Dass Politiker mit der Mathematik so ihre Schwierigkeiten haben, wird immer dann spürbar, wenn sie sich in Weihnachtsmänner verwandeln. So wie Lothar Bienst und Jens Michel am Dienstag, 22. August. Da hatte Finanzminister Georg Unland (CDU) vermeldet, Sachsens Kommunen könnten mit Hilfen des Bundes in Höhe von rund 177,9 Millionen Euro für Investitionen für die Sanierung und den Ausbau von Schulgebäuden rechnen.

Der normale Sachse kann sich nicht mal vorstellen, wie viel Geld 1 Million Euro ist. Er hätte es gern und träumt davon. Und im Lauf eines Lebens hat er es in kleinen Beträgen manchmal auch in der Hand.

Die Sächsische Staatsregierung hat sich in der Kabinettssitzung am Dienstag mit dem Abschluss der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern zur Verbesserung der Schulinfrastruktur in finanzschwachen Kommunen befasst. Und Finanzminister Prof. Dr. Unland erklärte: „Die Staatsregierung hat in Berlin erfolgreich verhandelt. Deutlich mehr Kommunen als vom Bund ursprünglich vorgesehen können dadurch gefördert werden. Fördermittel in Höhe von 177,9 Millionen Euro können nun für die Schulinfrastruktur in Sachsen bis 2022 verwendet werden. Weitere Details zur Umsetzung werden in den nächsten Wochen mit der kommunalen Ebene besprochen.“

Mit der Verwaltungsvereinbarung stellt der Bund den Ländern Finanzhilfen in Höhe von insgesamt 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Eine entsprechende Änderung des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes wurde Anfang Juni von Bundestag und Bundesrat im Rahmen der Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen beschlossen. Auf die Kommunen des Freistaates Sachsen entfällt ein Betrag in Höhe von rund 177,9 Millionen Euro. Das sind 5 Prozent der ganzen Fördersumme – entsprechend dem Bevölkerungsanteil Sachsens. Förderfähig sind insbesondere Investitionen für die Sanierung, den Umbau und die Erweiterung von Schulgebäuden, in Ausnahmefällen auch der Ersatzbau.

Was dann den bildungspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, Lothar Bienst, zu der übermütigen Ansage veranlasste: „Guter Unterricht braucht eine moderne Infrastruktur mit einer ansprechenden Lernumgebung für Schüler und Lehrer. Die 177,9 Mio. Euro Bundesmittel ergänzen unsere landeseigenen Förderprogramme für den Schulhausbau. Ich freue mich, dass jetzt noch mehr Kommunen mit der Sanierung und Modernisierung ihrer Schulen zügig vorankommen können. Gut ist auch, dass mit diesem Programm die Voraussetzungen für schnelles Internet an den Schulen gefördert werden können.“

Eine ganze Menge, was er von dem Geld alles bezahlen will.

Und der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Jens Michel, meinte: „Es bedurfte erst intensiver Verhandlungen Sachsens in Berlin, um das Programm praxistauglich zu machen. Nun liegt der Ball bei den Kommunen: Die Rahmenbedingungen des Bundes sind bekannt. Es liegt im Interesse der Kommunen, rasch zu handeln und jetzt entsprechende Planungen fertigzustellen. Ich erinnere daran, dass in jüngster Zeit häufig nicht mehr fehlendes Geld, sondern unzureichende Planungsstände zum Problem geworden sind.“

Was nicht ganz stimmt. Die unzureichenden Planungsstände sind nur ein Teil der Probleme, die durch die miserable Finanzierung der Kommunen entstanden sind. Aufgehäuft in Jahren rigider Sparpolitik, in der alle Kommunen mit dem zu tun hatten, was im vormundschaftlichen Sprachgebrauch „Konsolidierung“ genannt wird: Sie mussten bei Investitionen und Personal abspecken, während Sachsen bei den Fördermitteln knauserte.

Leipzig erlebte es beim ÖPNV, beim Kita-Ausbau, bei den Schulen. Jahrelang rangen Dresden und Leipzig darum, dass es überhaupt eine Schulbauförderung für die Großstädte gibt. Am Ende sprangen für Leipzig jährlich 20 Millionen Euro heraus.

Das ist bestenfalls eine Schule. Ist das das tolle Schulbauprogramm, das Bienst meint?

Und nun zu den 177,9 Millionen Euro. Klingt nach richtig viel Geld. Da es aber bis 2022 fließt, kommt dabei eine Jahresrate von 35,6 Millionen Euro heraus. Ist schon nicht mehr so viel. Und die wird dann wohl schön brüderlich geteilt. Wahrscheinlich auch wieder nach Einwohnerzahl. Würde für Leipzig dann pro Jahr 5 Millionen Euro zusätzliche Förderung für Schulsanierung bedeuten. Das ist ungefähr die Hälfte dessen, was die Stadt allein für die Instandhaltung ihrer Schulgebäude jährlich ausgibt. Oder eine Fünftel Schule. Oder ein Hundertstel dessen, was Leipzig bis 2020 für Schulbau ausgeben muss, um überhaupt den drängendsten Bedarf zu decken.

Das Problem ist, dass den handelnden Politikern augenscheinlich völlig die Vorstellung abgeht davon, wie groß der Bedarf bundesweit ist und ab welcher Investitionssumme tatsächlich spürbare Entlastungseffekte auftreten. Wer also bundesweit 3,5 Milliarden Euro verteilt, bewirkt so gut wie nichts. Dazu ist der Investitionsstau längst viel zu groß. Die neoliberale Sparpolitik hat gerade bei den Kommunen riesige Rückstände bei Sanierung, Modernisierung und Neubau aufreißen lassen. Sie mussten den ganz und gar nicht energischen Kampf des Bundesfinanzministers um die heilige Schwarze Null ausbaden.

Ergebnis: Der tatsächliche Investitionsstau liegt mindestens bei 135 Milliarden Euro, wie der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nicht müde wird zu betonen. Obwohl schon der Blick nach Sachsen zeigt, dass diese Zahl wohl viel zu niedrig liegt. Weil die meisten Kommunen wertmäßig gar nicht mehr erfassen, was sie in den nächsten vier, fünf Jahren nicht geplant und gebaut bekommen.

Selbst für Leipzig werden die Zahlen höchst diffus. Mit rund 200 Millionen Euro Investitionen plant OBM Burkhard Jung die nächsten Jahre, davon rund 70 Millionen für Schulhausbau. Und schon nach der Vorstellung des letzten Schulentwicklungsplans war klar: Das ist viel zu wenig. Nur: Zahlen für das „zu wenig“ gibt es noch nicht. Denn beschrieben sind erst einmal nur Schulhausbauten für 350 Millionen Euro. Das, was bis 2020 noch fehlt, würde noch einmal 150 Millionen Euro kosten.

Die 25 Millionen, die Leipzig aus dem jetzt unterschriebenen Bundesprogramm insgesamt bekommt, wirken da schon sehr bescheiden. Landtagsnachfragen haben ergeben, dass die sächsische Staatsregierung gar nicht wissen will, wie hoch der Investitionsbedarf in Sachsens Kommunen tatsächlich ist. Wenn man die Zahlen hätte, könnte man richtig gute Infrastrukturpolitik machen.

Aber die verantwortlichen Minister interessieren sich nicht mal dafür, verweisen auf die Grenzen der Regierungskompetenz und tun dann so, als wären die Kommunen in Sachsen Angehörige einer anderen Nation. Und nicht die Orte, an denen die Sachsen direkt erleben, wie klug oder dumm die Investitionspolitik in diesem Land gerade läuft.

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