Es gibt ja auch wieder die in aller Seligkeit schnarchenden Parteien, die zur Bundestagswahl mit den sonnigen Bildern der „klassischen Familie“ antreten und ihre Wahlprogramme mit Tiraden gegen andere Lebensentwürfe gespickt haben. Sogar das Familienmodell der Alleinerziehenden verdammen sie, als wenn sich die betroffenen Eltern das Alleinleben mit Kindern als neuen Modetrend ausgesucht hätten. Blöd nur, dass so ein „Modetrend“ arm macht.
Was nicht nur Leipziger Statistiken zeigen. Auch wenn die Zahl von 38,4 Prozent Alleinerziehender unter der Armutsschwelle in Leipzig erschreckend genug ist.
Was übrigens ein Hauptgrund dafür ist, dass nach wie vor über 20 Prozent der Kinder in Leipzig in Armut aufwachsen. Nicht das Lebensmodell macht arm, sondern die schlechte Vereinbarkeit von Kindern mit der modernen Arbeitswelt und Jobs, die entsprechend gut bezahlt sind.
Aber das ist nicht nur ein Leipziger Problem. Im Gegenteil. Großstädte sind sogar noch besser dran als das flache Land, was die Jobangebote für Familien mit mehreren Kindern und für Alleinerziehende betrifft.
Das zeigt eine Statistik, die Paul. M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) jetzt vorgelegt hat, nachdem jetzt endlich mal wieder so ein Aufmerksamkeitsfunke durch die Medien huschte: Na hoppla, es gibt ja tatsächlich Menschen, die unter unserer Art zu wirtschaften leiden! Die tatsächlich arm sind.
Und zwar nicht freiwillig, wie die stockkonservativen Parteiennachdenker behaupten.
Alleinerziehend zu sein ist kein bevorzugtes Lebensmodell, sondern Ergebnis einer prekären Beschäftigungswelt, in der beide schlecht verdienen: Mütter wie Väter. Aber die zahlungsunfähigen Väter werden ja dann von konservativen Schwergewichten auch schnell zu „Rabenvätern“ gestempelt.
Statt die Probleme zu verstehen und zu lösen, zeigt man mit dem Finger auf die, die unter der Wirtschaftspolitik leiden. Die Singles gehören übrigens auch dazu. Wer eine Jobwelt so „flexibel“ macht, dass für Familie keine Zeit und kein Geld mehr übrig ist, der sorgt dafür, dass immer mehr Menschen in einem ebenso wenig freiwillig gesuchten Single-Dasein landen und keine Familie gründen können.
Aber nun zu den Zahlen. Denn sie zeigen, dass Alleinerziehende nicht nur in Sachsen und Leipzig die miesesten Karten haben: Bundesweit ist ihre Armutsquote im Schnitt doppelt so hoch wie bei der Gesamtbevölkerung.
Paul M.Schröder: „Die Armutsgefährdungsquote von Alleinerziehenden betrug 2016 in der Bundesrepublik Deutschland (DE) durchschnittlich 43,6 Prozent, 42,4 Prozent in Westdeutschland (WD) und 46,9 Prozent in Ostdeutschland. In den Ländern reichte diese Armutsgefährdungsquote 2016 von 34,5 Prozent in Berlin (BE!) bis 59,1 Prozent im Land Bremen (HB) und 60,0 Prozent in Sachsen-Anhalt (ST).“
Das Ausrufezeichen bei BE stammt von Schröder. Warum er das gerade bei Berlin gemacht hat, erklärt er auch: „Den rechnerisch insgesamt 35.000 armen bzw. armutsgefährdeten Alleinerziehenden in Berlin standen 2016 durchschnittlich 49.000 SGB II-Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender gegenüber. … Positiv betrachtet: In Berlin trägt die Bewilligung von Leistungen zum Lebensunterhalt gemäß SGB II (Hartz IV) für Bedarfsgemeinschaften Alleinerziehender bei einem Teil dieser Bedarfsgemeinschaften (Familien) dazu bei, die ‚Armutsgefährdung‘ (Mikrozensus) zu verhindern. Oder anders formuliert: Nur in Berlin scheint die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß SGB II (Hartz IV) 2016 (noch) dazu beizutragen, die ‚Armutsgefährdung‘ (Äquivalenzeinkommen/bedarfsgewichtetes Nettoeinkommen unter der ‚Armutsgefährdungsschwelle‘) von Haushalten Alleinerziehender (rechnerisch) zu reduzieren.“
Andere Länder machen es nicht so. Aber ganz so eine Ausnahme ist Berlin mit der niedrigeren Armutsquote bei Alleinerziehenden nicht.
Leipzig mit seinen 38,4 Prozent liegt auch deutlich unter der sächsischen Quote von 47,4 Prozent. Wobei Sachsen erst wieder das Niveau von 2006 erreicht hat. Zwischenzeitlich lag die Quote hier auch schon deutlich über 50 Prozent.
Warum liegt Leipzig drunter?
Der Grund liegt sichtlich im Aufbau von Erwerbstätigkeit gerade in den Großstädten. Da hier auch noch ein relativ enges Betreuungsnetz für Kleinkinder existiert, haben auch mehr Alleinerziehende eine Chance, die sich auftuenden Job-Chanen auch nutzen zu können.
Was so in westdeutschen Großstädten – wie Bremen und Hamburg – nicht zu gelingen scheint. Dort steigt die Armutsquote der Alleinerziehenden sogar weiter an.
Wobei mit einiger Sicherheit auch der ganz spezielle ostdeutsche Effekt mitzubedenken ist. Denn erstens lagen die ostdeutschen Armutsquoten die ganzen letzten 10 Jahre immer deutlich über den westdeutschen, auch und gerade bei den Alleinerziehenden. Aber seit 2016 sinken diese Zahlen im Osten stärker, weil der Arbeitsmarkt mittlerweile so ausgehungert ist, dass sich die Chancen für Alleinerziehende, einen Job zu bekommen, deutlich erhöht haben. Und zwar vor allem in den Großstädten. Und das wird wohl so weitergehen, denn die halbierten Ausbildungsjahrgänge sorgen schlicht dafür, dass immer mehr Unternehmen auch wieder junge Eltern einstellen müssen, wenn sie das eigene Geschäft nicht gefährden wollen.
Damit haben wir zwar noch lange kein familienfreundliches Wirtschaftsmodell. Aber gerade in Großstädten können junge Eltern jetzt ein wenig öfter davon profitieren, dass die Wirtschaft dringend Fachkräfte braucht. Auch öfter auf Teilzeitbasis. Hauptsache, es bewirbt sich jemand.
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