Kann man eigentlich die Lärmbelastung der Leipziger mit Durchschnittsnoten bewerten? Ergibt das ein Bild? - In der "Bürgerumfrage 2012" wurden die angeschriebenen Leipziger auch wieder nach der Störung durch Lärm befragt. Sie konnten ankreuzen von "sehr stark" (1) bis "überhaupt nicht" (5). Da mischen sich dann logischerweise die Angaben derer, die schön ruhig wohnen, mit denen, die unterm Lärm gesundheitlich leiden.
Doch anders als in der “Bürgerumfrage 2011” wurden 2012 nicht genug Haushalte angeschrieben, um auch noch eine Unterscheidung nach Ortsteilen vorzunehmen. Oder gar nach Straßenzügen, auch wenn jene Betroffenen, die unter Kfz- oder Schienenlärm leiden, ihre Straße angeben durften. Was schon erstaunt. Selbst an dieser Stelle hält sich die Stadt bei der Erfassung des Fluglärms zurück. Nur ja nicht dran rühren.
Zwar konstatieren die Statistiker, dass sich die Lärmbelastung für die Leipziger seit 1999 nicht signifikant verändert hat. Aber das ist keine Aussage. Durchschnittswerte sagen wenig über den speziellen Lärm. Im besten Fall wird deutlich, dass der Kfz-Lärm nach wie vor die größte Lärmquelle Leipzigs ist. Nach 2011 hat sich hier der Wert von 3,5 auf 3,3 sogar wieder leicht verschlechtert. Das kann man so stehenlassen – oder nachfragen. Ist jeder Kfz-Lärm gemeint oder fallen hier einige Zeitgenossen besonders unangenehm auf, weil sie ihre Maschinen frisieren und mit Absicht lärmend durch die Stadt fahren?
Als zweitgrößte Lärmquelle werden die Straßenbahnen empfunden. Und das insbesondere von den jüngeren Befragten von 18 bis 34 Jahren. Die Unterschiede zwischen den Alterskohorten sind statistisch durchaus signifikant, stellen Leipzigs Statistiker fest. Da aber die lokale Eingrenzung nicht möglich ist, können sie nicht feststellen, woran es liegt. Vielleicht daran, dass jüngere Leipziger häufiger in der Nähe von Hauptstraßen wohnen? Was ja für die Mobilität mit dem ÖPNV prima ist, für die Nachtruhe aber nicht so sehr.Es kann auch andere Zusammenhänge geben, deuten die Statistiker an. Das wird beim Fluglärm deutlich, unter dem insbesondere die Alterskohorten der 35- bis 54-Jährigen stärker leiden als alle anderen, stärker auch als die jungen Leute. Was vielleicht sogar deutlich darauf hinweist, dass insbesondere Menschen, die im Erwerbsleben stehen, unter den nächtlichen Fluglärmschleifen leiden. Sie können ihre Schlafzeit nicht einfach verschieben. Aber die Nachtruhe ist hin, wenn gegen 3 Uhr die Frachtmaschinen in Schkeuditz starten und dabei oft genug in ausholendem Wendemanöver über der Stadt dröhnen. Und da sie gleich im Minutentakt starten, ist mit einem Wiedereinschlafen bis zum Weckerklingeln nicht wirklich zu rechnen.
Und das hat natürlich volkswirtschaftliche Folgen – von der Arbeitsproduktivität bis hin zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Eine 3,8 liest sich zwar wie eine “schwache” Belastung. Aber die letzte Bürgerumfrage hatte ja deutlich gezeigt, dass gerade Ortsteile im Leipziger Nordwesten, Westen und Osten unter den nächtlichen Fliegern besonders leiden. Im Nordwesten wird Fluglärm als deutlich schlimmer wahrgenommen als etwa Kfz- und Schienenlärm. Wobei Wahren unter Schienenlärm schon geradezu extrem leidet. In Lützschena-Stahmeln fühlen sich 64 Prozent der Bewohner durch den Fluglärm stark bis sehr stark belastet. Was dann im Schnitt eine 2,1 ausmacht.
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So etwas geht natürlich auf Stadtebene geradezu unter. Aber es gewinnt an Prägnanz. Denn selbst wenn die Stadt sich jetzt auf Kfz- und Schienenlärm fokussiert und dort das Störungslevel nach und nach senkt, bleiben ja die keineswegs gelösten Störfälle Nachtfluglärm und nächtlicher Schienenlärm der Bahn. Sie fallen in einem leicht sinkenden Lärmniveau noch stärker auf.
Und dass das Lärmniveau insgesamt wohl eher sinkt, macht auch die Verkehrsträgerwahl der Leipziger sichtbar. Als wesentliches Ergebnis der “Bürgerumfrage 2012” wurde ja schon vorab gemeldet, dass das Fahrrad zum Verkehrsmittel Nr. 1 in der Freizeit geworden ist. Aber das Auto verliert gerade bei jüngeren Leipzigern seine Aura der Notwendigkeit. 2012 ist der Anteil der Haushalte mit Pkw leicht von 64 auf 62 Prozent gesunken. Insbesondere Rentner, Alleinerziehende und Singles verzichten auf den fahrbaren Untersatz. Aber die Umfrage bestätigt natürlich auch auf erstaunliche Weise, welche grandiosen Fehler die Stadt Leipziger bei ihrer Stadtentwicklungspolitik gemacht hat. Man sieht in langen Zeitreihen regelrecht, wie die alte – autodominierte – Stadtpolitik die ganze Zeit um ihre Priorität gefeilscht und gezerrt hat.
Mehr dazu morgen an dieser Stelle.
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