Manche Rechnung dauert etwas länger. Auch beim Einkommen. Der einzelne Sachse weiß zwar so ungefähr, was er am Jahresende bekommen hat. Aber bis das zu einer großen Summe fürs Ganze wird, braucht auch der Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ seine Zeit. Um 2,1 Prozent stieg das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in Sachsen 2013 an. Aber was heißt das?

“17.630 Euro Verfügbares Einkommen standen im Jahr 2013 durchschnittlich pro Einwohner in Sachsen für Konsum und Sparen zur Verfügung”, schreiben Sachsens Statistiker dazu. “Dies waren 357 Euro bzw. 2,1 Prozent mehr als im Jahr 2012. Gemessen am bundesdurchschnittlichen Pro-Kopf-Wert in Höhe von 20.478 Euro liegt das sächsische Ergebnis bei 86,1 Prozent bzw. um 2.848 Euro unter dem Bundeswert. Im Vergleich zu 2012 stieg das Pro-Kopf-Einkommen bundesweit um 1,6 Prozent. Dabei war der Anstieg in den fünf neuen Ländern mit 2,2 Prozent höher als in den alten Ländern (ohne Berlin) mit 1,4 Prozent.”

Zwischenfazit trotzdem: Die Angleichung der Einkommen in Ost und West kommt nicht voran. Denn dass die Sachsen (und der Osten insgesamt ebenfalls) scheinbar höhere Anstiege beim Einkommen hatten als der Westen, hatte vor allem damit zu tun, dass die Sozialtransfers stärker gestiegen sind. Bei den Löhnen war’s andersherum, da gab es im Westen deutlich höhere Zuschläge als im Osten.

Und so stellt auch das Statistische Landesamt in Kamenz fest: “Im Jahr 2013 betrug das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in Sachsen 72,7 Milliarden Euro, 1,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Maßgebliche Einflüsse für diese Entwicklung kamen aus dem Anstieg des Primäreinkommens um 1,9 Prozent und aus den um 2,7 Prozent gestiegenen monetären Sozialleistungen.”

Bei Sozialkosten hat Sachsen noch eine Lücke von 6 Milliarden Euro

Während freilich die Lohneinkünfte in Sachsen um 2,5 Prozent stiegen (worüber sich einige Sachsen schon bannig gefreut haben), stiegen die Löhne in Gesamtdeutschland um 2,8 Prozent. Bei den Selbständigeneinkommen war es ähnlich: In Sachsen stiegen sie um 2,6 Prozent, in der gesamten Bundesrepublik aber um 4,3 Prozent.

Und das ist der Punkt, an dem die Sache eigentlich aus dem Gleichgewicht gerät. Denn Sozialleistungen bekommen zwar alle – denn dazu gehören ja auch z. B. Leistungen aus der Krankenkasse. Aber erwirtschaftet werden die Sozialleistungen nur von denjenigen, die auch noch im Erwerbsleben stehen. Sie bezahlen die Sozialleistungen mit den Sozialbeiträgen, die sie monatlich leisten.

Und das mindert natürlich nicht die Einkommen insgesamt, sondern die Einkommen aus Erwerbstätigkeit, auch wenn es dann in der Gesamtrechnung auftaucht.

“Die Zunahme der Nettosozialbeiträge um 2,0 Prozent wirkte sich auf das Verfügbare Einkommen in Sachsen mindernd aus”, schreiben Sachsens Statistiker. Und gehen dann auch noch darauf ein, wie der Osten (und auch Sachsen) weiterhin noch auf Transfers aus dem Westen angewiesen ist: “Im Bundesdurchschnitt stieg das Verfügbare Einkommen um 1,8 Prozent. In den fünf neuen Ländern erhöhte es sich um 1,9 Prozent, in den alten Ländern (ohne Berlin) stieg es um 1,7 Prozent. Eine ostdeutsche Besonderheit zeigt immernoch die Zusammensetzung des Primäreinkommens. Während der Anteil des Arbeitnehmerentgelts 2013 in Sachsen und in den fünf neuen Ländern über 75 Prozent lag, betrug er in den alten Ländern rund 70 Prozent. Ursache dafür sind niedrigere Vermögenseinkommen in den neuen Ländern.”

Wer kaum Vermögen besitzt, kann auch kaum Einkommen daraus beziehen. Was so mancher Vermögende 2013 vielleicht nicht als so diskutabel empfunden haben wird, denn die Niedrigzinspolitik der EU hat die Rendite aus Kapitaleinkünften in den Keller gedrückt. In Sachsen haben die Vermögenseinkünfte 2013 genauso um 1,3 Prozent nachgelassen wie im Westen.

Wobei ebenfalls wichtig ist an dieser Stelle: Der Hohe Anteil an empfangenen Sozialleistungen liegt weniger an den Arbeitslosen und ALG II-Empfängern, als am hohen Rentneranteil der Bevölkerung. Sachsen ist – wie auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich gern betont – in Sachen Überalterung der “Spitzenreiter” in Deutschland.

Was ja bekanntlich nicht Schuld der guten Luft ist, sondern Resultat der massiven Abwanderung junger Menschen in den 1990er Jahren. Die jetzt vielleicht im Promillebereich wieder zurückkommen. Aber das gleicht die Lücke noch nicht aus, die im Bereich der Sozialkosten entsteht. Im Bereich der geleisteten Sozialbeiträge in Höhe von 21,3 Milliarden Euro liegt Sachsen um über 6 Milliarden Euro unter den ausgezahlten monetären Sozialleistungen von 27,8 Milliarden Euro. Auf ganz Ostdeutschland gerechnet liegt die Lücke bei über 15 Milliarden Euro.

Ein Niedriglohnland wird niemals Geberland

Das liegt natürlich daran, dass auch das Lohnniveau in Sachsen (und ganz Ostdeutschland) nach wie vor so niedrig ist, dass die auf die Erwerbseinkünfte gerechneten Sozialbeiträge die Ausgaben nicht decken.

Naja, und bei so einer Konstellation dann auch nur davon zu reden, Sachsen könnte mal ein Geberland werden, ist natürlich mehr als traumtänzerisch. Zum Geberland wird man erst, wenn man seine eigenen Sozialkosten alle selbst erwirtschaftet – und dann auch noch so viel Steuern einnimmt, dass man den eigenen Staat bezahlen kann.

Vielleicht wird’s ja mal, wenn das so weitergeht wie 2013, als die geleisteten Einkommensteuern um 4,4 Prozent stiegen. Bundesweit stiegen die Einkommensteuern übrigens um 5,1 Prozent. Mit 4,4 Prozent lag Sachsen sogar unter dem ostdeutschen Wert von 4,9 Prozent, klares Zeichen dafür, dass das Lohnniveau in vielen Branchen selbst unterm ostdeutschen Lohnniveau liegt.

Mit 17.610 Euro verfügbarem Einkommen lagen die Sachsen zwar vor Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Berlin, aber hinter Brandenburg, das auf 17.889 Euro pro Nase kam. Was ja nicht bedeutet, dass jeder Brandenburger so viel bekam. Wie groß die Kluft zum Westen nach wie vor ist, zeigt der Vergleich mit den westlichen Schlusslichtern Saarland (19.337 Euro), Niedersachsen (19.566 Euro) und Bremen (19.972 Euro).

Und wenn hier einer fragt, warum Berlin hinter Sachsen liegt, dann hängt das wieder am Anteil der älteren Bevölkerung, der in Sachsen auch deutlich größer ist als in Berlin. Denn bei den Primäreinkommen ist Berlin im Osten die unangefochtene Nummer 1. Arm, aber sexy? Sex führt irgendwann dazu, dass ein Bundesland eben nicht mehr arm, sondern kinderreich ist, junge Leute anzieht und auch für junge Unternehmensgründer attraktiv ist. Wenn man’s recht betrachtet, geht seit 2013 im Osten die Post in Berlin ab, nicht in Sachsen.

Die Zahlen aus dem Landesamt für Statistik als PDF.

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