Da hat der Hotel- und Gaststättenverband e.V. (DEHOGA Sachsen) am 7. Oktober aber auf der ganz großen Pauke getrommelt, als er das Ergebnis einer Kurzstudie mit dem Titel in die Welt schickte: "Sachsens Gastgewerbe verzweifelt am Mindestlohn". Dabei bedient selbst die Kurzstudie diese reißerische Überschrift nicht.
Seit Beginn dieses Jahres gilt in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. “Bereits im Vorfeld der Einführung wurde heftig über Vor- und Nachteile der Regelung diskutiert. Auch nach den ersten Monaten mit dem Mindestlohn sind sich insbesondere Arbeitgeber und Politik nicht einig: Ist der Mindestlohn Fluch oder Segen? Welche Auswirkungen hat die Regelung auf die einzelnen Branchen?”, fragt der DEHOGA.
Mit einer umfangreichen Studie versuchte der DEHOGA Sachsen nun in Zusammenarbeit mit der SRH Hochschule Berlin am Campus Dresden diese Frage für das Gastgewerbe in Sachsen zu beantworten.
“In gewisser Weise sind uns die Folgen des Mindestlohns für die einzelnen Branchen und Betriebe nahezu unbekannt. Die Auswirkungen werden zwar in Teilen thematisiert, allerdings gilt das meist nur für einzelne Betriebe. Was bisher jedoch gefehlt hat, waren Vergleiche oder Studien, die so breit angelegt sind, dass man eine erste Bilanz ziehen kann“, erklärt Helmut Apitzsch, Präsident des DEHOGA Sachsen, den Hintergrund der Studie.
In Zusammenarbeit mit dem Campus Dresden der SRH Hochschule Berlin hat man deshalb im Frühjahr eine Studie angestoßen, die ein besseres Bild der Auswirkungen des Mindestlohns auf die sächsischen Hotel- und Gaststättenbetriebe zeigen soll. Im Mittelpunkt der Studie stehen die Fragen nach den konkreten Folgen des Mindestlohns für die Betriebe, aber auch welche der Unternehmen eher betroffen sind als andere. Ein weiteres Augenmerk liegt außerdem auf der Frage nach möglichen Anpassungsmaßnahmen, die die Betriebe ergriffen haben.
Bei der Erstellung der Fragebögen sowie der Erhebung der Daten sind Studierende des Studiengangs „Internationales Hotelmanagement“ an der SRH Hotel-Akademie Dresden intensiv eingebunden worden. Zwischen Mai und Juni haben sie rund 1.300 Betriebe in ganz Sachsen telefonisch und per Mail befragt. Antworten gab es von 17,2 % aller befragten Unternehmen. Eine Größe, die der DEHOGA als repräsentativ einschätzt. Aber die Zahl 17,2 % trügt, wenn die Branche fast 2.200 Beherbergungsunternehmen und rund 6.000 Gastronomiebetriebe umfasst. Dann sind 262 teilnehmende Unternehmen nicht repräsentativ.
Und das Ergebnis ist – wie eigentlich zu erwarten war – ein durchmischtes. Denn nicht alle Hotels und Gaststätten sind gleichermaßen betroffen. In einigen sächsischen Regionen konnten die höheren Kosten durch den Mindestlohn problemlos auf die Preise umgeschlagen werden. Was eigentlich vorher schon klar war: Wer wirklich ein tragfähiges Geschäft unterhalten will, muss in der Lage sein, auch genug Umsatz für anständige Löhne zu erwirtschaften.
Das ist nicht in jeder Region und in jeder Branche gleichermaßen möglich. Aber mitten in den Zentren des sächsischen Tourismus – und das sind nun einmal die beiden Großstädte Dresden und Leipzig – ist das sehr wohl möglich.
Nach der DEHOGA-Kurzstudie haben die Ballungsgebiete wie Dresden und Leipzig weniger Probleme mit den Auswirkungen des Mindestlohns, da in diesen Regionen mehr große Hotelketten angesiedelt sind.
Strukturschwache, ländliche Gebiete abseits der beiden Großstädte hingegen, so die Studie, spüren die Auswirkungen des Mindestlohns deutlicher. In diesen Regionen betreiben vor allem Familienunternehmen kleinere Hotels und Gaststätten mit deutlich geringeren Umsätzen, so der DEHOGA in seiner Auswertung. Bisher haben die Betriebe dieser Regionen die Mehrkosten durch den Mindestlohn mit Preiserhöhungen kompensieren können. Wie die Studie zeige, würden sie in Zukunft jedoch auch zu Personalkürzungen und Angebotsveränderungen greifen müssen, um zu überleben. Außerdem führe die Dokumentationspflicht der Arbeitszeiten in den ländlichen Kleinbetrieben zu kräfteraubenden zeitlichen und personellen Anpassungen. Auch der Umsatz habe sich laut der Hälfte aller Betriebe im Gegensatz zum Vorjahr merklich verschlechtert. Laut der Studie herrsche zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern dennoch nach wie vor Uneinigkeit über die Vor- und Nachteile des Mindestlohns.
Aber was bedeutet die Befragung von 262 Betrieben? Ist das repräsentativ? Nein, ist es nicht. Es ist eher ein kleiner Blitzstrahl in die durchaus unterschiedlichen Gemengelagen in der sächsischen Gastronomie und Hotellerie. Große Hotels können problemlos reguläre Arbeitszeiten für alle Mitarbeiter organisieren. Schon in Gaststätten ändert sich das Bild – die Gäste kommen in der Regel nicht zu festgelegten Zeiten, sondern dann, wenn sie Feierabend haben oder endlich mal Zeit für ein bisschen Feiern. Dem begegneten freilich viele sächsische Restaurants in den vergangenen Jahren auch mit einer drastischen Ausweitung der Öffnungs- und Küchenzeiten. Oft war das aber nur möglich, weil die Bezahlung des Personals entsprechend niedrig war.
Im Ergebnis des Mindestlohns haben 43 Prozent der befragten Betriebe ihre Öffnungszeiten wieder verkürzt. Aus Perspektive des DEHOGA ist das nicht so gut. Aber nicht ohne Grund nennt er auch den durchaus spürbaren Dissenz zwischen Personal und Arbeitgeber, denn wenn sich die verlängerten Öffnungszeiten nicht wirklich rechnen, sind sie auch nicht wirtschaftlich.
Tatsächlich haben Sachsens Gastronomen und Hoteliers mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen reagiert: “Bei der Abfrage der Anpassungsstrategien der Betriebe in Bezug auf die Mindestlohneinführung wurden mehrheitlich Preiserhöhungen (71 % Anteil an allen Betrieben) genannt, gefolgt von der Umgestaltung des Dienstplans (54 %) und veränderten Öffnungszeiten (41 %). Auf den weiteren Plätzen folgen Personalabbau, Angebotsveränderungen wie Veränderung der Speisenkarten, Veränderung der Küchenzeiten, Lieferantenwechsel sowie sonstige Outsourcingmaßnahmen.”
Klingt nach einer kleinen Entlassungswelle. Aber die Leipziger Arbeitsmarktzahlen sprechen eine andere Sprache: Der Beschäftigungsaufbau um Hotel- und Gaststättengewerbe geht weiter. Was dann den von der DEHOGA angesprochenen Unterschied zwischen den boomenden Großstädten und den ländlichen Regionen betrifft, die – im Gegensatz zum Städtetourismus – alle das Problem haben, dass die Gäste fast nur in der Saison kommen. In der Wandersaison zum Beispiel wie in der Sächsischen Schweiz, wo die Gastronomen besondere Probleme haben, das Personal zu finanzieren.
In Leipzig ist der Beschäftigungsaufbau im Gastgewerbe übrigens von einem starken Abbau von Minijobs begleitet, denn die Veränderungen mit dem Mindestlohn kommen zusammen mit der wachsenden Arbeitskräftenachfrage in den Großstädten. Das heißt: Die Gastronomen bekommen ihr Personal auch nicht mehr so einfach wie noch vor Jahren und müssen auch bessere Tarife zahlen, um die guten Leute zu halten.
Es kommt also einiges zusammen, was sich in der Kurzstudie der DEHOGA nur punktuell widerspiegelt. Insofern ist der gewählte Titel “Sachsens Gastgewerbe verzweifelt am Mindestlohn” zwar reißerisch, zieht aber einen Schluss, den die Befragung so nicht zulässt.
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