Im Postkasten der L-IZ sind lange keine merkwürdigen Meldungen zu neuen Rankings und Atlanten gelandet. Aber das hindert ja allerlei Unternehmen und Stiftungen nicht, immer wieder neue zu erstellen. Mit den dubiosesten Ergebnissen. Neuer Kandidat im Reigen der sommerverwirrten Rechner: die Generali-Versicherung. Am Donnerstag, 23. Juli, schockte sie die Leipziger mit der Nachricht: "Leipzig ist bei Dieben am beliebtesten".
Und dann zauderte man auch nicht, so richtig auf den Putz zu hauen: “Städtevergleich: Leipzig, Hannover und Köln sind Deutschlands Einbruchhochburgen / Teuerste Schäden in Düsseldorf, Hamburg und im Saarland / Einbrecher plündern im Bundesländervergleich in den Stadtstaaten mit Abstand am häufigsten”.
„Mithilfe des Generali-Risikoatlas ‚Haus und Wohnen‘ wollen wir Mietern wie auch Hauseigentümern Risiken und mögliche Schäden transparent machen. Genauso wichtig sind aber vorbeugende Schutzmaßnahmen am Haus oder der Wohnung, so dass Diebe erst gar keine Chance haben einzubrechen“, erläutert Roland Stoffels, Vorsitzender der Geschäftsführung der Generali Deutschland Schadenmanagement zu dem dubiosen Generali-Risikoatlas, den das Unternehmen am Donnerstag veröffentlichte. Um dann die Versicherten und die Noch-nicht-Versicherten so richtig in Angst und Schrecken zu versetzen: “In Großstädten sind Einbrecher doppelt so häufig aktiv wie im bundesweiten Vergleich. Besonders oft trifft es die Leipziger. In der sächsischen Großstadt gibt es mehr als doppelt so viele Einbrüche (18,3%) wie im Städte-Durchschnitt (9%). Das ist das Ergebnis des Generali-Risikoatlas ‘Haus und Wohnen’, für den der zweitgrößte Erstversicherer in Deutschland erstmalig 300.000 Schadenmeldungen im Bereich Wohngebäude- und Hausrat-Versicherung ausgewertet hat. Im Süden von Deutschland rücken die Diebe laut Versicherungsstatistik seltener aus. In München, Nürnberg (jeweils 2,9%) und Stuttgart (3%) melden mit Abstand die wenigsten Bewohner einen Einbruch und Diebstahl. Im Vergleich von Deutschlands fünfzehn größten Städten werden innerhalb von zehn Jahren im Durchschnitt doppelt so viele Menschen Opfer von Einbruch und Diebstahl wie im bundesweiten Durchschnitt (4%).”
Fast 19 Prozent der Leipziger Opfer von Einbrüchen? Leipzig nun auch noch die Einbrecherhauptstadt Deutschlands?
Witz komm raus. Selbst die durchaus parteiische Meldung eines Portals wie alarmanlage.de ist verlässlicher. Der Grund ist ganz simpel: alarmanlage.de nutzt die offizielle Polizeistatistik – Generali nutzt nur seine eigenen Versichertenunterlagen. Das geht bei Generali voll in die Hose.
Dass es in Großstädten mehr Wohnungseinbrüche gibt als auf dem flachen Land, ist nicht neu. Aber dieses neue Ost-West-Gefälle, das Generali scheinbar aufmacht mit sechsmal so hohen Einbruchraten in Sachsen wie im reichen Bayern, ist einfach Käse. Und es stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Bei alarmanlagen.de ist es richtig analysiert: “Vergleicht man die Bundesländer miteinander, besteht noch immer ein Nord-Süd-Gefälle. Am sichersten vor Einbrüchen waren die Bürger im Jahr 2013 in Thüringen (1.183) und Bayern (6.385), wobei auch hier jeweils ein Anstieg von mehr als 10 Prozent festzustellen ist. Den höchsten Zuwachs verzeichnet hingegen Baden-Württemberg (11.295). Hier stieg die Zahl der Einbrüche um 31,8 Prozent auf 106,9 Einbrüche pro 100.000 Einwohner. Am schlechtesten schneiden jedoch die Stadtstaaten Hamburg (6.924) und Berlin (11.566) ab. Spitzenreiter ist dabei Bremen (3.439).”
106,9 Einbrüche pro 100.000 Einwohner sind übrigens 0,11 Prozent.
Knapp 3.600 Wohnungseinbrüche wurden 2013 in Sachsen registriert. In ganz Sachsen. Macht auf die Bewohner berechnet einen Wert von 0,09. Wenn man das auf Haushalte umrechnet, kommt man auf 0,15 Prozent.
Wie aber kommt Generali zu seinen Zahlen?
“In der Wohngebäude- und Hausrat-Versicherung hat die Generali Deutschland über 32.000 Einbrüche und Diebstähle aus den Jahren 2012-2014 ausgewertet und das Risiko auf zehn Jahre hochgerechnet. Analysiert wurden der Bestand der Generali Versicherungen und AachenMünchener. Für die entstandenen Schäden erbrachten beide Unternehmen pro Jahr Leistungen in Höhe von über 27 Millionen Euro.”
Beide Unternehmen beherrschen zwar rund 10 Prozent des Versicherungsmarktes. Aber die Unternehmen teilen nicht mal mit, wieviele Versicherte überhaupt prozentual von Wohnungseinbrüchen betroffen waren. 32.000 Wohnungseinbrüche sind ungefähr 10.700 im Jahr, die die Generali zu bearbeiten hatte, bei rund 149.000 Wohnungseinbrüchen (Zahl von 2013) sind das von allen bundesweit vorgekommenen Einbrüchen gerade einmal 7,2 Prozent. Schon bei dieser Zahl würden Statistiker die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.
Es wird aber noch besser, denn was Generali auch nicht verrät, ist die Verteilung seiner Kunden im Bundesgebiet. Wenn man in einem Gebiet besonders viele Kunden hat, ist die Wahrscheinlichkeit, der tatsächlichen Verteilung der Wohnungseinbrüche pronzentual nahe zu kommen, sehr hoch. Hat man sehr wenige, ist die Gefahr von heftigen Abweichungen besonders groß.
Wenn man die 32.000 Einbrüche in drei Jahren herunterbricht auf Leipzig – unter der Annahme, die Kundenverteilung von Generali und Aachener sei im Bundesgebiet gleich – kommt man auf 74 Fälle pro Jahr. An der Stelle hätten ordentliche Statistiker gesagt: Lasst es sein. Dieses Ranking ist Blödsinn. Euch fehlen die Zahlen.
Da muss man nur in die polizeiliche Kriminalstatistik für 2013 und 2014 gucken und sieht: 2013 gab es in Leipzig 1.880 Diebstähle aus Wohnungen, 2014 waren es 2.045. Welche Rolle spielen da die lächerlichen 74 Fälle, die bei der Generali abgewickelt wurden? Wenn es so viele waren. Denn der hohe Wert von 19 Prozent deutet darauf hin, dass Generali in Leipzig noch viel weniger Kunden hat als anderswo.
Tatsächlich bedeuten die 1.880 Fälle im Jahr 2013 eine Quote von 0,6 Prozent aller Haushalte. Nicht einmal jeder 100. Haushalt war betroffen. Was schlimm genug ist, aber weit entfernt von den völlig schrägen Zahlen der Generali.
Und der Versicherer kündigt tatsächlich an, mit dem Blödsinn weitermachen zu wollen: “Der Generali-Risikoatlas ‘Haus und Wohnen’ basiert auf einer Analyse im Bereich der Wohngebäude- und Hausrat-Versicherung. Der erste Teil umfasst Schäden durch Einbruch und Diebstahl. Weitere Auswertungen zu Fahrraddiebstahl, Feuer- und Leitungswasserschäden, Schäden durch Überspannung sowie Großschäden, die die Existenz der Versicherten gefährden können, werden sukzessive veröffentlicht. Analyseergebnisse auf Ortsteilebene zum Thema Einbruch und Diebstahl sind für die Städte Berlin, Hamburg und Köln verfügbar.”
Ortsteilebene? Die Berliner, Hamburger und Kölner werden sich freuen.
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Die Kernaussage des Artikels, dass die Datenbasis des Generali-Atlas zu gering und nicht repräsentativ ist. stimmt sicher. Allerdings bezieht sich die Zahl 18,x% für betroffene Haushalte in Leipzig dort auf 10 Jahre, während die 0,6% der Polizei nur für das Jahr 2013 gelten. Wenn man nicht annimmt, dass immer nur dieselben Haushalte Opfer von Einbrüchen werden, kann man die Generali-Zahl (grob) runterbrechen auf 1,8% pro Jahr. Das ist zwar immer noch das 3fache der Zahl aus der Polizeistatistik, sieht aber nicht mehr ganz so irre aus und liegt u. U. daran, dass das Klientel der Generali keinen repräsentativen Querschnitt Leipzigs darstellt und auch an der zu geringen Größe der “Stichprobe”…
Was fehlt, ist dann die Prüfung der Aussage, dass Leipzig die Einbruchshauptstadt Deutschlands sei, anhand der Polizeistatistiken der anderen Großstädte. Denn selbst wenn die Generali-Zahlen völlig übertrieben sein sollten, gilt das ja evtl. für andere Großstädte auch und die qualitative Aussage an sich muss nicht falsch sein…