Darf man von gewählten Abgeordneten eigentlich ein bisschen Vernunft erwarten? Mehr Verständnis für Sachzusammenhänge? Mehr Bereitschaft zu lernen? Darf man wohl. Bekommt man in der Regel aber nicht. Am Freitag, 4. Dezember, stimmte der Bundestag über den Syrien-Einsatz von 1.200 deutschen Soldaten ab. Mit einer Mehrheit von 445 zu 145 Stimmen dafür.

CDU und CSU standen (bis auf drei Abgeordnete) komplett hinter dem Beschluss, die SPD so ziemlich mehrheitlich, nur Grüne und Linke stimmten mehrheitlich dagegen.

Auf Abgeordnetenwatch stellte “Matze” am 5. Dezember dazu die richtige Frage: “Wie kann man nur auf die Idee kommen, die nicht enden wollende Erfolgsgeschichte den mühsam hochgezüchteten Terror mit Bombenangriffen auf irgendwelche Länder und Standorte zu beantworten, in Frage zu stellen? – Wo kämen wir hin, wenn man Ursachen bekämpfen würde? Am Ende wäre irrationale Paranoia und gepflegtes Feindbild kein Ratgeber mehr…. So was geht ja gar nicht!”

Wie gesagt: Darf man von Abgeordneten erwarten, dass sie aus den vergangen 14 Jahren “Krieg gegen den Terror” etwas gelernt haben?

Darf man.

Die Grünen haben mit 84 Prozent mehrheitlich dagegen gestimmt – drei Grüne haben dafür gestimmt. Aber auch die beiden sächsischen Abgeordneten Monika Lazar und Stephan Kühn haben dagegen gestimmt.

Übrigens kamen die beiden Dagegen-Stimmen bei der CDU aus Ostdeutschland, wenn auch nicht aus Sachsen. Einige sächsische Abgeordnete der CDU haben sich lieber nicht an dieser Abstimmung beteiligt – dazu gehört übrigens auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière, aber auch der Leipziger Thomas Feist. Dafür hat der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer genauso zugestimmt wie die Leipziger Abgeordnete Bettina Kudla.

Und wie sieht es bei der SPD aus?

Thomas Jurk, der ehemalige sächsische Wirtschaftsminister, hat dagegen gestimmt. Die Leipzigerin Daniele Kolbe, nunmehr Generalsekretärin der sächsischen SPD, hat hingegen zugestimmt.

Nachhaltig ist das nicht. Kriege sind nie nachhaltig – außer in der Destruktion.

Schon 2003 bemängelten führende Politologen, dass der westlichen Staatengemeinschaft augenscheinlich eine Fähigkeit komplett abgeht: Sie beherrschen das Statebuilding nicht. Das stand damals nicht auf der Agenda, weil die neoliberale Schule bis heute glaubt, man müsste Staatswirtschaften einfach privatisieren und Diktatoren stürzen, dann werden aus Bösewichtern ganz zwangsläufig demokratische Staaten. Deswegen entsandte man ja auch einen knallharten Ökonomen wie Paul Bremer als Zivilverwalter in den Irak. Das Ergebnis waren eine kaum mehr handlungsfähige irakische Regierung und ein gespaltenes Land.

Das war dann der Humus, auf dem der IS wachsen konnte.

Und die Frage ist tatsächlich: An wessen Seite zieht Deutschland eigentlich in diesen Krieg? An der Seite der Franzosen? Klar. Aber an wessen Seite finden die sich wieder? An der der Türkei, die im Nordirak und Nordsyrien ihr eigenes Süppchen kocht und lieber Kurden bombardiert als den lästigen IS? Wobei ja die Behauptung Putins im Raum steht, die Türkei treibe so ihren kleinen Handel mit dem IS. Aber Putins Russen bomben ja an Seite des syrischen Diktators Assad. Aber auch sie scheinen lieber Kurden und andere bewaffnete und unbewaffnete Gruppen in Syrien zu bombardieren als ausgerechnet den IS.

Und jetzt redet selbst der US-Außenminister Kerry laut davon, man müsste an der Seite von Assads Truppen in diesen Krieg ziehen.

Da scheinen mittlerweile eine ganze Menge maßgeblicher Politiker die Übersicht verloren zu haben. Auch zu den Beistandserklärungen innerhalb der Nato. Dass der französische Präsident von seinem Job heillos überfordert ist, hat sich ja herumgesprochen. Die Karrieren der französischen Spitzenpolitiker haben mit echter politischer Ausbildung und Staatskunst nichts zu tun. Und ein Attentat in Paris ist nun einmal kein kriegerischer Angriff auf Frankreich, auch wenn ein paar adrenalinberauschte Männer es dazu erklären. Aber sie haben das Angebot des IS dankbar angenommen, es so zu verstehen. Sie spielen leidenschaftlich gern Krieg und ihre Freunde aus den Rüstungskonzernen freuen sich. Denn Krieg ist ihr Geschäftsmodell, wie der US-Journalist James Risen schon im September im “Spiegel” feststellte.

Liste der Lobbyisten

Und da ist man dann auch ruckzuck bei der Liste von Lobbyisten, die Hausausweise für den Bundestag bekommen haben, mehrheitlich, wie wir ja nun wissen, nachdem der “Tagesspiegel” auf die Veröffentlichung der Namen geklagt hatte, bei CDU und CSU.

Und da kann man sie durchgehen und findet im Grunde alle, die bei einer deutschen Kriegsbeteiligung Hoffnung auf gute Geschäfte haben dürften. Es geht immer um Geld. Um Steuergeld.

Das geht mit der Airbus Group los, geht beim Arbeitskreis der Betriebsräte in der Wehrtechnik, Luft- und Raumfahrt (WLR) weiter, beim Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V. (BDLI) und beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), hört bei Eurocopter Deutschland nicht auf und auch nicht bei Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG, und das sind nur die Namen, die sofort ins Auge fallen. Viele dieser Seilschaften laufen über Stiftungen, Beratungsgesellschaften diverser Consulting-Büros, deren Vertretern man nicht gleich ansieht, dass sie eigentlich Maschinengewehre, Radarsysteme, Uniformen oder Ausrüstungsteile verkaufen wollen.

Es ist die undurchdachteste Entscheidung für einen Militäreinsatz, die der deutsche Bundestag bislang beschlossen hat. Und der in Afghanistan galt bislang als Spitzenergebnis einer undurchdachten Entscheidung.

“Die Regierungsfraktionen argumentierten, dass zum einen der Beistand zu Frankreich, insbesondere nach den Terroranschlägen in Paris, unabdingbar sei, zum anderen der IS nicht allein mit politischen Mitteln besiegt werden könne”, erläutert Abgeordnetenwatch zu dieser seltsamen Entscheidung.

Und dann rauschen alle in einen Krieg, für den es keine klare Strategie, keine klaren Bündnispartner und keinen Plan für danach gibt? Das hat mit verantwortlicher Entscheidung nicht mehr viel zu tun. So werden die großen Industrienationen tatsächlich zum Spielball einer Politik, die im syrischen Wüstensand gemacht wird und bei der sie nicht einmal wissen, welche Rolle die Regierungen der angrenzenden Staaten spielen.

Dass die 134 Millionen Euro, die die Bundesregierung als Kosten für diesen Einsatz annimmt, wahrscheinlich viel zu niedrig angesetzt werden, kann man nur vermuten. Bei Kriegsspielen kommt schnell ein bisschen was zusammen, wenn das Material beansprucht wird und man merkt, dass einige Einsätze doch etwas brisanter werden als gedacht.

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