Am Ende kommen wir noch ganz durcheinander. Die einen melden 1.136 fertiggestellte Wohnungen für Leipzig im Jahr 2017, die anderen hatten 1.654 gemeldet. Jetzt hat die Stadt Leipzig selbst ihre offizielle Zahl beim Wohnungsbau veröffentlicht. An der Dimension ändert das freilich nichts. Leipzig leidet – wie alle deutschen Großstädte – an ungenügender Förderung für den Wohnungsbau.
Was natürlich dazu geführt hat, dass sich OBM Burkhard Jung das in den vergangenen Jahren gewohnte Wachstum von über 10.000 Einwohnern im Jahr abschminken kann. Denn Menschen, die in eine große Stadt ziehen, brauchen nun einmal ein Dach über dem Kopf. Die einst richtig opulente Wohnungsmarktreserve von über 60.000 leerstehenden Wohnungen ist in den letzten Jahren dahingeschmolzen wie Schnee an der Sonne. Wahrscheinlich ist auch das Wörtchen „angespannt“ für Leipzigs Wohnungsmarkt längst übertrieben.
Wenn über 10.000 Menschen eine Wohnung brauchen, bedeutet das nun einmal, dass rund 3.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden müssten, hatte Oberbürgermeister Burkhard Jung selbst vorgerechnet, als er die Folgen der neuen Bevölkerungsprognose von 720.000 Einwohnern im Jahr 2030 thematisierte. Und weil Gutverdiener genauso nach neuen Wohnungen suchen würden wie Klein- und Mittelverdiener, müsste die Hälfte dieser Wohnungen im geförderten Wohnungssegment entstehen: 1.500 Wohnungen.
Aber der Blick auf die Statistik zeigt: Es wurde in den letzten Jahren immer nur die eine Hälfte gebaut – die für die Gutverdiener.
Anfangs gab es überhaupt kein Geld für sozialen Wohnungsbau, weil der damalige sächsische Innenminister das Geld lieber jenen Leuten zukommen ließ, die Wohneigentum erwerben wollten. Und seit vergangenem Jahr gibt es zwar Fördergeld. Aber viel zu wenig. Es reicht nur für ein Drittel der benötigten Sozialwohnungen, die ab 2019 auf den Markt kommen werden.
Und so steht Leipzig seit 2014 mit einem viel zu geringen Wohnungsbau da. Damals wuchs der Leipziger Wohnungsbestand gerade einmal um 956 Wohnungen, 2015 waren es dann mal 1.754 und 2016 dann 1.556. Und viel mehr sind es auch 2017 nicht geworden: 1.633.
Und das, obwohl dafür sogar etliche alte Industriebauten umgebaut wurden. Oft in sehr komfortable Wohnungen. Was aber auch wieder ein Problem ist, worauf jetzt der Verein Deutscher Ingenieure e.V. (VDI) hinweist. Denn diese alten Gewerbebauten in der Stadt sind eigentlich wertvoll. Gerade weil die modernen Wirtschaftszweige eine urbane Niederlassung im Stadtgebiet bevorzugen.
„Aufgrund immer stärker werdender Verflechtungen von Produktion, Logistik, Wissen, Forschung, Entwicklung, Kultur und Dienstleistungen sind urbane Produktion und Logistik heute und in Zukunft nicht mehr wegzudenkende Bausteine einer innovativen Stadtökonomie, in der die wechselseitige Vernetzung unterschiedlicher Branchen immer wesentlicher wird. Konkret bedeutet dies, die Ambition zu neuartigen Formen von Durchmischung in Städten: Anstelle monofunktionaler Betriebs- und Wohngebiete müssen neue Mischformen von Leben und Arbeiten eine nachhaltige Stadtentwicklung sicherstellen“, betont der VDI in seiner Stellungnahme zum Thema.
„Viele ‚reine‘ Produktionsflächen wurden allerdings in den vergangenen Jahren aufgrund des enormen Zustroms in Ballungsräume und des damit einhergehenden Nachfragedrucks auf den Wohnungsmarkt für Wohnzwecke umgewidmet. Nicht zuletzt im Interesse eines sozial stabilen Gesamtwachstums, und damit auch im Interesse des Wohnens selbst, stehen urbane Produktion und Logistik für den Stopp dieser Entwicklung.“
Was ja im Effekt heißt: Stadtplanung muss noch vielseitiger werden und bei allem Bedarf an neuem (und bezahlbarem) Wohnraum, an Platz für Schulen, Kitas, Parks und Radwegen, darf der Siedlungsraum für Gewerbebetriebe nicht verloren gehen. Auch und gerade nicht im gut erschlossenen Stadtinneren. Denn da geht es dann auch um kurze Wege, sparsame Logistik, Umweltschutz.
Das Problem ist nur: Anders als noch vor 100 Jahren liegen solche Prozesse nur noch zu Teilen in der Handlungsmacht der Städte. Die Steuern sind anders organisiert und auch Städte wie Leipzig sind auf den guten Willen einer Staatsregierung angewiesen, die bislang aber nicht einmal ansatzweise eine Strategie zur Stärkung der urbanen Kerne in Sachsen hat.
Und die damit Entwicklungschancen verspielt. Beim fehlenden Wohnraum spürt es Leipzig jetzt schon. Das nächste werden fehlende Fachkräfte sein. Und dann hat Leipzig ein Problem. Dann geht auch das Wachstumsgeschehen in der Wirtschaft zurück, weil die Unternehmen keinen Nachwuchs mehr finden.
Da ist einiges falsch gelaufen. Die Wohnungspolitik aber steht als Problem jetzt mitten im Fokus.
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