Dass sogar der Blick in die Vergangenheit erhellende Einsichten bringen kann, zeigt jetzt eine Meldung des Statistischen Landesamtes. Das hat sich jetzt mal eine Sonderauswertung des Bundesamtes für Statistik vorgenommen. Und das hat sich das Thema Mindestlohn mal mit den Zahlen von 2014 angeschaut. Da gab es zwar noch keinen Mindestlohn, aber die Betroffenheit der Regionen ließ sich ausrechnen.
Wie die Rechner in Wiesbaden vorgegangen sind, schildert das Sächsische Landesamt für Statistik so: „Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst im Freistaat Sachsen lag im April 2014 bei 2.682 Euro. Im Vergleich dazu ergibt der seit dem 1. Januar 2015 eingeführte gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde bei einer Vollzeitbeschäftigung von 40 Wochenarbeitsstunden einen Verdienst von ca. 1.473 Euro im Monat. Das entspricht 55 Prozent des durchschnittlichen Bruttoverdienstes. Im Bundesdurchschnitt sind es nur 43 Prozent.“
Die wichtige Einschränkung: Es sind nur die Bruttomonatsverdienste aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Nächste Einschränkung: Diese werden über eine Abfrage einer Stichprobe von Unternehmen erfasst. Deswegen finden sich zwar vor allem die Werte für in Vollzeit sv-pflichtige Beschäftigte in der Statistik, die für prekäre oder selbstständige Erwerbstätigkeit aber nicht. Was zum Teil (auch für Sachsen) sehr hohe Durchschnittsverdienste ergibt, die sich so zum Beispiel in den Leipziger Bürgerumfragen nicht widerspiegeln.
Deswegen ist auch der Index, den die Statistiker errechnet haben, zumindest mit Vorsicht zu genießen.
Das Landesamt zu den regionalen Unterschieden in Sachsen: „Die Regionen Sachsens weisen dabei Unterschiede auf. Allein die Arbeitsmarktregion Dresden lag mit 53 Prozent unter dem Landesdurchschnitt, Leipzig und Zwickau lagen im Durchschnitt. Zu den am stärksten vom Mindestlohn betroffenen Regionen gehörten Görlitz, Erzgebirgskreis und Mittelsachsen. Hier lag der sogenannte Kaitz-Index im April 2014 bei 64 bzw. 66 Prozent.“
Zum Kaitz-Index erläutert das Bundesamt für Statistik: „Der Kaitz-Index gibt das Verhältnis zwischen Mindestlohn und durchschnittlichem Bruttomonatsverdienst bei Vollzeitbeschäftigten an. Läge er bei 100 %, würde in dem betroffenen Gebiet ausschließlich der Mindestlohn verdient. Der Kaitz-Index gilt als Maß der potentiellen Betroffenheit vom Mindestlohn: Je höher er in einer Region ist, desto stärker könnte die Auswirkung des Mindestlohns dort sein. Bei den Regionen handelt es sich um die Arbeitsmarktregionen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung.“
Wie das Statistische Landesamt weiter mitteilt, kamen 369.000 Jobs, das sind 22 Prozent aller Jobs in Sachsen, zum 1. Januar 2015 unter den Schutz des Mindestlohngesetzes. Rund ein Drittel waren geringfügig entlohnte Beschäftigungsverhältnisse (120.000). Auf Voll- und Teilzeitbeschäftigte entfielen 139.000 bzw. 110.000 Jobs. Insgesamt waren Frauen häufiger vom Mindestlohn betroffen als Männer. So erreichte der Anteil der Frauen an den nun geschützten geringbezahlten Jobs 64 Prozent.
Der Arbeitsamtbezirk Leipzig wird in der Auswertung des Bundesamtes für Statistik mit einem Durchschnitts-Bruttomonatsverdienst von 2.700 Euro geführt. Da der Mindestlohn 55 Prozent dieser Summe ausmacht, ist die mögliche Mindestlohnbetroffenheit also relativ hoch, rechnerisch höher als im benachbarten Halle mit 53 Prozent. Der Kaitz-Index gibt also nur eine vage Vermutung ab, ob ein Gebiet höhere Mindestlohnbetroffenheit haben könnte als ein anderes. Insgesamt erscheint der Osten deshalb in dunklem Blau. Frei nach dem Motto: niedriges Durchschnittseinkommensniveau = hohe Mindestlohnbetroffenheit.
Genauso ist es ja dann 2015 auch gekommen. Aber anders als es diese Statistik suggeriert, hat der Mindestlohn seine stärksten Wirkungen nicht auf das Durchschnittslohnniveau, sondern auf den gesamten Bereich der prekären Beschäftigungsverhältnisse – die schmelzen seit dem 1. Januar 2015 wie Schnee an der Sonne und siehe da: Die Leute werden nicht (wie gemunkelt) arbeitslos, sondern bekommen auf einmal vollbezahlte Stellen in derselben Branche.
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