Was passiert eigentlich mit einer Stadt, in der die Probleme immer nur ausgesessen und vertagt werden? Zum Beispiel, weil das Geld fehlt für Lösungen? Leipzig ist ja so ein Beispiel. Die seit 2011 existierende Leipziger Umweltzone erst recht. Die meisten Leipziger halten das Ding für völlig wirkungslos.
„Nur eine Minderheit (5 Prozent) meint, dass sich durch die Einführung der Umweltzone die Luftqualität im Wohngebiet verbessert hat“, schreiben Leipzigs Statistiker im Bericht zur „Bürgerumfrage 2015“. Eine Aussage, die nur teilweise eingeschränkt wird durch die Tatsache, dass rund 40 Prozent angeben, die Wirkung der Umweltzone nicht einschätzen zu können.
Wie denn auch? Sie umfasst weder das ganze Stadtgebiet, noch sind wesentliche Rußquellen aus dem Stadtgebiet verbannt. Und man darf sich daran erinnern, dass die Umweltzone erst als allerletzte Maßnahme in den „Luftreinhalteplan“ von 2009 gekommen ist, quasi als Rettungsversuch der Leipziger Stadtverwaltung, der EU wenigstens einen Baustein anbieten zu können, der die Stadt von Strafgeldern verschont. Scheinbar das radikalste aller Mittel, wo man bei anderen Maßnahmen – wie der Pflanzung von Straßenbäumen, bei neuen Radwegen und Tempo-30-Zonen – kläglich hinterher hinkte und jedes Jahr die Grenzwerte der Luftbelastung riss – bei Feinstaub genauso wie bei Stickoxiden.
Bei Feinstaub hat man zwar 2014 und 2015 scheinbar Fortschritte gemacht – aber schon der nächste kalte Winter kann das konterkarieren.
Der fehlende Ehrgeiz der Stadt bei der Umsetzung der 2009 beschlossenen Luftreinhaltemaßnahmen kontrastiert auffällig mit der Tatsache, welchen Wert die Leipziger der Luftqualität zumessen. 82 Prozent legen Wert auf saubere Luft. Der Wert ist seit Jahren hoch. Die Verwaltung hätte eigentlich großen Rückhalt, wenn sie das Thema ernst nehmen würde. Aber sie nimmt es nicht ernst, läuft lieber auf Zehenspitzen, weil immer wieder eine lautstarke Lobby die Diskussion an sich reißt und jede Maßnahme zur Luftverbesserung verteufelt – als Angriff auf den Kfz-Verkehr. Denn der steht nun einmal als Hauptemissionsquelle fest. Und dass es auch an kriminellen Machenschaften lag und liegt, wissen wir ja seit der VW-Abgasaffäre: Die Umweltzonen konnten nicht funktionieren, weil viele Fahrzeuge völlig zu Unrecht die „Grüne Plakette“ trugen und tragen.
Und nicht nur bei Abgasen wurde getrickst. Auch beim zweiten Thema, das in diesem Jahr eigentlich diskutiert werden sollte, dem Lärm. Die Stadt ist nach wie vor laut. Nicht nur Ortsteile wie Plaußig-Portitz oder Althen-Kleinpösna leiden unter starkem (Autobahn)-Lärm, wie die Statistiker der Stadt schreiben. Selbst in innerstädtischen Quartieren wie Westvorstadt und Bachstraßenviertel, der Südvorstadt, Zentrum-Nord oder Neustadt-Neuschönefeld klagen über 30 Prozent der Befragten über starke Lärmbelastung durch KfZ-Verkehr. Und das hat nicht nur mit den Staats- und Bundesstraßen zu tun, die hier die Blechlawinen durch die Wohnquartiere schleusen.
Wäre es nur das, dann würde das Problem Kfz-Lärm nicht flächendeckend über 20 Prozent der Stadtbevölkerung belasten. Wobei der Wert gegenüber 2014 sogar gestiegen ist. 2014 waren es noch 20 Prozent. Jetzt sind es 23. Was zumindest darauf hindeutet, dass es an wirksamen Mitteln, den Lärm zu senken, sichtlich fehlt. Auch an weiteren Zonen mit klarer Geschwindigkeitsbegrenzung. Wo nicht gerast werden darf, vermindert sich das Problem ja.
Und entsprechend klar benennen die befragten Leipziger auch die Lärmgründe, die sie gern abgeschafft sehen möchten.
56 Prozent sind für eine Reduzierung des Lkw-Verkehrs. Was schon verblüffen darf, denn immer wieder beteuert ja die Leipziger Stadtverwaltung, dass mit Einführung der Umweltzone der Transitverkehr von Lkws, die ihr Ziel nicht in Leipzig haben, deutlich reduziert wurde.
Liegt es also gar nicht an den Lkws, die früher nur quer durch die Stadt gefahren sind, sondern an den Fahrzeugen, die trotzdem noch in Leipzig herumfahren? Augenscheinlich mit viel zu lauten Motoren und Kompressoren?
Ist die Stadt da wieder nur der Wirklichkeit ausgewichen, weil sie es mit einer Nutzergruppe zu tun hat, der sie nicht wehtun möchte?
Und wenn 56 Prozent der Befragten die Lkw nennen, steckt hier ein gewaltiges Problem. 39 Prozent brachten übrigens Geschwindigkeitsbegrenzungen und 36 Prozent Tempo-30-Zonen als Instrument zur Lärmminderung in Vorschlag. Das sind sichtlich auch eine Menge Leipziger, die im Aufdrehen von Motoren durch Raser einen der Hautgründe für Lärm sehen.
Oder sind es die vielen zusätzlichen Kfz, die mit dem Bevölkerungswachstum dazukommen, wie OBM Burkhard Jung vermutet?
Wirkt sich das auch beim Verkehrslärm aus? Möglicherweise. Denn mehr Rückstau an überlasteten Kreuzungen bedeutet nun einmal auch mehr stehender Lärm – und mehr Luftbelastung. Es gibt eine Menge Kreuzungen in Leipzig, an denen man wirklich nicht wohnen und arbeiten möchte.
Ein möglicher Grund für die gestiegene Zahl könnte auch sein, dass sich auch die lange Zeit vernachlässigten Hauptverkehrsstraßen wieder mit Bewohnern füllen. Sie leben direkt an großen Lärmquellen. Deswegen ist augenscheinlich auch die Belastung durch Straßenbahn-Lärm gestiegen – von 11 auf 14 Prozent. Sogar Baustellenlärm belastet die Leipziger zunehmend – der Wert stieg von 8 auf 11 Prozent. Andere Lärmquellen – unter anderem Veranstaltungen – haben ihren Anteil am Lärmproblem von 5 auf 8 Prozent gesteigert. Das ist eigentlich die gegenteilige Wirkung dessen, was man mit dem Lärmaktionsplan einmal erreichen wollte. Augenscheinlich versteht ein kleiner Teil der Zeitgenossen so einen Plan geradezu als Herausforderung, nun erst richtig Lärm zu machen.
Konstant blieb nur ein Wert: 7 Prozent der Befragten fühlten sich 2014 vom Fluglärm belastet. So war es auch 2015. Das sind rund 40.000 Leipziger, die vom Fluglärm direkt betroffen sind.
Das Fazit ist also ziemlich deutlich: Sowohl bei Luftbelastung wie bei Lärmbelastung haben sich die beiden bisherigen Aktionspläne der Stadt als zahnlose Tiger erwiesen, ist man über ein bisschen Kosmetik nicht hinausgekommen, obwohl im einen Fall 82 Prozent der Leipziger, im anderen 78 Prozent dem Thema einen hohen Stellenwert zumessen.
Womit eine seltsame Lücke aufklafft zwischen Versprechen und Wirklichkeit.
Übrigens auch bei einem Thema, bei dem immer so getan wird, als wäre die L-IZ da in einer Minderheitenposition.
Dazu kommen wir gleich an dieser Stelle.
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…und die Politik versagt auf ganzer Linie.