Nein, die „Flüchtlingskrise“ ist nicht das wichtigste Problem der Zeit. Es ist nur ein Ablenkungsmanöver, das die wirklich wichtigen Probleme aus dem Blickfeld rückt. Und eines, das immer mehr Deutschen wirklich schlaflose Nächte bereitet, ist mittlerweile die Rentenpolitik. All die Kürzungsrunden der vergangenen Jahre machen immer mehr Menschen im Alter zu Almosenempfängern – trotz lebenslanger Arbeit. Die AXA hat fragen lassen.

Der AXA Konzern als Versicherungs- und Finanzdienstleister führt solche Befragungen natürlich auch aus Eigeninteresse durch. Denn wenn die staatlichen Renten sich in unterirdische Almosen verwandeln, scheint natürlich die private Rentenvorsorge der Ausweg zu sein. Nur dummerweise haben all jene Erwerbstätigen, die sowieso schon mit miserablen Löhnen über die Runden kommen müssen und deshalb auch kaum nennenswerte Rentenpunkte sammeln, auch kein Geld, um irgendeine Art Vorsorge zu treffen.

Sie sind im Grunde gleich mehrfach bestraft für die über Jahrzehnte praktizierte Niedriglohnpolitik in Deutschland. Und besonders hart trifft es gerade die Aufbaugeneration Ost.

Und das hat Folgen, wie die AXA feststellt: „Berufstätige empfinden inzwischen mit großer Mehrheit Sorgen und Furcht beim Gedanken an ihren Ruhestand. Wer schon Rentner ist, berichtet überwiegend nur von Verlust an Lebensqualität. Das Vertrauen in die Politik erreicht dazu in allen Bundesländern Tiefstwerte.“

Die wichtigste staatliche Aufgabe: Allen Erwerbstätigen eine auskömmliche Rente garantieren

Menschen im Ruhestand müssen mehr Geld bekommen – das wird einhellig als wichtigstes Ziel staatlicher Politik jetzt von allen Altersgruppen, unter Erwerbstätigen wie Ruheständlern, in nahezu allen Einkommensschichten und in fast jedem Bundesland gefordert. Bundesweit bestehen darauf sieben von zehn Befragten (70 Prozent).

Damit steht in den Augen der Bevölkerung das Ziel höherer Ruhestandseinkünfte deutlich vor allen anderen staatlichen Aufgaben wie etwa einer verbesserten Gesundheitsversorgung (52 Prozent), besseren Schulen und Ausbildungsmöglichkeiten (51 Prozent) sowie mehr Wohnraum (40 Prozent). Zu diesem Ergebnis kommt der vierte AXA Deutschland Report – eine jährliche Befragung unter Berufstätigen und Ruheständlern im Auftrag von AXA.

Besonders stark ist das Plädoyer für höhere Ruhestandseinkommen unter den 55- bis 64-Jährigen mit mehr als 80 Prozent Zustimmung. Diese Jahrgänge stellen die ersten der sogenannten Babyboomer-Generation dar, die vor dem Eintritt ins Rentenalter stehen. Und ist hier der „Renten-Frust“ besonders groß.

So erwarten fast sechs von zehn Personen dieser Altersgruppe (56 Prozent) im Ruhestand eine verschlechterte Lebensqualität, fast niemand eine Verbesserung (2 Prozent). Beinahe zwei Drittel unter ihnen (63 Prozent) macht das Thema Altersvorsorge heute mehr Angst als früher. Und mehr als drei Viertel (78 Prozent) stimmen der Aussage zu, „das Vertrauen in die Politik beim Thema Altersvorsorge verloren zu haben.“

„Das Ergebnis des diesjährigen AXA Deutschland-Reports kommt einem regelrechten Aufschrei der Bevölkerung zur Verbesserung der Situation im Ruhestand in Deutschland gleich, der quer durch alle Generationen geht“, resümiert Dr. Patrick Dahmen, Mitglied des Vorstands im AXA Konzern. „Vor allem die Babyboomer-Jahrgänge als nächste Rentnergeneration empfinden die Kluft zwischen den finanziellen Möglichkeiten im Berufsleben und im Ruhestand offenbar als besonders groß.“

Freude auf den Ruhestand wird zur Ausnahme

Die Situation im Ruhestand gegenüber dem Erwerbsleben wird quer durch alle Alters- und Einkommensschichten inzwischen äußerst negativ beurteilt. Bei nur einem Drittel der Berufstätigen (33 Prozent) überwiegt heute noch Freude beim Gedanken an den Ruhestand. Bei der Hälfte (51 Prozent) dominieren dagegen Sorgen. Rund zwei von drei Erwerbstätigen (64 Prozent) macht das Thema Altersvorsorge heute sogar mehr Angst als früher. Denn als größte Sorge im Hinblick auf das Alter sehen schon rund vier von zehn unter ihnen die Gefahr zu verarmen (39 Prozent).

Vor zwei Jahren waren das erst drei von zehn (32 Prozent). Nur die Sorge vor Erkrankungen ist damit im Hinblick auf den Ruhestand in Deutschland noch größer (60 Prozent). Drastisch ist zudem, wie der gesellschaftliche Status von Ruheständlern empfunden wird. So sagen 54 Prozent der Berufstätigen, dass Menschen im Ruhestand ein geringeres gesellschaftliches Ansehen als Erwerbstätige haben. Ruheständler sehen das sogar zu drei Vierteln (72 Prozent) so.

Nur noch jeder zehnte Rentner blüht im Ruhestand auf

Im Vergleich zu den Vorjahren hat 2018 auch die Unzufriedenheit der Rentner und Pensionäre mit ihrer Lage zugenommen. Exakt nur noch jeder zehnte unter ihnen (10 Prozent) berichtet von einer verbesserten Lebensqualität als zuvor im Berufsleben. Vor zwei Jahren gaben das noch mehr als doppelt so viele an: Bei der gleichlautenden Befragung im Rahmen des AXA Deutschland-Report 2016 war es beinahe jeder vierte Rentner (24 Prozent). Ein Grund für diesen Stimmungsumschwung ist, dass vor allem die Neu-Rentner sehr negativ ihre veränderte Situation beurteilen.

Dr. Patrick Dahmen: „Es hat seit 2016 zwei vergleichsweise deutliche Erhöhungen der gesetzlichen Renten gegeben – und dennoch wächst die Unzufriedenheit der Ruheständler weiter. Das zeigt, dass die Ursachen tiefer liegen müssen. Sie entzündet sich offenkundig vor allem an der finanziellen ‚Fallhöhe‘ zwischen dem Berufs- und Rentner-Leben in Deutschland.“

Politik im Zugzwang: Mindestrentenniveau

Durch Einführung einer Mindestgarantie des gesetzlichen Rentenniveaus soll in Deutschland ein weiteres Absinken in den kommenden Jahren verhindert werden. In den Augen der Berufstätigen und Ruheständler hat diese politische Maßnahme aber eine vergleichsweise auffällig geringe Priorität. So finden zwar 69 Prozent von ihnen eine solche Garantie des Rentenniveaus „gut“ oder „sehr gut“. Hingegen geben deutlich mehr, nämlich 79 Prozent der Befragten an, eine „höhere Rentenanrechnung von Erziehungszeiten“ zu wünschen. Diese Maßnahme erhält die insgesamt höchste Zustimmung unter allen Befragten als „gut“ oder „sehr gut“.

Auf Rang zwei der Prioritätenskala folgt der „Einbezug von Selbstständigen und Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung“ (77 Prozent) und auf Rang drei, dass „aus den Steuereinnahmen des Staates höhere Zuschüsse genommen werden zur Finanzierung der gesetzlichen Rentenkasse“ sowie gleichauf hiermit „der automatische Beitritt aller Berufsanfänger in eine betriebliche Altersversorgung“ (jeweils 76 Prozent). Auffällig ist zudem: Eine Mindestrente für langjährig Versicherte erhält nur 33 Prozent Zustimmung als „gut“ oder „sehr gut“. Von deutlich mehr, nämlich 43 Prozent, wird sie hingegen als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ angesehen.

Regionale Besonderheiten, vor allem in Ostdeutschland

Bei bundesweit vier von zehn Berufstätigen (42 Prozent) hat sich die Haltung zum Ruhestand in den letzten Jahren so verändert, dass „anders als früher jetzt eher die Sorgen als die Freude überwiegen“. Doch die regionalen Unterschiede sind groß. In den ostdeutschen Bundesländern ist dieser Schwenk zu einer pessimistischeren Haltung deutlich stärker als in Westdeutschland erkennbar. In Mecklenburg-Vorpommern geben das 51 Prozent der Erwerbstätigen an, in Thüringen 50 Prozent und in Sachsen-Anhalt 49 Prozent. In den westdeutschen Ballungszentren Hamburg und Nordrhein-Westfalen sind es dagegen mit je 38 Prozent bundesweit die wenigsten.

Dies spiegelt sich auch in den Erwartungen zur Lebensqualität im Ruhestand wider. So geben Berufstätige nirgends in Deutschland so häufig wie in Mecklenburg-Vorpommern an, dass sie eine verschlechterte Lebensqualität als Rentner erwarten (64 Prozent). Nur noch in Sachsen-Anhalt sind es ähnlich viele (61 Prozent). Am seltensten besteht diese Vorstellung hingegen bei Berufstätigen in Hessen (41 Prozent), Niedersachsen und Rheinland-Pfalz (jeweils 45 Prozent).

Die Ergebnisse für Sachsen

Dass das ganze Thema immer mit miserablen Löhnen zu tun hat, wird in Sachsen sichtbar. Hier können sich die Befragten gar nicht mit dem Gedanken anfreunden, höhere Beiträge in die Rentenkasse zu zahlen, um höhere Renten zu ermöglichen. Nur 18 Prozent halten das für eine gute Idee, so wenige wie in keinem anderen Bundesland. Der Bundesdurchschnitt: 29 Prozent.

Dass das Geld hier besonders knapp ist, wird sogar deutlich, wenn 17 Prozent der Befragten das verfügbare Geld lieber in Konsum stecken als für Altersvorsorge verwenden zu wollen. Das ist der bundesweit niedrigste Wert. Bundesdurchschnitt: 24 Prozent. Also nicht mal für zusätzlichen Konsum bleibt den meisten Geld übrig.

Und mit 82 Prozent liegt Sachsen in einer Kategorie an der Spitze: So viele Befragte sagten nämlich, dass es an zu geringen Einkommen und zu geringen Vermögen liegt, dass sie nicht fürs Alter vorsorgen. Die viel zu lange praktizierte Niedriglohnpolitik in Sachsen rächt sich. Aber ganz allein steht der Freistaat nicht da: bundesweit sagten es 78 Prozent der Befragten. Dass in Deutschland also derzeit so eine miserable Stimmung ist, hat genau damit zu tun. Das reichste Land Europas schickt seine Rentner in Armut.

Nur 26 Prozent der Sachsen glauben, ausreichend fürs Alter vorgesorgt zu haben. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 32 Prozent. Da haben jetzt eine ganze Reihe von Regierungen hintereinander gründlich versagt. Sie haben stets nur „ihre eigenen Rentner“ gepäppelt und beschenkt und ein riesiges Unmut-Potenzial aufgebaut, das das gesellschaftliche Gefüge ins Wanken bringen kann.

Der „AXA Deutschland-Report 2018“: Durch insgesamt 3.368 Interviews wurden repräsentativ in allen 16 Bundesländern Erwerbstätige und Personen im Ruhestand befragt. Die Ergebnisse wurden zudem bevölkerungsrepräsentativ gesamtgewichtet, um auch bundesweite Aussagen ableiten zu können. Die Befragung wurde im April 2018 in Zusammenarbeit mit dem Institut YouGov Deutschland durchgeführt.

 

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