"8,7 Prozent - niedrigste Arbeitslosenquote in Leipzig seit 1991", jubelt auch die Arbeitsagentur Leipzig jetzt mit den neuesten Novemberzahlen zum Arbeitsmarkt. "Das Weihnachtsgeschäft wirkt zusätzlich positiv auf einen insgesamt sich sehr gut entwickelnden Leipziger Arbeitsmarkt", freut sich Reinhilde Willems, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig.

“Auch im zurückliegenden Monat gab es erneut einen neuen Niedrigwert bei der Arbeitslosenquote. Mit 8,7 Prozent wurde im November 2015 die niedrigste Arbeitslosenquote in einem Monat seit 1991 überhaupt gemessen. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Damit setzte sich auch im November der positive Trend fort“, sagte sie noch.

Ein ganzes Land schwelgt in den Nachrichten zu den neuesten Tiefstwerten. Als hätte irgendjemand da irgendetwas richtig gemacht. Der Motor schnurrt. Und die Vermittler tanzen mit hochgekrempelten Ärmeln Foxtrott.

Ja wirklich?

Klar, ein paar Weihnachtsmarkt-Jobs gab’s im November auch zu verteilen. Aber das ist nicht die eigentliche Ursache für die neuen Rekordtiefststände. Und wenn die Verantwortlichen nur ein wenig genauer hinschauen, dann sollte ihnen angst und bange werden. Oder die Arbeitsagenturen sollten anfangen, den ruhmestrunkenen alten Herren von CSU, CDU und AfD dicke “Rote Karten” zu schicken. Wegen permanenten Foul-Spiels und völliger Unkenntnis der Spielregeln.

Die Fakten sind kurz und knapp erzählt:

Die Zahl der arbeitslosen Menschen in Leipzig sank in den letzten vier Wochen auf 25.151. 353 Menschen weniger als noch im Oktober und 1.115 weniger als vor einem Jahr waren bei der Arbeitsagentur und dem Jobcenter Leipzig arbeitslos gemeldet. Im Rechtskreis SGB III betrug der Rückgang – 86 und im Rechtskreis SGB II sank die Zahl um – 267.

“Bei mehr als 25.000 Arbeitslosen in dieser Stadt bleibt für alle Beteiligten noch viel zu tun. Deutlich wird aber, dass die Richtung stimmt und die Arbeitsagentur und das Jobcenter diesen Fortschritt mit befördern“, meint Willems. “Die positive Entwicklung bei den gemeldeten Stellen und der Beschäftigung eröffnet Beschäftigungschancen über alle Branchen und Tätigkeiten. Oft braucht es aber eine berufliche Neuorientierung und Begleitung, damit es mit dem Arbeitsplatz klappt. Wir bieten die nötige Unterstützung an.“

Ein Problem ist natürlich die systematische Introvertiertheit des Arbeitsagentur-Systems. Man sieht nur seine immense bürokratische Verwaltung, das Ein- und Ausbuchen von Menschen. Rosa Häufchen, blaues Häufchen, grünes Häufchen.

Aber tatsächlich laufen hinter dieser ganzen Bürokratie ganz simple Prozesse ab.

Denn der Herbst ist die Zeit, in der vor allem die gemeldete Arbeitslosigkeit der Schul- und Ausbildungsabsolventen aus dem Sommer abgebaut wird.

Ergebnis: In den Altersgruppen gab es im zurückliegenden Monat eine uneinheitliche Entwicklung. Bei den jungen Menschen bis 25 Jahren sank die Zahl der Arbeitslosen um – 104 auf 1.797 (Vorjahr: 2.037). Bei den Lebensälteren in der Altersgruppe ab 50 Jahren wuchs die Arbeitslosigkeit um + 7 auf 7.659 Personen an (Vorjahr: 8.166).

Na hoppla? Also doch nichts mit neuen Jobs für umlernwillige Alte? Genau das.

Die Zahl der Langzeitarbeitslosen steht wie fest betoniert: 8.658 im September, 8.687 im Oktober, 8.658 im November. Sie sind 2005 gründlich aus dem System geflogen und nicht wieder reingekommen. Sie gehen nur noch irgendwann in einen Ruhestand mit Trockenbrot.

So, wie das bei den über 55-Jährigen ablesbar ist, wo die Zahl von 4.757 im September auf 4.697 im November zurückging.

Die wirkliche Bewegung ist am anderen Ende der Altersskala, bei den 15- bis 25-Jährigen. Da ging die Zahl der registrierten Arbeitslosen von 2.151 im September auf 1.797 im November zurück. Sie sind noch jung und viele Firmen geben sich alle Mühe, auch die jungen Leute mit schlechten Zeugnissen doch noch irgendwie auszubilden. Denn dass der Leipziger Arbeitsmarkt so hungrig ist, liegt vor allem daran, dass er sich nach dem absoluten Tief Mitte der 1990er Jahre ab 2007, durch die Finanzkrise verzögert dann ab 2010 endlich normalisiert hat. Es ist ein Arbeitsmarkt geworden, wie ihn die Region braucht – noch ohne die großen Tanker, die noch einmal richtig Rambazamba machen. Aber mit einem Grundproblem, das in dieser Weise die gesamte Bundesrepublik hat. Der Osten hat es nur verschärft, weil in den 1990er Jahren gerade die jungen Leute zu Hunderttausenden in den Westen gingen und dort ihre Berufs- und Familienkarrieren begannen. Logische Folge: Im Osten hat sich die Geburtenrate halbiert.

Und diese halbierten Jahrgänge kommen jetzt in der Wirtschaft an. Oder kommen nicht an, weil 10 bis 14 Prozent ja bekanntlich ohne Schulabschluss aufschlagen und in der Regel noch jahrelange Schleifen ziehen müssen, um endlich ausbildungsfähig zu werden. Fast die Hälfte schafft es nicht. Das ist ein selbstverschuldetes Dilemma: Sämtliche Wirtschaftskammern haben gemahnt – spätestens seit 2008 – die sächsische Politik hat nicht reagiert.

Was dann möglicherweise heißt: Irgendwo bei 7 Prozent trifft der Leipziger Arbeitsmarkt auf eine Gummiwand, bleiben nur noch Leute übrig, die nicht können und nicht mehr wollen, demotiviert schon in der Schule und gründlich auf “Null Bock”.

Die Kluft zwischen den gesuchten Arbeitskräften und den verfügbaren wird also weiter aufklaffen.

Da wird nur eines bleiben, auch wenn die konservativen “Denkfabriken” der Republik – ifo-Chef Hans-Werner Sinn natürlich vorneweg – Kraft ihrer Wassersuppe überall verlautbaren, unter den Flüchtlingen wäre kaum Nachwuchs für die qualifizierten Jobs in der Bundesrepublik zu finden. Natürlich nicht. Dieser Nachwuchs muss ausgebildet werden. Das Land, das sie ausbildet und qualifiziert, tut sich doppelt Gutes.

Bislang verlassen sich die Allmächtigen darauf, dass die Migranten einfach selber Firmen gründen und sich selbst mit Jobs versorgen. Das wird der heimischen Wirtschaft nur bedingt helfen. Auch wenn sie es tun, denn Viele dieser Ankömmlinge haben mehr Unternehmergeist als die bräsigen alten Herren im Land.

Die Zahl der arbeitslos gemeldeten ausländischen Menschen ist im zurückliegenden Monat leicht um – 3 auf 3.332 zurückgegangen und im Vergleich zum Vorjahr um 424 gestiegen. Dazu noch der Vergleich zum September: Da ist diese Zahl um 85 gesunken. Es gibt also durchaus Unternehmen, die auch Migranten einstellen. Noch viel zu wenige. Der Bedarf ist da.

Beim Zugang an offenen Arbeitsstellen verzeichnete die Arbeitsagentur Leipzig im November einen starken Anstieg gegenüber dem Vormonat. Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den letzten vier Wochen 2.311 freie Stellen, das waren + 381 mehr als im davor liegenden Monat (1.930) und + 492 mehr als vor einem Jahr, zur Besetzung gemeldet.

“Der Zugang an freien Stellen ist sehr viel höher als vor einem Jahr. Das ist ein positives Zeichen für breites Wachstum und auch für ein gestiegenes Vertrauen in unsere Dienstleistung. Das Weihnachtsgeschäft brachte noch zusätzlichen Schwung in das Angebot“, meint Willems dazu. Aber das ist eben nur der oberflächliche Teil der Wahrheit. Der tragende Teil ist der nun seit 2010 spürbar wachsende Gesamtbedarf einer stabilisierten Wirtschaftslandschaft, die mit einer zu geringen Zahl von Ausbildungsfähigen konfrontiert ist.

Das hat dann zwar den Effekt, dass der Stock der Langzeitarbeitslosen nicht weiter wächst. Aber die Zahl der im Jobcenter Betreuten schmilzt nur langsam ab, viel zu langsam für das, was wirtschaftlich eigentlich geschieht. Noch immer gab es im November 40.881 Bedarfsgemeinschaften in Leipzig, in denen 68.955 Leistungsempfänger versammelt waren, 60 Bedarfsgemeinschaften weniger als im Oktober. Denn obwohl der Beschäftigungsaufbau in Leipzig weitergeht, kommen die neuen Jobs den langzeitig Betroffenen so gut wie nicht zugute, denn natürlich nehmen die Unternehmen lieber die frisch nach Leipzig Zugewanderten – jung zumeist, gut ausgebildet, flexibel. Was will man mehr? Dumm nur, dass so den ländlichen Räumen gleich doppelt die Basis entzogen wird – die wirtschaftliche und die der jungen Bevölkerung.

Da braut sich was zusammen und würde eigentlich echte politische Lösungen auch für eine echte Einwanderung nach Deutschland brauchen.

Doch noch immer tun lernunfähige Politiker so, als könnten sie den Wohlstand des Landes mit Mauern verteidigen. Dafür kann es nur “Rote Karten” geben. Das ist Foul-Spiel an der Zukunft des Landes.

Dass vor diesem Hintergrund der ausdünnenden Reserven die Arbeitslosenzahlen weiter sinken werden, ist eigentlich zwangsläufig.

Auch wenn es Reinhilde Willems noch einmal dezemberlich verpackt: “Wie sich in den nächsten vier Wochen die Arbeitslosenzahlen entwickeln hängt nicht zuletzt vom Wintereinbruch, aber auch von anderen Einflussfaktoren, ab. Insgesamt ist der Leipziger Arbeitsmarkt robust und deshalb bin ich zuversichtlich.”

Robust?

Robust ist wahrscheinlich das falsche Wort.

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