Die Abteilung Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig hat mit ihren regelmäßigen Studien zum Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren immer neue Grundlagenstudien vorgelegt und für Diskussionsstoff gesorgt. Die Forschungsgruppe um Dr. Elmar Brähler und PD Dr. Oliver Decker hat also die besten Voraussetzungen, auch zur Bundestagswahl ein wenig mehr vorzulegen als nur die übliche "Wählerumfrage".
Es ist zwar noch nicht die Studie, die man sich als Medium so wünscht – nämlich eine, die auch einmal die Rolle von Medien und den mittlerweile fast täglich erscheinenden “Meinungsumfragen” beleuchtet. Denn der Wähler wird ja mittlerweile behandelt wie das Abstimmungspublikum in einer Talkshow, von Moderatoren angepeitscht, jetzt auf das Knöpfchen zu drücken – hopp oder topp. Als wären Wahlen Quizsendungen oder Schönheitswettbewerbe.
Die Mentalität aber bestimmt mittlerweile das deutsche Fernsehen. Und das hat – wie der “Meinungsmacht – MedienVielfaltsMonitor” der Bayerischen Landesmedienanstalt wieder ergab – rund 60 Prozent der Meinungsmacht in Deutschland. Da kommen weder Bertelsmann (14,2 %) noch Springer (9 %) heran, von scheinbar meinungsmachenden Medien wie “Zeit” oder “Spiegel” gar nicht zu reden.
Es ist das bunte Fernsehprogramm mit seinen Informationshäppchen und seiner Alles-ganz-einfach-Mentalität, das in Deutschland Meinung macht, lenkt und beeinflusst. Und das auch, weil es die stärkste Wählergruppe erreicht: die Senioren.
Und was passiert eigentlich, wenn das wichtigste Medium konsequent einen Sendeplan für die Generation 60plus macht und darin die Themen und Probleme junger Mediennutzer gar nicht erst aufgreift?
Wie sehr verfestigen sich dann auch politische Haltungen, Vorurteile und Parteienpräferenzen?
Das ist Futter für viele Studien.
Die repräsentative Einstellungsstudie der Universität Leipzig setzt nun die Parteienpräferenzen der Wähler in Bezug zu ihren soziodemographischen Daten. Im Zeitraum von Mai bis Juli 2013 wurden bundesweit 2.382 Wahlberechtigte im Alter zwischen 18 und 91 Jahren zu sozial- und medizinpsychologischen Themen befragt.
Wie die Studie auch in diesem Jahrgang zeigt, sind Wählerprofile vielschichtig.
Beispielsweise haben FDP und Grüne die reichsten Wähler, formuliert die Universität ein Thema, das nun in den letzten Wochen verstärkt den Wahlkampf bestimmt. Und macht damit eigentlich das Dilemma klar, an dem Diskussionen in der Häppchen-Demokratie immer mehr leiden: Wer ist denn eigentlich reich?Das Wort hätte hier eigentlich nicht auftauchen dürfen. Denn reich ist nach der Fragevoraussetzung ein Haushalt, der im Monat “über 2.500 Euro zur Verfügung” hat. Reich ist so ein Haushalt aber nur unter dem Aspekt der auskömmlichen Ressourcen und in Bezug auf jene Haushalte, die knausern müssen, – aber im Sinn von wirklich reich sein ist so ein Haushalt nicht reich.
Aber gerade beim Thema Arm und Reich geht es in Deutschland drunter und drüber. Obwohl es einen Maßstab gibt – nämlich den Median der Einkommen, den das Bundesamt für Statistik regelmäßig ermittelt. Das ist der Wert, bei dem die Hälfte aller Einkommen drüber liegt, die Hälfte drunter. 2012 errechneten die Bundesstatistiker einen Wert von 1.448 Euro.
Als “armutsgefährdet” gilt, wer weniger als 60 Prozent davon bekommt. Als reich jeder, der das Doppelte davon im Monat einstreicht.
Die 2.500 Euro Haushaltseinkommen haben mit diesem Wert also nichts zu tun. Sie liegen eindeutig drunter. Um es noch deutlicher zu sagen: Die Schwelle zum offiziell erfassten Reichtum beginnt erst bei 4.000 Euro Haushaltseinkommen. Deutschlandweit kommen nur knapp 8 Prozent der Haushalte über diesen Wert – alle anderen bleiben drunter.
Der hessische Grünen-Chef Tarek Al-Wazir brachte es in der “Frankfurter Rundschau” auf den Punkt: “Meine Erfahrung der letzten Wochen ist, dass viele Menschen denken, sie seien betroffen, die es gar nicht sind. Das ist sicher ein kommunikatives Problem. Wenn ein Drittel der Leute glaubt, dass sie zu den oberen sieben Prozent gehören, dann stimmt etwas nicht.”
Weiter gedacht: Wenn ein Drittel der Wähler glaubt, eigentlich zu den reichen 7 Prozent in Deutschland zu gehören und jeden Abend im Fernsehen die nur scheinbar ausgewogenen “Steuererhöhungs”-Diskussionen erlebt, die auch die Öffentlich-Rechtlichen seit dem Sommer mit Lust ins Programm genommen haben, dann ändert das auch das Wahlverhalten.
Denn auch bei den Grünen ist die echte Kernwählerschaft überschaubar. Und viele Wähler gehen aus diversen Emotionen und mit medial geprägten Vorstellungen zur Wahl.
Und wenn es ums Geld geht, dann wird es ganz emotional.So stellt dann die Studie der Leipziger Forscher fest: “Die Wähler rechter Parteien und die Nichtwähler sind am ärmsten. Ein Drittel der Wähler rechter Parteien und 17,8% der Nichtwähler haben ein Einkommen unter 1.000 Euro. Nur 16,7 % der Wähler rechter Parteien haben ein monatliches Haushaltseinkommen von mehr als 2.500 Euro.”
Das Aber sollte den Grünen zu denken geben: “Im Gegensatz dazu stehen die Anhänger der Grünen und der FDP: nur jeweils ca. 5 % haben ein Haushaltseinkommen von unter 1.000 Euro. 43,1 % der FDP-Wähler und 39,2 % der Grünen-Wähler haben dagegen ein Einkommen von über 2.500 Euro zur Verfügung.”
Die Grünen-Wähler sind also mittlerweile gut verdienender Mittelstand. Dass die 2.500 Euro, die hier als Untergrenze angegeben wurden, mit Reichtum nichts zu tun haben, spielt dabei keine Rolle: Die etwas besser Verdienenden fühlen sich betroffen. Und weichen logischerweise aus.
Während CDU, SPD und Linke sich eher zurücklehnen können. Denn ihre Wähler denken zum großen Teil über Steuern nicht mehr nach. Was am Altersdurchschnitt dieser Wählerschaft liegt: Bei CDU/CSU haben zwar auch 33 Prozent der Haushalte ein Einkommen über 2.500 Euro, bei der SPD sind es knapp 31 Prozent, bei der Linken sind es knapp 24 Prozent (was ebenfalls zeigt, dass die 2.500 nicht die Grenze zum Reichtum in Deutschland sind). Aber viele ihrer Anhänger sind schon im Rentenalter oder nahe daran. Das Durchschnittsalter der Wähler von CDU/CSU beträgt 58,5 Jahre. Das ist dicht dran am Durchschnittsalter des Publikums der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Die SPD-Anhängerschaft ist im Schnitt 53,5 Jahre alt, die der Linken 54,3 Jahre.
Statistischer Quartalsbericht II/2013 (5): Armut, falsche Titel und falsches Zeugnis
Es gibt ja Leute, die lieben Titel über alles …
Am jüngsten ist die Wählerschaft bei den Piraten mit 32,4 Jahren. Oder mit den Worten der Uni Leipzig: “Im Altersdurchschnitt sind Piratenwähler sehr jung, CDU/CSU-Wähler relativ alt.”
Und der Blick auf jede Wahlstatistik der letzten Jahre zeigt: Die älteren Jahrgänge haben durchweg eine höhere Wahlbeteiligung – sie bestimmen am Ende die Wahl. Und es sieht alles danach aus, dass sie es auch am 22. September tun werden. Wer also von den jüngeren Wahlberechtigten seine Meinung im Wahlergebnis berücksichtigt wissen möchte, der muss am Wahlsonntag ins Wahllokal gehen.
Weitere erhellende Details zu dieser Studie gibt es morgen an dieser Stelle.
Die Verteilung der Meinungsmacht unter den Medien in Deutschland: www.blm.de/de/pub/aktuelles/pressemitteilungen.cfm?eventPress=press.DisplayDetail&pressrelease_ID=1916
Tarek Al-Wazir in der “Frankfurter Rundschau”: www.fr-online.de/landtagswahl-in-hessen—hintergrund/landtagswahlen-wahlkampf-gruene–bouffier-erzaehlt-unsinn-,23897238,24274314.html
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