"Die Zahlen des Statistischen Landesamtes sprechen eine deutliche Sprache und auch Vertreter von Gründerinitiativen an sächsischen Hochschulen finden klare Worte: In Sachsen mangelt es an Existenzgründern. Die Gründungsbereitschaft ist seit 2004 rückläufig und liegt niedriger als im ostdeutschen Durchschnitt", kommt dieser Tage eine Warnmeldung aus der Landtagsfraktion der Grünen. Was läuft da falsch?
Dass Sachsen im Vergleich der Bundesländer so schlecht abschneide, lasse sich nicht allein mit der guten Situation am Arbeitsmarkt erklären, betont der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Dr. Gerd Lippold. Er macht weitere Gründe dafür verantwortlich: “Sachsen fehlt eine Gründerstrategie, die alle Branchen im Blick hat. Nicht nur im Spitzentechnologiesektor sind Gründungen wichtig, auch im Bereich Industrie- und Handwerksunternehmen sowie in den freien Berufen und der Dienstleistungswirtschaft brauchen wir für Sachsens wirtschaftliche Entwicklung mehr Selbstständige.”
Heißt im Klartext: Die Landesregierung hat ihre Förderprogramme vor allem auf Technologieunternehmen zugeschnitten, hat gerade während der vergangenen fünf Jahre versucht, zentral zu steuern, wie es in längst vergangenen DDR-Zeiten so gründlich gegen den Baum gegangen ist. Aber Lernprozesse dauern ewig. Und Politiker aller Couleur sind immer wieder dazu geneigt, die Wirtschaft eines Landes so steuern zu wollen wie einen Ozeandampfer. Dumm für alle Gründungswilligen, die gerade in der falschen Branche und mit der falschen Geschäftsidee unterwegs sind: Ihre Förderanträge werden abgelehnt, weil’s dafür keine Förderangebote gibt. Und das in einem Land, in dem freies Kapital so dünn gesät ist, dass ohne eine nachhaltige Landesförderung so gut wie nichts geht. Und wenn dann auch noch die Planungssicherheit an zentralen Schaltstellen fehlt – den mit so viel Tamtam aus dem Boden gestampften Gründernetzwerken an den Hochschulen, dann liegt das Wort Kopflosigkeit geradezu auf der Zunge.
“Damit die teils kopflose Gründungsförderung ein Ende hat, brauchen wir eine verstetigte Förderung, die keine Lücken entstehen lässt”, stellt Lippold fest. “Ein schlechtes Beispiel sind die Gründernetzwerke an sächsischen Hochschulen, die bisher nicht wissen, ob und wie sie ab kommendem Jahr finanziert werden. Dies hat zur Folge, dass gute Berater schon jetzt in andere Arbeitsverhältnisse wechseln, von personeller Kontinuität also keine Rede sein kann.”Und dann gibt es ja – bedingt durch die Art der in Sachsen dargebotenen Fördermodelle – auch noch das große Manko für alle, die nicht gerade mit männlicher Durchsetzungskraft in einer technischen Gründung unterwegs sind. Soziale Gründungen, bei denen vor allem Frauen aktiv sind, haben kaum einen Anlaufpunkt.
Deswegen fordern die Grünen, so Lippold, seit langem, die Förderung von Frauen auf dem Weg in die Selbstständigkeit zu verbessern. “Frauen haben es oft schwerer, Kapital zu aquirieren, an einschlägigen Förderprogrammen teilzunehmen und Zugang zu wichtigen Branchennetzwerken zu bekommen. Sie gründen häufig im Dienstleistungssektor. Solange die Staatsregierung ‘innovativ’ mit ‘technologieorientiert’ gleichsetzt, werden Frauen systematisch benachteiligt. Wir wollen, dass Dienstleistungsinnovationen künftig technologischen Innovationen gegenüber gleich behandelt werden.”
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Aber genau das ist das Ergebnis, wenn eine Staatsregierung glaubt, nur technologiebasierte Gründungen seien die einzig wertvollen. Kommt es jetzt mit dem Regierungswechsel wenigstens hier auch zu einer Neuorientierung? – Lippold bewertet zumindest die Aufnahme des Themas in den Koalitionsvertrag von SPD und CDU als positiv. Doch er weiß auch, dass Papier geduldig ist: “Es müssen zügig Veränderungen angeschoben werden, andernfalls wird Sachsen mit den westlichen Bundesländern auf lange Sicht nicht konkurrieren können.”
Kann man nur gespannt sein, wer den Ministerposten im Wirtschaftsressort besetzen darf.
Noch zum Vergleich: 2004 gab es in Sachsen noch 49.171 Gewerbeanmeldungen. Die Zahl muss man freilich mit Vorsicht genießen, denn darin stecken auch die durch die ersten “Hartz”-Gesetze ermöglichten Gründungen – Stichwort: Ich-AG. Besser ist es, das Jahr 2002 als Ausgangspunkt zu nehmen. Da gab es 35.681 Neuanmeldungen, etwas mehr als die gleichzeitigen Abmeldungen von 34.931. In den Folgejahren wurden ja bekanntlich die Gründerzuschüsse über die Jobcenter weitestgehend gekappt. Bis 2010 blieb die Zahl der Neuanmeldungen dann bei 38.000 relativ konstant, begann dann aber ab 2011 (36.331) deutlich zu fallen – 2012 auf 32.364 und 2013 dann auf 30.995. 2012 lag die Zahl der Neuanmeldungen erstmals unter den Abmeldungen.
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