Der Leipziger Arbeitsmarkt brummt. Das tat er auch im Februar. Zur Überraschung auch der Arbeitslosenverwaltung. Denn es ist Winter. Und wo bleiben eigentlich die Flüchtlinge? Sollten sie auf dem Arbeitsmarkt nicht jetzt ankommen? Irgendwie schon. Auch wenn das in den Worten des neuen Geschäftsführers der Arbeitsagentur Leipzig noch nicht anklang.

„Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Februar ist typisch für diesen Monat. Noch war der Winter wirksam, aber die Frühjahrsbelebung ist im steigenden Zugang an freien Arbeitsstellen schon erkennbar“, war die erste Einschätzung des neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, Steffen Leonhardi, zur jüngsten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Leipzig. Er löste zum Mittwoch, 1. März, Reinhilde Willems ab, die in die Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit wechselt.

Steffen Leonhardi, der 1968 in Oschatz geboren wurde, war seit Mai 2015 Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Riesa. Der Diplom-Verwaltungsfachwirt (FH) begann seine Tätigkeit bei der Bundesagentur für Arbeit nach dem dreijährigen Studium 1996 als Arbeitsberater für Rehabilitanden und Schwerbehinderte in Zwickau und Oschatz. Seine weitere Laufbahn führte ihn über verschiedene Führungsfunktionen über Oschatz nach Riesa.

Und nun die offiziellen Zahlen: Insgesamt waren 24.965 (Vormonat 24.999) Männer und Frauen in der Stadt Leipzig – offiziell – arbeitslos. Der Rückgang im Vergleich zum Januar 2017 betrug 34 Personen. Im Vergleich zum Februar des Vorjahres ist die Zahl der Arbeitslosen um 2.932 gefallen, meldet die Arbeitsagentur.

Die Meldung ist wie immer knapp, geht auch nicht wirklich auf das Wesentliche ein. Politiker freuen sich ja, wenn die Zahlen so hübsch optimistisch und einfach sind: Zum statistischen Zähltag im Februar betrug die Arbeitslosenquote in der Stadt Leipzig 8,5 Prozent (Vormonat: 8,5 Prozent). Im Februar 2016 lag sie noch bei 9,7 Prozent.

Glauben wir das?

Nur bedingt.

Denn was so schön niedrig klingt, ist nur eine Teilsumme. Sie verrät zum Beispiel nicht, wo die Flüchtlinge geblieben sind, die ab 2015 in Leipzig angekommen sind und hier nun einen Start in eine Erwerbstätigkeit suchen. Was eben nicht so funktioniert, dass sie gleich an den Schalter gehen und einen Job bekommen. Viele müssen erst einmal Deutsch lernen, stecken in diversen Integrations- und Qualifikationskursen.

Das merkt man aber erst, wenn man eine andere Zahl aufruft: die der Unterbeschäftigung in Leipzig.

Dass man erst in diese Sparte gucken muss, hat mit den vielen Reformen an der Arbeitslosenstatistik zu tun, die seit 20 Jahren vorgenommen wurden. Damit flogen auch alle Arbeitsuchenden, die eher in Ersatzmaßnahmen und Umschulungen stecken, aus der offiziellen Arbeitslosenzahl, obwohl sie nach wie vor arbeitsuchend sind.

Die offizielle Zahl der Unterbeschäftigten betrug im Februar 35.686. Das ist zwar deutlich weniger als noch vor einem Jahr, als es 36.590 waren. Aber die Spanne zwischen „offizieller“ Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung ist gewachsen: von 8.693 auf 10.721. Auch gegenüber Januar 2017 hat sie um 110 zugenommen. Das heißt: Immer mehr Flüchtlinge kommen in die diversen Qualifizierungsmaßnahmen der Arbeitsagentur. Sie werden ganz bestimmt auch irgendwann in der richtigen Arbeitsvermittlung ankommen.

Und da wird es kompliziert. Denn: Gibt es auch die richtigen Arbeitsplätze für sie?

Man darf nicht vergessen: Der Leipziger Arbeitsmarkt ist nach wie vor prekär. Nach wie vor sind viele Arbeitsplätze so gering vergütet, dass die Armutsquote in Leipzig nicht sinkt. Erst am Donnerstag, 2. März, veröffentlichte der Paritätische Wohlfahrtsverband die Zahlen zu den Armutsquoten in Deutschland. Und für die gesamte Region Leipzig gilt: Trotz massiver Schaffung neuer Arbeitsplätze liegt die Armutsquote seit 2008 konstant bei 22 Prozent. Das liegt deutlich überm Bundesdurchschnitt von 15 Prozent und bedeutet eben auch, dass nach wie vor viele Leipziger nur in prekären Verdienstverhältnissen leben.

Was sich übrigens nicht in den Zahlen der Arbeitsagentur niederschlägt – was die neoliberalen Schönmaler nie begreifen werden. Denn für viele Betroffene kommt ein Canossa-Gang in eine vom Kontrollwahn besessene Agentur gar nicht in Betracht. Sie sparen und darben lieber, als sich der bürokratischen Schikane auszusetzen. Oder sie sind gar Freiberufler und haben gar keine Chance, von dieser Behörde Unterstützung zu erwarten.

Das Bild, das die Arbeitsagentur also liefert, ist äußert begrenzt.

Deswegen sind auch die Erfolgszahlen nur mit größter Vorsicht zu genießen.

Hier in der kurzen Übersicht:

Im Februar waren 7.501 Menschen im Rechtskreis SGB III in der Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet. Das waren + 34 mehr als im Vormonat und + 1.053 mehr als im Februar 2016. Das ist der Bereich mit Menschen, die noch ALG I bekommen und zumindest so viel verdienen, dass sie nicht in die Jobcenter-Ebene durchgereicht werden. Mit 7.501 wurde übrigens für die letzten Jahre ein Höchststand erreicht, was darauf hindeutet, dass die Zahl der saisonabhängigen Jobs in Leipzig deutlich gewachsen ist. Also eine Art prekärer Beschäftigung auf die neue Art.

Im Rechtskreis SGB II waren 17.464 Menschen im Jobcenter Leipzig arbeitslos registriert. Das waren 68 weniger als im Januar und tatsächlich 3.985 weniger als vor einem Jahr. In Leipzig gab es im Februar 39.305 Bedarfsgemeinschaften. Das waren + 175 mehr als im Vormonat und 1.544 weniger als im Februar des Vorjahres. Das Jobcenter Leipzig betreute aktuell 48.904 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat gab es einen Anstieg um + 40. Im Vergleich zum Februar des Vorjahrs sank die Zahl um 1.158 Personen.

Die freien Stellen im Februar. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Die freien Stellen im Februar. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Es entstehen also weiterhin neue Jobs in Leipzig. Doch sie sind zu einem großen Teil noch immer im eher niedriger bezahlten Segment angesiedelt.

Aber man nimmt ja in Leipzig, was man bekommt. Die Betroffenen haben längst gelernt, dass man lieber den Spatzen nimmt, als für die Hoffnung auf die Taube geschmort und gebraten zu werden.

Beim Zugang an offenen Arbeitsstellen verzeichnete die Arbeitsagentur Leipzig im Februar einen Anstieg gegenüber dem Vormonat. Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den letzten vier Wochen 2.173 freie Stellen, das waren + 343 mehr als im davor liegenden Monat (1.830), aber 171 weniger als vor einem Jahr, zur Besetzung gemeldet. Und auch wenn die Industrie die Liste der gemeldeten Stellen mit 1.580 anführt, bedeutet das keinen Goldregen, denn die meisten der Industriearbeitsplätze werden nach wie vor über Zeitarbeitsfirmen vermittelt.

Das Gros der gemeldeten Stellen freilich findet sich in einem immer mehr wachsenden Dienstleistungsbereich: angefangen mit Verkehr, Logistik und Sicherheit (1.136), Gesundheit und Soziales (der riesige Pflegebereich, 779) und diversen Buchhaltungsjobs (716). Leipzig ist nach wie vor das Testfeld für viele neue Beschäftigungsmodelle – nicht ganz so prekär, wie das zwischen 2005 und 2012 noch üblich war, aber auch nicht wirklich üppig vergütet.

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