In den bisherigen Analysen zur "Bürgerumfrage 2013" ging es nicht nur um Autofahrer und ihre Verkehrsbedingungen: Auch die Radpolitik der Stadt wurde in der Auswertung der Leipziger "Bürgerumfrage 2013" kritisiert. Autoverkehr ist eben nicht per se das Allheilmittel für eine sinnvolle Verkehrspolitik in einer zunehmend verdichteten Stadt.

Kritisiert hatten wir im letzten Teil dieser Serie zur Leipziger Bürgerumfrage die fehlenden Angaben zur Einschätzung des stadtweiten Radnetzes. Aber das hatte – so teilt uns Andrea Schultz, Abteilungsleiterin Stadtforschung im Amt für Statistik und Wahlen, mit, – einfach nicht mehr in die eh schon dicken Fragebögen 2013 gepasst. Nur zur Erinnerung: Es war wieder eine der großen Bürgerumfragen, für die die dreifache Zahl von Leipzigern angeschrieben wurde, um die Daten auch für die Ortsteilebene zu bekommen.

Andrea Schultz: “Die ‘Qualität und das Angebot an Radverkehrsanlagen sowie Abstellmöglichkeiten für Fahrräder in der Stadt insgesamt’ konnte 2013 aus Platzgründen nicht erhoben werden. Da es sich bei der 2013er Umfrage um eine Ortsteilbefragung handelte, standen kleinräumige Informationsbedürfnisse im Mittelpunkt. Die Fragenfülle aus den Ämtern und Fraktionen überschritt den zur Verfügung stehen Platz in den Fragebögen deutlich. Da wir die Belastung für den Bürger nicht weiter erhöhen wollten, wurde die o.g. Fragestellung nur für den Ortsteil, nicht aber für die Gesamtstadt erhoben. – In der aktuellen Umfrage 2014 (Befragung läuft gerade) ist die Fragestellung wieder auf die Gesamtstadt bezogen, sodass dann wieder Vergleichswerte für 2011 zur Verfügung stehen werden. Mit ersten Ergebnissen können Sie im April 2015 rechnen.”

Wer also einen 2014er Fragebogen bekommen hat, sollte sich vielleicht doch mal die Zeit nehmen, die Kästchen auszufüllen und das Ganze an die Stadt zurückzusenden.

Denn nur mit vielen genauen Daten lassen sich Leipziger Stadtentwicklungsprozesse wirklich sinnvoll steuern. Es macht keinen Sinn, eine Verkehrsart zu bevorzugen und den anderen Verkehrsteilnehmern den Schwarzen Peter zuzuschieben, wenn’s irgendwo hakt.

Noch nachgetragen für alle, die fragten, sei: Ja, wer hat denn nun alles kein Auto? – Die Zahl lautet: 37 Prozent. 37 Prozent der Leipziger Haushalte besitzen kein Auto. In innerstädtischen Quartieren (Zentrum, Neustadt-Neuschönefeld, Volksmarsdorf und Alt-Lindenau sind es sogar mehr als 50 Prozent. In einem Dutzend Ortsteile liegt der Wert zwischen 40 bis 50 Prozent. Das sah 2003 noch anders aus. Da gab es nur einen einzigen Ortsteil mit unter 60 Prozent – das war das Zentrum. Mehr nicht. Am häufigsten verzichten alleinstehende Rentner (66 Prozent), Singles (48 Prozent) und Alleinerziehende (43) aufs Auto. Aber auch das haben wir oft genug analysiert: Gerade wenn ein komplettes Familienmanagement mit ein bis zwei Erwerbspersonen, einem oder mehreren Kindern in unterschiedlichen Lebensphasen und großen Familieneinkäufen zu bewerkstelligen ist, geht das aber in Leipzig augenscheinlich kaum oder nur schwer ohne Auto.

Was ja wohl im Klartext heißt: Die kompakte Stadt der Zukunft, in der ein gut ausgebauter ÖPNV und klug organisierte Stadtstrukturen den Verzicht aufs Auto ermöglichen, ist noch Zukunftsmusik. Der Ausbau der umweltfreundlichen Verkehrsarten hängt unübersehbar hinter dem Wachstum der Stadt und dem Zuwachs an Arbeitsplätzen hinterher. Stattdessen werden – ohne dass es für ÖPNV-Nutzer tatsächlich zu mehr und besseren Angeboten kommt – die Fahrpreise für Bus und Bahn jedes Jahr erhöht. Die Zuschüsse der Stadt, die ja nun mal der Auftraggeber für den ÖPNV ist, stecken aber im Keller fest.Was übrigens den Stadtrat der Linken, Jens Herrmann-Kambach, zu einer weiteren seiner so wichtigen Fragen an die Stadtspitze animierte. Denn so langsam hat er wirklich die Nase voll davon, dass weder Stadtspitze noch MDV neue Strukturkonzepte für den ÖPNV vorlegen, dafür aber in alter Regelmäßigkeit neue Preiserhöhungen verkünden.

In der Ratsversammlung am 10. Dezember fragt er deshalb wieder einmal nach dem bis heute fehlenden “Städtischen Konzept zur Finanzierung des ÖPNV in der Stadt Leipzig”.

“Am 11.12.2013 beauftragte der Stadtrat den Oberbürgermeister auf Antrag der SPD-Fraktion, bis Ende zweites Quartal 2014 ein Konzept zur Finanzierung des ÖPNV in der Stadt Leipzig zu erstellen. Dabei sind der gültige Nahverkehrsplan der Stadt Leipzig und der Investitionsbedarf entsprechend der Planung der LVB besonders zu berücksichtigen”, formuliert er die Ansprüche, die das vom MDV vorgelegte Gutachten nur ansatzweise erfüllt. Mit der Idee, nun das “Bürgerticket” für alles zur Lösung des strukturellen Problems zu machen, kommt man nicht wirklich weiter.

Die Fragen, die er beantwortet haben möchte: “Wie ist der Stand der Erarbeitung dieses Konzeptes? Wann wird dieses Konzept dem Stadtrat vorgelegt?”

Ein Konzept bedingt natürlich die Klarstellung, wie der Nahverkehr in Leipzig so strukturiert werden kann, dass er die wachsenden Ansprüche auch aufnehmen kann.

Denn – das wird in dieser Diskussion meist vergessen, die Stärkung des ÖPNV spielt auch eine tragende Rolle im Luftreinhalteplan der Stadt Leipzig. Doch seit 2009 ist da nur wenig passiert, Wesentliches aber nicht. Und die Mahnung der EU-Kommission an die Stadt Leipzig, die Feinstaubgrenze endlich einzuhalten, hat auch damit zu tun.

Die Leipziger selbst wissen sehr wohl, dass in Sachen Klima- und Umweltschutz in Leipzig mehr passieren muss und dass die Einführung der Umweltzone 2011 eher eine Beruhigungspille war, an den grundlegenden Problemen aber nicht viel geändert hat.

Und was antworteten die Leipziger 2013 auf die Frage: “Sollte die Stadt Leipzig Ihrer Meinung nach mehr für den Klimaschutz tun?”

“Ja”, antworteten 42 Prozent der Befragten, weitere 55 Prozent sagten “möglicherweise”.

Was durch die Frage nach der Bedeutung der “Biologischen Vielfalt” ergänzt werden kann. 32 Prozent der Leipziger kreuzten an: Das ist wichtig. Weitere 44 Prozent meinten, es sei “eher wichtig”.

Leicht gewachsen ist auch das Bewusstsein dafür, dass der Klimawandel auch Leipzig negativ beeinflussen wird: von 9 Prozent (2012) auf 13 Prozent (2013) stieg der Anteil der Befragten, die sich dessen sicher sind, weitere 54 Prozent sagen “möglicherweise”. Bei den meisten ist also so ein diffuses Gefühl da, dass der Klimawandel eben nicht nur ein Thema für Bangladesh (Überschwemmungen) oder die Schweiz (abschmelzende Gletscher) ist, sondern auch das Stadtklima verändert.

In der “Bürgerumfrage 2013” wurde deshalb auch gezielt nach zwei Faktoren gefragt, die das Stadtklima positiv beeinflussen: die Parks und der Auenwald.

So sind 81 Prozent der Leipziger zwar zufrieden mit dem Angebot an Grünanlagen. Mit deren Zustand aber sind nur 61 Prozent zufrieden. Und dass der Auenwald für Erholung und Klima in Leipzig eine wesentliche Rolle spielt, das sehen auch die Leipziger so. Mehrheitlich. Für 69 Prozent der Leipziger ist der Auwald Erholungsgebiet, 60 Prozent sehen ihn als (wichtigen) Lebensraum für Tiere (Stichwort: Eisvogel), 59 Prozent halten ihn für wichtig für das Stadtklima.

Dass der Auwald wichtige Eigenschaften eingebüßt hat, spiegelt sich in anderen Aussagen. Nur 40 Prozent der Leipziger meinen, er sei auch ein Schutzgebiet für Pflanzen, nur 50 Prozent halten ihn für die Hochwasserregulierung für wichtig. Da kann man mal gespannt sein, was das Umweltdezernat aus diesen Aussagen macht. Denn viel Einfluss haben die Leipziger ja auf die Umsetzung des Naturschutzes in Leipzig nicht. Sie wissen sehr genau, wer dafür den Hut auf hat.

“Wer sollte sich für Erhalt und Pflege der Auenlandschaft engagieren?” hieß eine Frage.

Klare Aussage von 77 Prozent der Befragten: “vorrangig die Kommune”, 68 halten auch die Land- und Forstwirtschaft für vorrangig verantwortlich, 62 Prozent die Umwelt- und Naturschutzverbände. Was schon zu denken gibt, wenn man sieht, wie das Engagement der Naturschutzverbände im Auenwald ausgebremst wird. Das Land Sachsen, das mit der Landestalsperrenverwaltung ein Hauptakteur im Auenwald ist, wird übrigens nur von 44 Prozent der Leipziger als “vorrangig verantwortlich” genannt. Was ja wohl eigentlich heißt: Die Stadt sollte sich deutlich stärker engagieren und die Umweltverbände einbeziehen.

Erstaunlich an den Fragestellungen in der “Bürgerumfrage” ist, dass die abgefragten “persönlichen Aktivitäten zum Klimaschutz” sich hingegen rein auf das Wohnumfeld beschränken. Immerhin kann man ja zu Hause seinen Energieverbrauch senken und damit das Klima entlasten. Das halten 19 Prozent der Leipziger für sehr wichtig, weitere 31 Prozent für wichtig, zusammen also 50 Prozent. Energetische Sanierung, wie sie derzeit im Bund forciert wird, halten 92 Prozent der Leipziger für wichtig. Aber ihnen geht es da wie der Wohnungswirtschaft: Wenn die Kosten wieder nur den Mietern aufgehalst werden, funktioniert die Sache nicht. 80 Prozent sind mit einer energetischen Sanierung der Gebäude nur einverstanden, “wenn die dadurch erreichten Einsparungen die Kosten decken”.

Klare Ansage. Vielleicht erreicht das ja einmal die höheren politischen Ebenen. Denn damit stehen die Leipziger nicht allein.

Und wie ist es mit ihrem tatsächlichen Energieverbrauch?

Dazu morgen mehr an dieser Stelle.

Der Bericht ist für 15 Euro (bei Versand zuzüglich Versandgebühr) erhältlich beim Amt für Statistik und Wahlen und steht kostenfrei zum Download auf www.leipzig.de/statistik unter der Rubrik “Veröffentlichungen” zur Verfügung.

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