Es klingt wie eine Hiobsbotschaft: "Im zweiten Quartal 2015 erstmals seit 2010 rückläufige Erwerbstätigenzahl in Sachsen gegenüber Vorjahr". So titelte das Sächsische Landesamt für Statistik am 22. Oktober. "Um 0,3 Prozent bzw. knapp 6.000 Personen verringerte sich die Zahl der Erwerbstätigen in Sachsen im zweiten Quartal des Jahres 2015 im Vergleich zum Vorjahresquartal."

Und das nach dem langen und so wichtigen Aufbau von Erwerbstätigkeit in Sachsen? Was ist da passiert? Etwas nicht ganz Unwichtiges. Und das benennen die Statistiker dann auch gleich im nächsten Satz: “Damit gab es erstmals seit dem zweiten Quartal 2010 einen Rückgang im Vorjahresvergleich. Aktuell stand in Sachsen einem deutlichen Anstieg  der Arbeitnehmer ohne marginal Beschäftigte ein sehr starker Abbau bei der marginalen Beschäftigung gegenüber.”

Und das hat seine klaren Ursachen eindeutig in der Einführung des Mindestlohns am 1. Januar 2015. Und die Statistik zeigt, dass es eben nicht nur das Hotel- und Gaststättengewerbe war, wo der Mindestlohn auf einmal das Gefüge veränderte. Der Rückgang im Baugewerbe und im Bereich “Grundstücks- und Wohnungswesen, Finanz- und Unternehmensdienstleister” zeigt, dass auch hier augenscheinlich ein gut Teil Arbeitskräfte für eher schlechte Bezahlung in Lohn und Brot waren. Nur haben die dortigen Branchenverbände nicht so viel Aufhebens darum gemacht wie die Hoteliers und Gaststättenbetreiber, denn in beiden Bereichen war eine derart schlechte Bezahlung in den letzten Jahren nicht mehr gerechtfertigt. Einige Firmen haben aber augenscheinlich doch lieber weiter grenzwertig bezahlt, als die Ergebnisse des seit 2010 anhaltenden Aufschwungs an die Beschäftigten weiterzugeben.

Augenscheinlich haben dann eben doch viele Unternehmen ab Januar auf den Mindestlohn reagiert. Was eben auch bedeutet, dass reihenweise marginale Jobs, mit denen zuvor eine ziemliche Menge Billigpersonal beschäftigt wurde, gestrichen wurden.

Überlagert wird das Ganze natürlich auch durch einen anderen Effekt, den die Statistiker aus Kamenz so beschreiben: “Außerdem ging die Zahl der Selbstständigen und hier insbesondere die Zahl der Selbstständigen ohne Beschäftigte zurück.”

Was mit dem nun ebenfalls seit 2010 spürbar zunehmenden Fachkräftemangel zu tun hat. Denn den befriedigen viele Unternehmen längst damit, dass sie viele Leute, die sich seit 2005 mit einer Selbstständigmachung versucht haben über die Runden zu bringen, zurückholen in die Unternehmen. Immerhin sind das alles gut ausgebildete und fleißige Leute. Was dann die Zahl der Selbstständigen und der Kleinunternehmen logischerweise sinken lässt. Und auch die zuvor marginal Beschäftigten verschwinden nicht unbedingt in die Arbeitslosigkeit. Denn viele dieser prekären Jobs hatten dieselben fachlichen und zeitlichen Anforderungen wie sie Festangestellte haben. Aus vielen marginalen Beschäftigungen (unter anderem auch in der Gastronomie) sind so im ersten Halbjahr feste Anstellungen geworden.

Die Frage ist durchaus: Hält dieser Trend jetzt an und führt nach 25 Jahren endlich dahin, dass das Gesamtlohnniveau in Sachsen spürbar steigt?

In einigen Branchen ist das schon so. Das sind auch jene Branchen, in denen auch im 1. Halbjahr 2015 der Beschäftigungsaufbau weiterging. Die Statistiker dazu: “Die Entwicklung der Erwerbstätigkeit in den einzelnen Branchen verlief recht unterschiedlich. Das Produzierende Gewerbe blieb mit einem geringen Zuwachs um 0,2 Prozent im positiven Bereich. Hier stand einem Plus im Verarbeitenden Gewerbe um 1,4 Prozent eine Einbuße von Erwerbstätigen im Baugewerbe um 1,9 Prozent gegenüber. Rückgänge waren bei der Zahl der Arbeitsplätze in der Land- und  Forstwirtschaft, Fischerei (- 2,2 Prozent) sowie im Dienstleistungsbereich (-0,4 Prozent) festzustellen.  Innerhalb des Dienstleistungssektors wurde die aktuelle Entwicklung im Vergleich zum Vorjahresquartal von dem Rückgang im Bereich Grundstücks- und  Wohnungswesen, Finanz- und Unternehmensdienstleister in Höhe von 1,3 Prozent geprägt.”

Die Unternehmensdienstleister – das sind vor allem die Zeitarbeitsfirmen, die ebenfalls Personal verlieren, weil einige Unternehmen die Leute eben doch lieber fest an sich binden.

Und der Blick aufs große Ganze zeigt, wie sehr die Einführung des Mindestlohns und die Umwandlung der nun seit Jahren als Allheilmittel gepriesenen marginalen Beschäftigungen in Vollzeitjobs ein Thema der ostdeutschen Länder ist: “Deutschlandweit wuchs die Erwerbstätigenzahl im zweiten Quartal 2015 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 0,4 Prozent. Dabei erhöhte sich die Zahl der Erwerbstätigen in den alten Ländern um 0,5 Prozent. Im Gegensatz dazu war in den neuen Ländern ohne Berlin ein Rückgang um 0,5 Prozent zu verzeichnen.”

Und man darf dabei auch nicht vergessen, dass die Schere zwischen starken Alterskohorten, die jetzt in Ruhestand gehen, und quasi halbierten Kohorten von Berufseinsteigern seit 2010 aufgeklafft ist. Das heißt: Auch das Heer der Menschen, die überhaupt noch bereit sind, für ein kleines Geld jeden verfügbaren Minijob auszuüben, schmilzt, während die Unternehmen alles dafür tun, die ausbildungsfähigen jungen Leute an ihr Unternehmen zu binden.

Die Mitteilung aus dem Landesamt für Statistik.

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