Kommt Leipzigs Arbeitsmarkt wieder in die Gänge, nachdem seit Januar so richtig der Wurm drin war? - Im April zumindest sind die Arbeitslosenzahlen jetzt auch in Leipzig wieder gesunken. Wenn auch in geringerem Maße als im gesamten Freistaat Sachsen. Aber das hat wohl eher nichts mit dem fehlenden Arbeitsplatzangebot in Leipzig zu tun. Im Gegenteil.

Insgesamt waren 28.691 (Vormonat 28.985) Männer und Frauen in der Stadt Leipzig arbeitslos, meldet die Arbeitsagentur Leipzig. Der Rückgang im Vergleich zum März betrug 294 Personen. Im Vergleich zum April des Vorjahres (29.451) ist die Zahl der Arbeitslosen um 760 zurückgegangen.

In allen Altersgruppen ging die Arbeitslosigkeit zurück. Bei den jungen Menschen bis 25 Jahren sank die Zahl der Arbeitslosen von März auf April um 65 auf 2.145 (Vorjahr: 2.210). Bei den Lebensälteren, in der Altersgruppe ab 50 Jahren, sank die Arbeitslosigkeit um 108 auf 8.744 Personen (Vorjahr: 8.890).

Aber trotzdem partizipieren nicht alle von der Entwicklung: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat im zurückliegenden Monat leicht zugenommen. Gegenüber dem Vormonat stieg sie um 48 Personen auf 9.131. Im Vergleich zum April 2014 gab es 387 Langzeitarbeitslose weniger.

Nur verschwinden Langzeitarbeitslose eben in der Regel nicht in eine feste Anstellung. Sie stellen den größten Teil jener “Abgänge aus der Arbeitslosigkeit”, die wieder in “Nichterwerbstätigkeit” verschwinden, also in die Rente.

Tatsächlich zeigt sich der Block derer, die weiter auf Betreuung des Jobcenters angewiesen sind, als recht monolithisch. Während im April 6.255 Menschen im Rechtskreis SGB III (also in direkter Betreuung der Arbeitsagentur) arbeitslos gemeldet waren (235 weniger als im Vormonat und 184 weniger als im April 2014), waren im Rechtskreis SGB II 22.436 Menschen arbeitslos registriert. Das sind 59 weniger als im März dieses Jahres. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sank die Zahl um 576 Personen.

In Leipzig gab es im April dann eben doch wieder 42.352 Bedarfsgemeinschaften. Das sind 129 mehr als im Vormonat und 1.054 weniger als im April des Vorjahres. Das Jobcenter betreut aktuell insgesamt 52.659 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat betrug der Anstieg 95, im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl um 1.281 Personen.

Fast 35.000 Jobs mehr: Beschäftigungsaufbau in Leipzig seit 2009. Grafik: Bundesagentur für Arbeit
Grafik: Bundesagentur für Arbeit

Es ist also gewissermaßen das über 20 Jahre angewachsene Grundfundament der Bedürftigkeit, das hier im Jahr 2015 sichtbar wird und das nicht so recht abschmelzen will, obwohl keine andere Kommune in Sachsen derart viele neue Arbeitsplätze geschaffen hat. Jetzt liegen ja auch die Beschäftigtenzahlen für September 2014 vor.

Von 235.976 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im September 2013 wuchs die Zahl auf 245.678. Davon profitieren augenscheinlich vor allem all die jungen Leute, die nach Leipzig zuziehen. Was eben auch bedeutet, dass sich das Abschmelzen der Arbeitslosigkeit eben nicht direkt in Leipzig zeigt, sondern in den Landkreisen, aus denen die Zuwanderung anhält. Kommt Leipzig im Jahresvergleich nur auf einen kleinen Rückgang der Arbeitslosigkeit um 2,6 Prozent, stehen für den Landkreis Leipzig 7,5 Prozent da und für Nordsachsen 6,8 Prozent. Die Großstadt ist schon längst zur Jobmaschine für die Regionen ringsum geworden.

Und bei den Jobs, die Leipzig bietet, ist eine Menge Flexibilität gefragt. Zumindest für September 2014 gilt: Ein Großteil der industriellen Produktion läuft nicht ohne Zeitarbeit. 17.335 Beschäftigte in Leipzig waren als Leiharbeiter tätig. Das waren deutlich mehr als im Bereich Verkehr und Lagerei (13.837) oder selbst im Baugewerbe (9.970) oder im Gastgewerbe (8.439).

Viele Leiharbeiter sind im Bereich Verarbeitendes Gewerbe tätig, wo nach wie vor eine recht niedrige Zahl – nämlich 24.387 Leipziger – tatsächlich einen festen sv-pflichtigen Arbeitsplatz haben. Die Zahlen lassen zumindest ahnen, wie vorsichtig die Leipziger Unternehmen in ihrer Personalpolitik sind. Ob das so bleibt in Zeiten eines zunehmenden Nachwuchsmangels, muss man sehen. Noch profitieren ja auch die Leipziger Unternehmen vom starken Zuzug in die Stadt. Noch haben sie die Wahl. Die echten Engpässe reißen jetzt in den Landkreisen auf.

Die meisten Vollzeitstellen gibt es in Leipzig übrigens im Dienstleistungsbereich. Allein 45.133 Menschen waren im September im Bereich der wirtschaftlichen Dienstleistungen tätig, 34.326 im immer noch wachsenden Bereich Gesundheits- und Sozialwesen. Die wachsende Großstadt ist unübersehbar eine Dienstleistungsstadt. Und das wirkt sich auch auf das Arbeitsplatzangebot aus.

Wo gibt es die meisten Jobs: Gemeldete Arbeitsstellen im April 2015. Grafik: Bundesagentur für Arbeit
Grafik: Bundesagentur für Arbeit

Von den knapp 4.300 gemeldeten freien Stellen entfallen allein 1.968 auf Angebote von Zeitarbeitsfirmen, die sich in Leipzig für viele Beschäftigte tatsächlich zur eigentlichen Brücke in die Unternehmen entwickelt haben. 778 Stellen gehörten in den Bereich wirtschaftliche Dienstleistungen, 225 ins Gesundheits- und Sozialwesen. Selbst das Gastgewerbe sucht (saisonbedingt) mehr Arbeitskräfte (207) als das Verarbeitende Gewerbe (136).

Ganz am Ende der Suchliste steht der ganze Bereich “Land-, Forst-, Tierwirtschaft, Gartenbau”, der in Sachsen immer marginaler wird. Gärtnereien sind fast völlig aus der Landschaft verschwunden, in der Landwirtschaft dominieren hochtechnisierte Großbetriebe. Und selbst im Vergleich mit der eh schon industrialisierten Landwirtschaft der DDR  ist der Technisierungsprozess noch weiter forciert worden. Kein einziger Wirtschaftsbereich hat eine derart hohe Quote an Arbeitsuchenden. Auf eine freie Stelle gab es im April 29,6 Bewerber. Womit – das sei erwähnt – eben auch viele geringer qualifizierte Arbeitsplätze wegrationalisiert wurden.

Die Zahlen lassen sich noch beeindruckender darstellen: Auf 34 freie Stellen im Agrarbereich gab es 1.004 Arbeitslose.

Eine ähnliche Entwicklung gibt es auch in allen anderen Branchen, die einmal als besonders arbeitsintensiv galten. Und die besseren Chancen, dann eben doch in eine Erwerbstätigkeit zu kommen, haben natürlich die jüngeren Bewerber. Sie haben oft – auch wenn sie die Schule ohne Erfolg abgeschlossen haben – eben doch noch die Kraft und die Zeit, sich trotzdem für einen Beruf zu qualifizieren.

Und Arbeitsagentur und Jobcenter tun alles, um diese jungen Menschen so schnell wie möglich auf eine Laufbahn zu bringen. Denn damit verhindert man zumindest, dass sie zu Dauerkunden des Jobcenters werden. Das klappt nicht bei allen. Aber mit einiger Mühe eben doch bei den meisten.

Bis Ende April waren 1.919 Ausbildungsstellen bei der Arbeitsagentur für das Berufsausbildungsjahr 2014/2015 gemeldet. Dem stehen aktuell 2.006 Bewerberinnen und Bewerber gegenüber, meldet die Arbeitsagentur. Das entspricht einem rechnerischen Verhältnis von nahezu 1:1. „In den kommenden Wochen und Monaten setzen wir alles daran, jedem Jugendlichen ein passendes Ausbildungsangebot zu unterbreiten. Aktuell sind bereits rund 800 junge Menschen in Leipzig mit einer Ausbildungsstelle versorgt. Das sind etwa 100 mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres“, erläutert Jörg Kunze, in Vertretung der Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit.

Das ist zwar eine lokale Anstrengung. Aber in der Summe zieht Leipzig so (ähnlich wie Dresden in Ostsachsen) die ganze Region mit. Das kleine Manko, das derzeit sichtbar wird: Die Zahl der jungen Bewerber um Ausbildungsstellen steigt zwar wieder – dafür sinkt die Zahl der angebotenen Ausbildungsstellen.

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