Auch den letzten Quartalsbericht für das Jahr 2018 gab es am 15. April noch als kleines Mitbringsel für die Presse, bevor sich Leipzigs Statistiker endgültig ins Wahlgetümmel stürzen. Ein bisschen schlanker ist das Heft als in den Vorjahren. Aber es sitzen ja eine Menge Leute da und warten: Laut Statistischem Quartalsbericht IV/2018 hatte Leipzig Ende des Jahres insgesamt 596.517 Einwohner. Wann also gibt es die verflixten 600.000?
Wenn Leipzig so weiterwächst wie 2018, dann passiert das irgendwann im Herbst. Verließ Leipzig das Jahr 2017 mit 590.337 Einwohnern, so waren es am 31. Dezember 2018 laut Melderegister 596.517 mit Hauptwohnsitz. Wenn man die Leute mit Nebenwohnsitz dazuzählt, waren es schon über 600.000.
Der Zuwachs von 6.180 Bürgern gegenüber dem Vorjahreszeitraum resultiert dabei überwiegend aus dem Zuzug von Einwohnern mit Migrationshintergrund, meint das zuständige Amt für Statistik und Wahlen. Aber ganz so ist es nicht. An anderer Stelle betont der Statistikbericht, dass der Zuwachs zu fast gleichen Teilen auf beide Gruppen entfiel: 3.500 Personen resultieren als Zuzugsüberschuss aus der Gruppe der Ausländer. 3.474 resultieren aus dem Zuzug aus dem Inland.
Und weil jetzt gleich wieder ein paar Krachmacher mit blauer Fahne auftauchen, gibt es hier gleich noch die Konkretisierung zu den Ausländern: Die größte Gruppe stammte mit 1.089 Personen aus Rumänien, 569 aus Polen, 405 aus Italien und 296 kamen aus Frankreich. Aus den bürgerkriegsgebeutelten Ländern Syrien, Afghanistan, Irak, Eritrea und Somalia meldeten sich insgesamt nur 296 Personen an. Die größte Zuwanderung bekommt Leipzig also aus EU-Ländern.
Wo Leipzig nun tatsächlich mit diesem Zuwachs steht unter den größten Städten der Republik, weiß niemand. Die meisten statistischen Ämter hängen mit der Zählung gnadenlos hinterher. Deswegen gibt es im „Vergleich der 15 größten deutschen Städte“ im Quartalsbericht nur die Zahlen für 2017. Da lag Leipzig mit amtlichen 581.980 Einwohnern (aus der Statistik des Statistischen Landesamtes) auf Rang 10, knapp hinter Dortmund und Essen.
Diesen Großstadtvergleich stellen Leipzigs Statistiker seit Jahren regelmäßig an, um zu verorten, wo Leipzig nun tatsächlich angelangt ist im Wettbewerb der Großstädte. Denn die Bevölkerungszahl sagt ja nicht viel aus. Viel wichtiger ist ja noch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Stadt. Aber da Leipzig viele der großen Konzernzentralen fehlen, die selbst Ruhrgebietsstädte noch haben, landet Leipzig beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Einwohner nur auf Platz 15.
Für Hannover gibt es zwar keine Daten, dort „verschwiemelt“ man die Statistik seit einigen Jahren, indem Daten nicht mehr für die Stadt Hannover erhoben werden, sondern für die ganze Region. Also ist Hannover eher ein weißer Fleck, wird aber beim BIP pro Erwerbstätigen eher bei den 80.000 bis 90.000 Euro liegen, die für westdeutsche Großstädte von Hamburg bis Köln eher der Normalzustand sind. In München sind es über 100.000 Euro, in Leipzig waren es 2016 nur 60.000.
Was eben an den fehlenden Konzernzentralen liegt und dem Fehlen hochwertiger Industriearbeitsplätze. Leipzig ist eine Dienstleistungsstadt mit einem jahrelang stark ausgeprägten Niedriglohnsektor. Worunter auch Dresden litt. Dort lag man mit 63.000 Euro pro Erwerbstätigen nur wenig vor Leipzig.
Und das spiegelt sich auch in den Einkommen. Verfügte ein durchschnittlicher deutscher Haushalt 2016 über 21.919 Euro, waren es in München über 29.000 und in Leipzig gerade einmal 17.770.
Mit dem verblüffenden Effekt: Das war mehr als in Duisburg mit 16.881 Euro, obwohl das Duisburger BIP pro Erwerbstätigen deutlich über dem Leipziger lag. Aber auch das deutet darauf hin, dass Leipzig von Dienstleistungsunternehmen dominiert wird, die vielen Menschen einen nach und nach besser dotierten Arbeitsplatz bieten, während die alte Stahlstadt Duisburg durchaus noch leistungsfähige Industriearbeitsplätze, aber in der Dienstleistung wohl noch Nachholbedarf hat.
Wirtschaftlich reiht sich (zumindest auf das Jahr 2016 bezogen) Leipzig nach wie vor am Ende der 15 größten deutschen Städte ein, kurz hinter Dresden. Gleichzeitig aber bietet es – gemeinsam mit Berlin und Dresden – im Osten Deutschlands den Ausgangspunkt für einen wirtschaftlichen Hotspot, der für zuziehende junge Menschen attraktiv ist.
Was ja jüngst erst auch die Deutschlandumfrage zeigte, in der Leipzig sogar deutschlandweit als Ort mit einem attraktiven Arbeitsplatzangebot wahrgenommen wird. Ergebnis: Allein von 2007 bis 2017 entstanden in Leipzig 62.473 neue Arbeitsplätze. Und der Schnitt von 6.000 neuen Arbeitsplätzen scheint sich sogar stabil so weiterzuentwickeln, womit die Stadt als Arbeits- und Wohnort weiter stabil bleibt und Zuwanderung generiert.
Der „Supersommer“ 2018 hat gezeigt, wie verletzlich eine Stadt auf dem Trockenen ist
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