegen. Das klingt viel und wäre – wenn man nur Sachsen betrachten würde – auch erheblich.

Die Medianlöhne 2018 in den Bundesländern (links) und in den sächsischen Kreisen (rechts). Grafik: Arbeitsagentur Sachsen
Die Medianlöhne 2018 in den Bundesländern (links) und in den sächsischen Kreisen (rechts). Grafik: Arbeitsagentur Sachsen

Aber mit einem Medianlohn von 2.587 Euro liegt der Freistaat Sachsen im Ländervergleich auf dem drittletzten Platz. Geringer war der mittlere Lohn nur in Thüringen (2.553 Euro) und Mecklenburg-Vorpommern (2.496 Euro). Die höchsten Medianlöhne waren im vergangenen Jahr in den wirtschaftsstarken Regionen Hamburg (3.718 Euro), Baden-Württemberg (3.651 Euro) und Hessen (3.593 Euro) zu verzeichnen.

Gründe für die Lohnunterschiede zwischen den Bundesländern sind aus Sicht der sächsischen Arbeitsagentur die regionalen Wirtschaftsbranchen und Betriebsgrößen. Beispielsweise sind große Betriebe oft tarifgebunden – zahlen deshalb meist auch höhere Löhne. Auch Konzernsitze und gut bezahlte Forschungs- und Entwicklungsbereiche sind in Sachsen im Vergleich zu westlichen Regionen weniger präsent.

„Sachsen ist von einer leistungsfähigen, aber kleinteiligen Wirtschaft geprägt. Allein 77 Prozent der rund 112.000 sächsischen Betriebe in unserer Region haben weniger als zehn Mitarbeiter“, erklärte Hansen.

Auch innerhalb Sachsens gibt es erhebliche Lohnunterschiede. So liegt der Medianlohn von Dresden um 817 Euro über dem im Landkreis Görlitz. Auch im Kreisvergleich sind die Unterschiede auf die Branchenstrukturen sowie die Anzahl und Größe der Betriebe zurückzuführen. Die höchsten Medianlöhne gab es im vergangenen Jahr in den drei Kreisfreien Städten Dresden (3.089 Euro), Leipzig (2.936 Euro), Chemnitz (2.758 Euro). Die geringsten Medianlöhne sind in Mittelsachsen (2.351 Euro), im Erzgebirgskreis (2.301 Euro) und Görlitz (2.272 Euro) zu verzeichnen.

Ein weiterer Punkt, der über das Lohnniveau entscheidet, ist das Qualifikationsniveau der Beschäftigten. Da geht es schon in die Details des Entgeld-Atlasses.

Wie das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung festgestellt hat, verdienen Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung im Laufe ihres Erwerbslebens deutlich mehr als Ungelernte. Gleichzeitig sind Fachkräfte seltener und kürzer arbeitslos – denn Bildung schützt vor Arbeitslosigkeit. Das mittlere Einkommen der Beschäftigten in Sachsen ohne Berufsabschluss lag vergangenes Jahr bei 1.930 Euro. Bei den Fachkräften mit einem anerkannten Berufsabschluss (2.411 Euro) und Beschäftigte mit einem akademischen Abschluss (4.204 Euro) sind höhere Medianlöhne zu verzeichnen.

Gehaltsunterschiede von Männern und Frauen in Bundesländern und in den sächsischen Kreisen. Grafik: Arbeitsagentur Sachsen
Gehaltsunterschiede von Männern und Frauen in Bundesländern und in den sächsischen Kreisen. Grafik: Arbeitsagentur Sachsen

„Wir wollen die arbeitslosen und beschäftigten Menschen mit guten beruflichen Abschlüssen ausstatten. Damit helfen wir Fachkräfte zu entwickeln und schaffen gleichzeitig für die Frauen und Männer neue Chancen auf eine dauerhafte und qualifizierte Arbeit, die oft mit besseren Löhnen verbunden ist. Das ist einer unserer Beiträge zur Fachkräftesicherung. Um die berufliche Qualifizierung zu bezahlen, stehen uns in diesem Jahr über 120 Millionen Euro zur Verfügung“, betont Hansen.

Und die Statistik zeigt noch etwas: die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen, die sich keineswegs verringern. Im Gegenteil. Mit 57 Euro Unterschied liegen die Gehälter von Männern und Frauen in Sachsen zwar relativ nahe beieinander. Gerade wenn man es mit den enormen Gehaltsunterschieden in Baden-Württemberg (785 Euro) oder Bremen (654 Euro) vergleicht. Aber während Männer in Sachsen 2018 einen Lohnzuwachs von 111 Euro hatten, waren es bei den vollzeitbeschäftigten Frauen nur 100 Euro.

Und das liegt eben nicht an Qualifikationsunterschieden, sondern an der auch in Sachsen spürbaren Abwertung „typischer“ Frauenberufe. Eine Abwertung, die auch in Leipzig sichtbar wird, wo das Mediangehalt der Männer 166 Euro über dem der Frauen liegt.

Wichtige Einschränkung für alle diese Zahlen: Der Entgeltatlas zeigt nur das mittlere Bruttomonatsgehalt in Euro (Median) von sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten im Jahr 2018 an. Also mit rund 1 Million nur der Hälfte aller Erwerbstätigen in Sachsen. Allein die Zahl aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten insgesamt liegt bei 1,5 Millionen (von denen eben rund eine halbe Million in Teilzeit beschäftigt sind). Dazu kommen dann noch einmal eine halbe Million Beschäftigungsverhältnisse aus dem nicht sv-pflichtigen Bereich. Da aber die beiden nicht mit erfassten Gruppen in der Regel deutlich niedrigere Entgelte haben, liegt auch das gesamte Einkommensniveau in Sachsen noch deutlich niedriger.

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