Auch wir sind Griechenland. Auch wenn wir das gern vergessen, wenn die großen Medienmaschinen mal wieder in einen gemeinsamen Chor einstimmen und Griechenland, die Syriza und den griechischen Finanzminister verdammen. Nicht nur "Spiegel Online", wo es am 12. Februar hieß: " EU-Schuldenstreit: Die Griechen brüskieren Europa". So ähnlich war es auf allen großen Portalen zu lesen. Quelle: DPA. Am nächsten Tag klang alles ganz anders.

Selbst auf “Spiegel Online” hieß es auf einmal: “Schuldenkrise: Griechischer Finanzminister vergleicht Troika-Handeln mit CIA-Folter”. Da hatte bei den zähen Verhandlungen am 12. Februar der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis also die Verhandlungspartner der Troika (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds) nicht einfach brüskiert. Und die Troika war eben nicht mit der Absicht nach Brüssel gereist, um die Daumenschrauben für Griechenland zu lockern oder auch nur irgendeine Art humanitären Kompromiss anzubieten.

Und auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) war nicht hingefahren, um irgendwelche Zugeständnisse zu machen.

Das belegt jetzt ziemlich beeindruckend das Positionspapier für die Eurogruppen-Verhandlungen, das das globalisierungskritische Netzwerk Attac weiterverbreitet hat. Das Papier zeigt auch die deutsche Verhandlungsposition gegenüber der neuen griechischen Regierung. Attac interpretiert es als eine klare Absage an ein sozialeres Europa. Denn darum geht es mittlerweile. Darum gibt es auch bei den letzten Wahlen in Griechenland, als die Syriza auch deshalb gewann, weil sie die harrschen Auflagen der Troika lösen wollte, die das Land nun seit 2009 in eine Dauerkrise gestürzt haben. Gelöst haben sie nichts – dafür hunderttausende Griechen in Armut gestürzt, das Gesundheitswesen demoliert und dem Staat jede Luft zum Atmen genommen. Diejenigen aber, die zuvor an den griechischen Schulden verdient haben, wurden nicht zur Kasse gebeten. Dass die Rezepte des IWF nicht funktionieren, wenn es darum geht, ein Land aus seinen Schulden zu befreien, wurde hier fünf Jahre lang in Reinheit durchexerziert.

Doch bei der Troika scheint man aus all dem nichts lernen zu wollen. Stattdessen fuhr man mit einem Papier nach Brüssel, mit welchem dem griechischen Finanzminister nicht nur die Folterwerkzeuge gezeigt wurden, sondern man forderte ihn in freundlicher Arroganz auf, die Folter bitte – wie vertraglich vereinbart – fortzusetzen. Alles hübsch aufgelistet – im Grunde die komplette Schocktherapie, wie sie der IWF immer dann anwendet, wenn er dazu die Möglichkeit bekommt.

Zuerst einmal: Wenn Griechenland Geld in die Kasse bekommt, werden erst einmal die Gläubiger bedient: “honour repayment commitments towards creditors”.

Wer als armer Schlucker in Deutschland in so eine Schuldenfalle gerät, der weiß, was es bedeutet, “erst einmal die Gläubiger” zu bedienen. Und wie bezahlt man sowas, wenn die Wirtschaft am Boden liegt und kein Geld für notwendige Investitionen mehr da ist? – Man “spart”, wie das so schön heißt. Man spart bei den Staatsangestellten. Am besten schmeißt man sie zu 150-Tausenden raus, wie es die Troika verlangt hat und wie es das Papier wieder fordert: “to reduce the general government employment by 150.000 as agreed”.

Senkung der Renten steht drin, Senkung des Mindestlohns. Und damit die Gläubiger Bares zu sehen bekommen, soll Griechenland verkaufen, was es noch an nützlichem Eigentum besitzt: Häfen, Energieunternehmen usw. Das nennt man dann aber nicht Verkaufen, sondern Privatisieren: “Continuation of privatizations of ports, energy utilities and real estate in particular and fostering foreign direct investments …”

Die großen Gläubiger haben Griechenland also genau da, wo sie sich Staaten gern wünschen: In der Zwangslage, seine wertvollsten Infrastrukturen zu verkaufen. Unter Druck, was natürlich die Preise senkt.

Verhandlungspielräume sind in dem Papier nicht zu finden. Und es erstaunt schon, dass Deutschland diese rigiden IWF-Methoden immer noch mitträgt im Jahr 2015 und die Bundeskanzlerin erst am Folgetag, nachdem Giannis Varoufakis gesagt hatte, das sei wie Folter, die Bundeskanzlerin versichern muss, man “erwäge Kompromisse”.

Die werden aber nichts ändern, wenn sie gleichzeitig auf die “Einhaltung der Regeln” pocht, die nun einmal die blanken IWF-Regeln sind, die Austerität erzwingen will um jeden Preis. Augenscheinlich auch den der griechischen Staatspleite und des (erzwungenen) Austritts der Griechen aus dem Euro.

Massive Kritik vom Attac-Netzwerk

Solidarisch ist an dieser Haltung gar nichts, kritisiert das Attac-Netzwerk.

“In den Eurogruppen-Verhandlungen beharrt Deutschland auf der Beibehaltung der undemokratischen Troika-Struktur und widerspricht sämtlichen Maßnahmen der neuen griechischen Regierung zur Überwindung der humanitären Krise in Griechenland”, stellt Steffen Stierle von der Attac-Projektgruppe Eurokrise fest.

Thomas Sablowski, ebenfalls aktiv in der Attac-Projektgruppe Eurokrise, ergänzt: “Die Bundesregierung pocht darauf, dass in Griechenland der Mindestlohn gekürzt, die Infrastruktur verscherbelt und der öffentliche Sektor weiter mit Massenentlassungen traktiert wird. Damit verweigert sie sich jeglichem Entgegenkommen und sabotiert faktisch den kompromissorientierten Verhandlungsansatz der griechischen Regierung.”

Attac werde die Vorschläge der neuen griechischen Regierung zur Überwindung der humanitären Krise und zur Wiederbelebung der Wirtschaft unterstützen, betont das Netzwerk. Denn Spielräume bekommt der kleine Staat erst, wenn er auch als Staat wieder handlungsfähig wird, echte Unterstützung beim Schuldenabbau bekommt und auch echte Hilfe der europäischen Gemeinschaft, die in diesem Fall tatsächlich in der Verantwortung steht, Wege zu finden, wie Mitgliedsländer finanziell gesunden, die – oft genug durch die eigenen gierigen Plutokratien, oft auch durch die Zockereien der großen Finanzspieler in die Schuldenfalle gerauscht sind.

Dass die Bürger allein für das große Pokerspiel bezahlen sollen, erschließt sich auch der deutschen Bevölkerung schon lange nicht mehr. Und nicht alle finden diese seltsame Kameradschaft der Troika beruhigend.

“Die unsoziale, anti-demokratische Troika-Politik ist offensichtlich gescheitert. Der Regierungswechsel in Griechenland bietet die Chance auf einen längst überfälligen Kurswechsel”, betont Steffen Stierle.

Attac-Aktive wollen sich jetzt auch wieder im Blockupy-Bündnis engagieren, das für den 18. März zu Protesten in Frankfurt am Main gegen die Krisenpolitik der Troika mobilisiert. Geplant sind Aktionen massenhaften zivilen Ungehorsams, eine zentrale Kundgebung mit Kulturprogramm sowie eine große Demonstration durch die Innenstadt.

Das Positionspapier der Bundesregierung für Eurogruppen-Verhandlungen als pdf zum Download.

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