Wenn es um das Älterwerden der deutschen Bevölkerung geht, dann geraten Politik und Versicherungen leicht in den Alarmmodus. Oder den Sirenenmodus: Alle machen Lärm, verbreiten Angst. Aber an den Ursachen ändert sich nichts. Mit aktuellen Zahlen meldet sich jetzt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) e.V. zu Wort: Sachsen altert zu schnell ist das Motto.

„Das Durchschnittsalter ist innerhalb von zwei Jahrzehnten von 41,2 auf 46,6 Jahre gestiegen – schneller als im Bundesschnitt. Während die Stadt Leipzig nur um ein Jahr gealtert ist, waren es im Kreis Görlitz 8,3 Jahre. Die Folge: Das Altersgefälle im Freistaat steigt“, bilanziert der GDV. „Die steigende Lebenserwartung und niedrige Geburtenzahlen treiben das Durchschnittsalter in Sachsen immer weiter nach oben. Die Bevölkerung ist innerhalb von zwei Jahrzehnten um 5,4 Jahre gealtert und zählt nunmehr 46,6 Lenze.“

So zeige es eine Auswertung der Initiative „7 Jahre länger“ auf Basis der finalen Bevölkerungsdaten für 2015. Die Initiative ist natürlich eine Initiative der Versicherungswirtschaft, die gerade auf die längere Lebenserwartung abzielt und die Frage: Wie finanziert man das?

„Sachsen zählt damit zu jenen Bundesländern, die seit 1995 überdurchschnittlich gealtert sind. Bundesweit ging der Altersschnitt ‚nur‘ um 4,2 auf 44,2 Jahre nach oben. Grund für das regional unterschiedliche Tempo der Alterung sind vor allem die Zu- und Fortzüge von Menschen. Die ältesten Einwohner hat mit 47,4 Jahren Sachsen-Anhalt, die jüngsten mit 42,3 Jahren Hamburg. Beide trennen 5,1 Jahre, 1995 lag die Differenz zwischen ältestem und jüngstem Bundesland erst bei 3,6 Jahren“, so der GDV.

Und dann stellt man fest, was zu erwarten war: Nur Leipzig und Dresden liegen in Sachsen unter dem deutschen Altersschnitt.

„Zu- und Abwanderungen führen auch in Sachsen dazu, dass das Gefälle zunimmt. Heute trennen die älteste Region (Vogtlandkreis: 49,1 Jahre) und die jüngste (Stadt Leipzig: 42,8 Jahre) 6,3 Jahre. Ende 1995 war das Altersgefälle im Freistaat gut drei Jahre kleiner. Der Vogtlandkreis liegt zugleich im bundesweiten Vergleich an sechster Stelle der ältesten Kreise und Kreisfreien Städte. Ganz oben stehen Dessau-Roßlau (Sachsen- Anhalt) und das Altenburger Land (Thüringen) mit einem Altersschnitt von je 49,8 Jahren – die jüngste Region ist die Stadt Freiburg mit 40,2 Jahren“, so der GDV. „Wie weit fortgeschritten die Alterung in Sachsen ist, zeigt sich auch daran, dass lediglich in den Städten Leipzig und Dresden die Menschen jünger sind als im Bundesschnitt. Leipzig ist zugleich die Stadt im Osten, die seit 1995 am langsamsten gealtert ist: lediglich um ein Jahr ging der Altersschnitt nach oben. Der Landkreis Görlitz ist hingegen um 8,3 Jahre gealtert – Rekord in Sachsen.“

Was hier ausgeblendet wurde, ist die schlichte Tatsache, dass vor allem die Binnenwanderungen diese Zahlen bedingt: Die jungen Sachsen verlassen die ländlichen Räume und sorgen in Dresden und Leipzig nicht nur für Verjüngung, sondern auch für steigende Geburtenzahlen.

Statistisches Altersgefälle in Deutschland. Grafik: GDV
Statistisches Altersgefälle in Deutschland. Grafik: GDV

Hinter jeder demografischen Entwicklung steckt eine wirtschaftliche Entwicklung. Dumm nur, dass das in Deutschland weder von Versicherungen noch von Wirtschaftsinstituten oder gar Regierungen so gedacht wird. Als hätte das eine nichts mit dem anderen zu tun, als würden junge Familien nicht dahin ziehen, wo sie Arbeit finden und als würde Arbeit ganz wundersam im luftleeren Raum entstehen.

Die demografischen Probleme der westlichen Welt sind hausgemacht. Sie sind die direkte Folge eines falschen Wirtschaftsdenkens.

Stattdessen schauen auch die Versicherer eher auf ein Phänomen wie die Flüchtlingszahlen: „Im Vorjahr geriet der Alterungsprozess aufgrund der hohen Zuwanderung jedoch insgesamt ein wenig ins Stocken. Sowohl bundesweit als auch im Freistaat sank das Durchschnittsalter um 0,1 Jahre. Für Deutschland war es der erste Rückgang seit der Wiedervereinigung überhaupt. Die größte Verjüngung in Sachsen erlebten die Städte Chemnitz und Leipzig, wo das Durchschnittsalter um 0,5 beziehungsweise 0,4 Jahre gesunken ist.“

Und dann rutschen sie zurück in ihre alten Muster und stellen wieder fest: „Langfristig ist der Alterungsprozess aber nicht aufzuhalten. Laut jüngster Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes wird das Durchschnittsalter in Deutschland bis 2060 auf 47,6 bis 50,6 Jahre steigen – abhängig davon, wie sich Zuwanderung und Geburtenrate weiter entwickeln. Zum Vergleich: 1990 waren die Menschen hierzulande noch durchschnittlich 39,3 Jahre alt, 1970 gar erst rund 36,2 Jahre.“

Und? Was folgt daraus? Wieder lauter Frust über eine zunehmend vergreisende Gesellschaft? Oder mal ein neuer Gedanke darüber, warum große Teile unserer Wirtschaftsstrukturen geradezu familien- und kinderfeindlich sind? Denn – siehe oben: Die Geburtenrate entscheidet, ob eine Gesellschaft jungen Nachwuchs hat oder immer mehr vergreist und vereinsamt.

Solange das Fazit aber heißt, dass Kinder ein prinzipielles ökonomisches Risiko für jede Familie sind und solange 25 Prozent aller Kinder in Armut aufwachsen, solange wird sich an der beschriebenen Malaise in Deutschland nichts ändern. Da können die Versicherer noch so sehr das Lied von den Klappergreisen singen. Die sind nur das Ergebnis einer falschen Weichenstellung.

In eigener Sache – Wir knacken gemeinsam die 250 & kaufen den „Melder“ frei

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