Eine 12,1 Prozent steht da. Leipzigs Leerstandsquote, wie sie beim Zensus 2011 herauskam. Wäre das wirklich die offizielle Leerstandsquote der Stadt, man könnte die jüngste Auswertung aus dem Leipziger Zentrum für Umweltforschung (UFZ) einfach übernehmen, ein bisschen über Quoten philosophieren und sich freuen, dass in Leipzig noch so viel Platz ist. Ist aber nicht.

Schon 2011 waren die Zahlen zwiespältig. Zwar wurde der Wohnungsbestand im Zensus 2011 in den Großstädten wesentlich genauer erfasst als die Bevölkerungszahl. Aber ein Großteil der damals erfassten Wohnungen war gar nicht marktfähig, ist zum Teil bis heute in einem unsanierten und nicht vermietbaren Zustand. Und dazu kommt, dass das Bevölkerungswachstum in Leipzig seit 2011 erst recht angezogen hat.

Das Ergebnis in Zahlen: Im Quartalsbericht II/2015 veröffentlichten Leipzigs Statistiker eine aktualisierte Schätzung für den Wohnungsleerstand in der Stadt. Danach waren per 31. Dezember 2014 in Leipzig insgesamt noch 21.400 Wohnungen leerstehend. Beim Zensus 2011 war man noch auf eine Zahl von 39.985 gekommen, was dann die erwähnten 12,1 Prozent Leerstandsquote ergab.

2014 wurden insgesamt 331.748 Wohnungen gezählt. Was dann eine Leerstandsquote von 6,5 Prozent für Leipzig ergab. Binnen drei Jahren hat sich die Leipziger Leerstandsquote also fast halbiert.

Das muss vorweg geschickt werden, denn in der jetzt vorgelegten Auswertung des UfZ wird mit den Zahlen von 2011 gearbeitet.

Aber gerade die Entwicklung seitdem hat ja die Diskussion um die Leerstandsquote befeuert. Das haben auch die UfZ-Forscher so mitbekommen. Die Quote spielt in wohnungspolitischen und städtebaulichen Debatten sowie Entscheidungen eine Rolle. Doch die Geister scheiden sich, wenn es um die Einschätzung der Quote geht. Wo die einen schon bei 5 Prozent beginnen, Alarm zu schlagen, weil der Wohnraum knapp wird (und in einigen Marktsegmenten wird er in dieser Größenordnung tatsächlich schon knapp), tun Verantwortliche dann gern so, als hätte das Thema noch keine Eile und spielen bei Beschlüssen auf Zeit.

Auch in Leipzig.

Aber was ist nun eine angemessene Quote, fragten sich deshalb die UfZ-Forscher.

Bisher wurde diese Quote kaum klar definiert und oft je nach Perspektive bewertet. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) schlagen deshalb eine systematische Kategorisierung des Wohnungsleerstandes vor und plädieren angesichts seiner Schlüsselrolle in Wohnungspolitik und Städtebau dringend für dessen weitere Qualifizierung und Diskussion.

In Deutschland standen am 9. Mai 2011 insgesamt 1.720.083 Wohneinheiten leer, was einer Leerstandsquote von 4,4 Prozent entsprach. Das zeigen die Daten der bislang einzigen Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ), die in ganz  Deutschland nach der Wiedervereinigung stattfand. Doch was sagt diese Zahl aus – wie ist sie zu bewerten?

“Obwohl die Quote leerstehender Wohnungen für beide Seiten – angespannte und entspannte Wohnungsmärkte – ein höchst relevantes Thema ist, wird die ‘angemessene’ oder ‘normale’ Leerstandsquote ganz unterschiedlich bemessen”, erklärt dazu Professor Dieter Rink, Stadtsoziologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Als Anzeiger für einen funktionierenden Wohnungsmarkt werde zwar häufig auf eine “normale” Leerstandsquote verwiesen. In der Regel bleibe jedoch unklar, was das ist: Ist etwa ein Leerstand von 6 Prozent als moderat, problematisch oder gar schon krisenhaft zu bewerten?

“Das hängt von der Perspektive ab”, sagt Dieter Rink. Für Wohnungssuchende sei er nicht problematisch – im Gegenteil, sie können sich über eine breite Auswahl und fallende Miet- und Hauspreise freuen. Für Eigentümer bzw. Immobilien- und Wohnungsunternehmen sehe das ganz anders aus, denn sie haben Probleme bei der Vermarktung.

Zumindest, wenn die Quote wächst. Wenn sie aber fällt, sieht es schon ganz anders aus. Und eine wesentliche Frage ist natürlich auch: Können die leeren Wohnungen überhaupt vermietet werden?

Die Definitionen und damit Bezugsgrößen von “Leerstand” sind verschieden. So betrachtet die Immobilienwirtschaft beispielsweise meist nur die sogenannten “marktaktiven” Leerstände, sprich, leere Wohnungen, die auch vermietet werden können. Daher kommt sie meist zu niedrigen Quoten. Für die Stadtplanung ist dagegen die Gesamtheit der leerstehenden Wohnungen entscheidend, inklusive der nicht-marktaktiven Bestände, die saniert oder modernisiert werden müssen oder gar ruinös sind.

Ursache dieses unterschiedlichen Verständnisses und der unterschiedlichen Bewertung der Leerstandsquote ist, dass sie “trotz ihrer Bedeutung ein bislang nicht systematisch untersuchter Indikator für die Stadtplanung ist”, so Rink.

Er hat deshalb gemeinsam mit seinem Kollegen Manuel Wolff eine Systematik entwickelt, die Leerstand quantitativ und qualitativ bewertet – auch unter Berücksichtigung der verschiedenen Perspektiven. Sie schlagen eine Kategorisierung in sieben Klassen vor, in der die einzelnen Leerstandsquoten in ihren Konsequenzen für alle Interessenslagen genau beschrieben werden. Sie reichen von “sehr niedrig” (unter 2 Prozent) bis “extrem” (über 15 Prozent). Als “angemessen” wird Leerstand in der Spanne von 3 bis 5 Prozent betrachtet.

Diese Leerstandsquoten müssen dann im konkreten Fall weiter spezifiziert werden.

“Beispielsweise muss berücksichtigt werden, ob es sich um Mietwohnungs- oder Eigentumsmärkte, ländliche, (groß)städtische oder metropolitane Märkte bzw. schrumpfende oder wachsende Märkte handelt”, betont Rink. Außerdem legen die Wissenschaftler der Schematik eine umfassende Definition leerstehender Wohnungen zugrunde, die marktaktive und nicht-marktaktive Wohnungen einbezieht.

Angewendet haben die Wissenschaftler ihre Methode dann freilich auf die Daten der bislang einzigen flächendeckenden Gebäude- und Wohnungszählung von 2011, deren Daten seit Sommer 2014 zugänglich sind und in dieser Studie nun erstmals hinsichtlich des Leerstands systematisch ausgewertet wurden.

“In etwa 35 Prozent der deutschen Kommunen steht mit 4,4  Prozent zwar eine ‘angemessene’ Zahl an Wohnungen leer, jedoch mit erheblichen regionalen Unterschieden. Erwartungsgemäß zeigt sich ein klarer Ost-West-Unterschied, allerdings mit Differenzierungen. So bewegt sich der westdeutsche Durchschnittswert mit 3,3 Prozent knapp über einer ‘niedrigen’ Leerstandsquote, der Durchschnitt für Ostdeutschland zeigt dagegen mit 7,6 Prozent eine ‘hohe’ Leerstandsquote an; knapp zwei Prozent Leerstand in Hamburg stehen mehr als 12 Prozent in Leipzig gegenüber”, kommentieren die beiden Forscher die Zahlen.

Alles Zahlen, die eben schon drei Jahre alt sind. Die Halbierung der Leipziger Leerstandsquote sollte auch die Forscher zumindest aufmerksamer werden lassen.

Die Leerstandsquoten in Sachsen und Sachsen-Anhalt sind eher ein städtisches Problem; in Thüringen und Brandenburg sind sie weniger flächendeckend und eher ländlich konnotiert, kommentieren die Forscher ihre Karte. Ähnliches träfe für Hessen und Baden-Württemberg zu.

Leerstandsquoten in deutschen Gemeinden 2011. Foto: UFZ (Datengrundlage: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2014c)
Leerstandsquoten in deutschen Gemeinden 2011. Foto: UFZ (Datengrundlage: Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2014c)

Die Varianz der kommunalen Leerstandsquoten, die die Studie offenbart, sei ein Beleg für die divergierende Entwicklung des deutschen Wohnungsmarktes: Leerstand und Knappheit  existieren räumlich und zeitlich nebeneinander. Aus den Leerstandquoten können laut Aussage der Wissenschaftler insofern keine flächenhaften Generalisierungen beziehungsweise vereinfachenden Aussagen für die Wohnungs- und Stadterneuerungspolitik abgeleitet werden.

Die sieben vorgeschlagenen Kategorien des Leerstands würden dann freilich eine sinnvolle Differenzierung der Leerstände auf kommunaler Ebene ermöglichen, denn sie böten der Praxis Kriterien, um Leerstandsquoten bewerten zu können. Angesichts der Schlüsselrolle, die der Leerstandsquote in der Praxis des Städtebaus und der Wohnungspolitik zukomme, plädieren die Wissenschaftler jedoch dringend für eine weitere Diskussion und Qualifizierung.

Zwischenfazit zumindest für den Dezember 2014: Mit 6,5 Prozent lag Leipzig im mittleren Bereich der durchschnittlichen Leerstandsquoten und befindet sich augenblicklich auf dem Weg hin zu niedrigen Leerstandsquoten, wie sie eher für Westdeutschland typisch sind.

Publikation: Dieter Rink, Manuel Wolff: Wohnungsleerstand in Deutschland. Zur Konzeptualisierung der Leerstandsquote als Schlüsselindikator der Wohnungsmarktbeobachtung anhand der GWZ 2011. Raumforschung, Raumordnung 73:311-325. DOI 10.1007/s13147-015-0361-8

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Es gibt 3 Kommentare

Ich war auf der Immobilienmesse, die hätten sich das sparen können, es gibt kaum noch Wohnungen zu kaufen und die Neubauten kosten ca. 3000 € pro qm, was eigentlich unverschämt ist. Und bezahlbaren Wohnraum gibt es auch fast nicht mehr.

Eine pauschale Quote über alle Wohnungsgrößen hinweg sagt zudem wenig über die tatsächliche Knappheit von Wohnraum aus. Wenn z. B. in einer Stadt 10% der Wohnungen leer stehen, davon aber 50% Einraumwohnungen sind, die Mehrzahl der Wohnungssuchenden aber Familien mit Kindern sind, hat man in Wahrheit eine praktische Leerstandsquote, die näher bei 5% liegt…

Und trieb man sich zB. auf der “Haus & Grund” herum, konnte man von Seiten der Makler erfahren, dass lediglich noch 7% in Leipzig zur Vermietung stehen.
http://www.immobilienmesse-leipzig.de/
Und sucht man wirklich eine Wohnung die auch noch halbwegs passen und bezahlbar sein soll, glaubt man die Stadt sei überhaupt total überbevölkert.
Blümchen an die Milchmädchen 😉

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