Und nun zum Wetter am Arbeitsmarkt. Manchmal wird ja so getan, als hätte der Arbeitsmarkt etwas mit dem Wetter zu tun. Da wird auch jetzt wieder von „Frühjahrsbelebung“ erzählt, weil nun einmal die Unternehmen nach dem Jahreswechsel wieder Personal einstellen. Man findet ja gern Blümchenbilder für das, was da passiert. Aber was passiert wirklich? Es bildet sich so langsam ein Stau freier Stellen.
Denn der Berg der gemeldeten freien Stellen schmilzt nicht mehr wirklich ab. Im Gegenteil. Im Februar gab’s wieder einen deutlichen Sprung über die 7.000.
„Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit war im Februar besser als erwartet. Die Arbeitslosigkeit sank gegenüber dem Januar stärker als in den letzten Jahren. Auch die Arbeitskräftenachfrage im Vorfeld der Frühjahrsbelebung setzte früher und in größerem Umfang ein“, so die Einschätzung des Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, Steffen Leonhardi, zur jüngsten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Leipzig.
Ein wenig anders kommentierte Klaus-Peter Hansen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit (BA), die Entwicklung: „Im Februar ist die Arbeitslosigkeit leicht gesunken. Die Frühjahresbelebung lässt noch auf sich warten und wirkt meist erst ab März – doch der Zündschlüssel ist gedreht und der Wirtschaftsmotor läuft sich langsam warm. Die sächsischen Betriebe haben deutlich mehr freie Stellen gemeldet und wollen diese in den nächsten Wochen besetzen. Die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen und Jobcenter helfen dabei. Sie beraten, vermitteln und unterstützen bei Bedarf mit Qualifizierungslehrgängen. Uns ist wichtig, dass wir keinen stehenlassen und jedem Menschen eine gute Hilfe sind. Der Arbeitsmarkt ist in einer soliden Verfassung und bietet dafür beste Grundlagen – die nutzen wir.“
Sachsens Arbeitsagenturen glauben tatsächlich, dass sie das können.
Aber die Botschaft aus der Wirtschaft lautet: Sie können es nicht. Dort ist die Suche nach geeignetem Fachpersonal jetzt wirklich zum Sorgenthema Nr. 1 geworden.
Und sie finden das gewünschte Personal auch deshalb nicht, weil arbeitslos gemeldete Menschen noch nicht zwingend die Ausbildung haben, die gesucht wird. Das ist ein eigenes Thema.
Und was wird gesucht? Die Industrie sucht. Sie sucht die meisten Fachkräfte. Nur gibt es da so ein Manko, das viele Fachkräfte einfach nicht mehr wirklich goutieren: Sie lässt über Zeitarbeitsfirmen suchen. Keine kluge Idee, wenn man für deutlich mehr Geld in westlichen Bundesländern eine ordentliche Facharbeiterstelle bekommt.
Es ist nicht nur der sächsische Kultusminister, der bei der Suche nach Lehrern falsch denkt – nämlich noch immer in den Mustern des Neoliberalismus. Da glaubt man tatsächlich, man muss Arbeitskräfte möglichst billig und leicht kündbar einstellen. Da spart man Geld.
Das ist eine fatale Denkweise in dem Moment, in dem der Arbeitsmarkt in vielen Branchen wie leergeräumt ist.
Das ist nämlich die Botschaft an die Bewerber: Ihr seid uns eigentlich nichts wert. Geht doch da hin, wo man euch mehr zahlt.
Ergebnis: Ganze Fachkräfteklassen wandern weiterhin ab. Nicht nur Lehrer, auch Ingenieure, Wissenschaftler, Mediziner, Entwickler …
Und deswegen wird der Berg gemeldeter Stellen in einigen Branchen weiter wachsen. Nicht nur in der Industrie, wo die Botschaft augenscheinlich einige Personalabteilungen partout nicht erreichen will.
Auch und gerade im öffentlichen Dienst, wo die einschlägigen Regierungsvertreter noch immer nicht begriffen haben, dass man die Stellen nicht so zuschneidet, wie sie sich die Sparfüchse des Neoliberalismus vorstellen, sondern so, dass die Bewerber sie attraktiv finden. Im Gesundheitswesen geht es weiter. Über die miserablen Arbeitsbedingungen der Pflegedienste wird ja endlich einmal diskutiert. Für Krankenschwestern sind die Arbeitsbedingungen genauso miserabel.
Und BewerberInnen wählen ihre Arbeitsplätze eben nicht nur nach dem Geld aus oder der Erreichbarkeit, sondern natürlich auch nach der Menschen- und Familientauglichkeit der Arbeitsbedingungen. Wo die Bedingungen dem nicht entsprechen, weil das „Billiger, billiger!“ regiert, bekommen jetzt die verkniffenen Personaler ein Problem: Die Bewerbungen bleiben aus.
Und in der Arbeitsagentur steigt die Zahl der scheinbar „freien Stellen“. Die eigentlich zunehmend unbesetzbare Stellen sind.
Ganz vorn dabei die Logistik mit ihren vielen Übernacht-Arbeitsplätzen, und natürlich das Gesundheitswesen.
Und überraschenderweise überhaupt nicht der öffentliche Dienst. Der scheint die Dienste der Arbeitsagentur nicht zu brauchen. Obwohl Kultusminister Piwarz über 600 neue Lehrer sucht, weist die Leipziger Arbeitsagentur nur 82 freie Stellen in „Erziehung und Unterricht“ aus. Was nicht heißt, dass Christian Piwarz keine Bewerbungen bekommen hätte: über 2.000 sogar. Aber das waren eben fast alles „Seiteneinsteiger“, gebildete Menschen aus Branchen, in denen die Honorierung und Beschäftigungspraxis in Sachsen noch schäbiger sind.
Die Arbeitsagentur weist ja nur aus, welche Branchen suchen, nicht welche Qualifikationen die Menschen haben, die irgendwie einen Job suchen. Deswegen kann man nur ahnen, warum das beides nicht zusammenpasst. Dass das Wach- und Sicherheitsgewerbe mittlerweile Probleme hat, Leute zu finden für diesen stupiden Job, ist da schon verständlich. Und dass die Bauwirtschaft nur 290 Stellen bietet, versteht wiederum kein Mensch. Dabei sind die Baukapazitäten in Leipzig längst knapp. Das Jahr 2018 wird garantiert wieder eins, in dem die Stadt Leipzig nicht alle Bauvorhaben am Markt platzieren kann, weil keine Firma sich bewirbt.
Der Rest ist reine Zahlen-Jonglage:
– Insgesamt waren 22.401 (Vormonat 22.673) Männer und Frauen in der Stadt Leipzig arbeitslos. Der Rückgang im Vergleich zum Januar 2018 betrug 272 Personen. Im Vergleich zum Februar des Vorjahres ist die Zahl der Arbeitslosen um 2.564 gefallen.
– In den Altersgruppen war die Entwicklung der Arbeitslosigkeit im letzten Monat unterschiedlich verlaufen. Bei den jungen Menschen bis 25 Jahren stieg die Zahl der Arbeitslosen um + 53 auf 1.966 (Vorjahr: 2.024). Bei den Lebensälteren in der Altersgruppe ab 50 Jahren sank die Arbeitslosigkeit um 62 auf 6.343 Personen an (Vorjahr: 7.121).
– Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist im zurückliegenden Monat in Leipzig gesunken. Gegenüber dem Vormonat fiel sie um 122 auf 6.198. Im Vergleich zum Februar 2017 gab es 1.194 Langzeitarbeitslose weniger.
– Beim Zugang an offenen Arbeitsstellen verzeichnete die Arbeitsagentur Leipzig im Februar einen deutlichen Anstieg gegenüber dem Vormonat. Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den letzten vier Wochen 2.532 freie Stellen, das waren + 895 mehr als im davor liegenden Monat und + 359 mehr als vor einem Jahr zur Besetzung gemeldet.
– Zum statistischen Zähltag im Februar betrug die Arbeitslosenquote in der Stadt Leipzig 7,5 Prozent (Januar: 7,6 Prozent). Im Februar 2017 lag sie noch bei 8,5 Prozent und im Februar 2016 bei 9,7 Prozent.
– Im Februar waren 6.802 Menschen in der Arbeitsagentur im Rechtskreis SGB III arbeitslos gemeldet. Das waren 119 weniger als im Vormonat und 699 weniger als im Februar 2017.
– Im Jobcenter Leipzig im Rechtskreis SGB II waren 15.599 Menschen arbeitslos registriert. Das waren 153 weniger als im Januar und 1.865 weniger als vor einem Jahr.
– In Leipzig gab es im Februar 37.316 Bedarfsgemeinschaften. Das waren + 171 mehr als im Vormonat und – 2.076 weniger als im Februar des Vorjahres. Das Jobcenter Leipzig betreute aktuell 47.133 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat gab es einen Anstieg um + 208. Im Vergleich zum Februar des Vorjahres sank die Zahl um 2.280 Personen.
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„In Anbetracht der weiter steigenden Nachfrage nach Arbeitskräften wird im Frühjahr die Arbeitslosigkeit in Leipzig auch in diesem Jahr deutlich zurückgehen“, prognostiziert Steffen Leonhard zum Abschluss. Natürlich wird das so kommen. Und man kann eigentlich schon das Nächste prognostizieren: Die Zahl der gemeldeten freien Stellen wird die 8.000 überschreiten.
Und die Zahl der Erwerbstätigen wird trotzdem steigen. Aber in anderen Branchen als in denen, die jetzt so langsam Probleme bekommen, ihre Jobs an Mann und Frau zu bekommen.
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“Und dass die Bauwirtschaft nur 290 Stellen bietet, versteht wiederum kein Mensch. Dabei sind die Baukapazitäten in Leipzig längst knapp.”
Nun ja, der Arbeitsmarkt ist nicht nur Statistik sondern hat auch etwas mit dem wirklichen Leben und dem geltenden Recht zu tun.
Bei Frost läßt es sich halt nicht so gut bauen. Ein Rohbau steht im Winter. Zumindest, wenn es ein Naßbau ist (Beton, Stein u.dgl.) Auf nachhaltigen und ökologischen Massivholzbau, mit dem auch im Winter gebaut werden kann, kommt hier ja keiner.
Auch der Gala hat bei diesem Wetter Probleme. Aus diesem Grund gibt es beim Bau auch Schlechtwettergeld.
Oder die Mitarbeiter werden über den Winter gekündigt und im Frühjahr wieder eingestellt. Das machen dann die “kostenbewußten” Billigheimer.
Es geht aber noch besser.
Es werden gleich Rumänen oder Bulgaren eingesetzt. Natürlich über einen dortigen Arbeitgeber. Da lassen sich “nette” Konstruktionen finden.
http://www.sueddeutsche.de/news/politik/diplomatie-gabriel-fuer-macrons-forderungen-gegen-lohndumping-in-europa-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-170830-99-837697
(Erst im Februar 2018 wurde die Richtlinie geändert. Mit tausend Schlupflöchern und natürlich fehlenden Kontrollen.)
Stellenanzeige an einem der letzten Wochenenden: “Bauleiter sucht rumänische Assistentin für Reisetätigkeit zwischen Chemnitz und Leipzig.”
Meine Firma hat als Subunternehmen mit nach Tariflohn (auf dem Bau allgemeinverbindlich und Keiner hält sich dran) beschäftigten Mitarbeitern Asylbewerberunterkünfte montiert.
Nach der Hälfte der Gebäude wurde der Vertrag gekündigt und mit rumänischen Beschäftigten weiter gebaut. Die rumänischen Mitarbeiter haben in Containern auf der Baustelle geschlafen. Mit Billigung der Stadt Leipzig. (Quasi als Wachschutz)
Das Hauptzollamt (Kontrolle Schwarzarbeit) hat natürlich (siehe oben) keine Verstöße festgestellt.
Meine Firma mußte Mitarbeiter kündigen.
Wenn auf dem Bau solche Konstruktionen möglich sind, werden keine deutschen Arbeitskräfte gesucht. Deshalb erscheinen sie auch in keiner Statistik.
Die werden in Rumänien und Bulgarien gesucht – und gefunden.
Ich kann mich noch sehr genau an die Diskussion Anfang der ’90er erinnern. Damals begann die Diskussion um die Flexibilisierung der Arbeitszeit. Die “atmende” Fabrik. Das einzige Ziel war die permanente Verfügbarkeit von Personal bei gleichzeitiger Kostensenkung. Es wurde erreicht. Später ergänzt durch Leiharbeit, sachgrundlose Befristungen und Werkverträge.
Heute werden halt ausländische Mitarbeiter beschäftigt.