"Die Arbeitsmarktprognose des Institutes für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit kommt für Leipzig zu zwei positiven Aussichten für das Jahr 2013", teilt die Leipziger Arbeitsagentur in einer Pressemitteilung mit. "Die Arbeitslosigkeit wird in diesem Jahr weiter sinken und die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wird steigen. Das IAB hat diese Prognose jeweils in drei Varianten dargestellt, einer günstigsten, einer ungünstigsten und einer Mittelwertvariante."

Wie heißt es doch so schön im Wikipedia-Artikel zur “Prognose”? – “Auf sachlicher Ebene liegt der Kritik häufig die Tatsache zugrunde, dass Prognosen tatsächliche zukünftige Änderungen nur bedingt voraussehen können. Prognosen sagen letztlich voraus, wie die Zukunft sein wird, falls sich die zugrunde liegenden Annahmen als richtig erweisen. Man darf also mit Recht fragen: Was beabsichtigt das IAB eigentlich mit den Zahlen? Will es sich damit quasi schon ein Bienchen im Voraus einheimsen, auch wenn die Zahlengrundlage nicht stimmt?

Denn natürlich stimmt sie nicht. Man kann nicht einfach einen Prognosewert – auch wenn es einer aus dem Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ist – nehmen und darauf künftige Arbeitslosenzahlen berechnen. Egal, wie oft man sie dann validiert.

“In der günstigsten Prognosevariante für 2013 sinkt die Jahresdurchschnittszahl der arbeitslosen Menschen in der Stadt auf 28.800. Im Jahr 2012 lag der Jahresdurchschnitt bei 30.600”, so Hermann Leistner, Pressesprecher der Leipziger Arbeitsagentur. “Aber auch in der Mittelwertvariante sinkt die Arbeitslosigkeit auf durchschnittlich 30.500. Nur die schlechteste Prognose geht von einem Anwachsen der Arbeitslosigkeit auf jahresdurchschnittlich 32.200 Menschen aus.”

“Die Prognose stimmt mich zuversichtlich. Die Arbeitslosigkeit ist damit auf dem niedrigsten Stand seit der Einführung dieser Statistik 1991”, sagt dazu die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig Elke Griese.

Sei bei der Zahl der arbeitslosen Menschen der Rückgang ein positives Zeichen, so sei es bei der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Anstieg. Hier gehen alle drei Berechnungsvarianten von einem Wachstum im Vergleich zum Durchschnitt des Jahres 2012 aus. In der ungünstigsten Vorausschau werden im Jahresdurchschnitt 226.600 Menschen in Leipzig eine versicherungspflichtige Beschäftigung haben, in der Mittelwertprognose werden es 228.600 sein und in der günstigsten Berechnung sogar 230.600. Im zurückliegenden Jahr lag der Jahresdurchschnitt bei 224.300.

“Diese Aussichten sprechen für die weiterhin gute Entwicklung der Stadt Leipzig als Arbeitsort für Leipziger und Einpendler. Mit diesen Aussichten nehmen wir im sächsischen Vergleich den Spitzenplatz ein. Das ist besonders erfreulich”, meint Griese.

Spitzenplatz. In Sachsen.
Und wenn es kein BIP-Wachstum von 1,3 Prozent gibt? Damit stehen IWH und Kiel Economics Research & Forecasting mittlerweile nämlich ziemlich einsam da in der BIP-Prognose für 2013. Alle anderen üblichen Verdächtigen wagen nur (noch) Prognosen zwischen 0,4 und 1 Prozent. Der Rat der Wirtschaftsweisen ging im März mit 0,3 Prozent noch darunter. Die Leute dort sind mittlerweile wirklich skeptisch, was den Waldschaden, den die unselige Troika aus EZB, IWF und EU-Kommission mittlerweile in Südeuropa angerichtet hat, betrifft.

Den Rechnern vom IAB ist zumindest bewusst, dass ein bundesdeutsches BIP-Wachstum von 1,3 Prozent so nicht im Osten und auch nicht in Sachsen ankommt. Und damit auch nicht der Beschäftigungseffekt, den man landläufig mit “Wirtschaftswachstum” verbindet. Weswegen ja Politiker reihenweise überzeugt sind davon, man müsse nur immerzu für Wachstum sorgen, dann gibt es auch mehr Erwerbsarbeit. Was dann in der Rechnung des IAB schon einmal das simple Ergebnis ergibt, dass so ein Wirtschaftswachstum im Westen Deutschlands immer einen Beschäftigungszuwachs erzeugt – im Osten nur bedingt. Man könnte es den “verlängerten Werkbank”-Effekt nennen. Was freilich auch keine größere Seriosität in das Ganze bringt.

Denn die Zahlen schreiben – wie die meisten Prognosen – vor allem die Entwicklung der letzten Jahre fort. Wo es in Leipzig einen statistischen Beschäftigungsaufbau gab. Keine Frage. Vor allem der Dienstleistungsbereich hat Arbeitskräfte gebunden – von der Logistik bis zur Zeitarbeit. Dazu kommt der schlichte demografische Effekt: Wenn eine Stadt wächst, schafft sie auch neue Arbeitsplätze und Auftragsvolumina. Auch dann, wenn im gesamten Bundesland der Trend rückläufig ist. Weswegen Leipzig mit einem Beschäftigungsaufbau zwischen 2.000 und 6.000 Arbeitsplätzen hier hervorsticht – selbst im ungünstigsten Fall gibt es einen Beschäftigungszuwachs. Der sich in der Realität dann aber eher durch den Fachkräftebedarf in der Logistik, im Automobilbau und in der Pflegebranche erklärt.

Aber wenn man die Beschäftigungsentwicklung über das BIP auszurechnen versucht, macht sich die Strukturschwäche der ostdeutschen Bundesländer besonders bemerkbar: Außer Berlin schmieren sie allesamt gegenüber den westlichen Bundesländern ab, verlieren sogar da noch Arbeitsplätze, wo im Westen neue entstehen. Was an der Ausgangsthese liegt: Geringeres BIP erzeugt weniger Arbeitsplätze.

Erst recht gewagt ist es natürlich, auf der Grundlage eines prognostizierten BIP eine Erwerbslosenzahl auszurechnen. Denn die hängt gerade in Bundesländern wie Sachsen nur noch in geringem Maße direkt von der wirtschaftlichen Entwicklung ab, sondern weit stärker von der demografischen Entwicklung. Der Effekt der geburtenschwachen Jahrgänge macht sich jetzt schon bemerkbar. Es kommen wesentlich weniger ausbildungsfähige junge Leute nach, als gleichzeitig Arbeitnehmer in den Ruhestand gehen. Dazu kommt in Sachsen noch das ganz besondere Thema der schwarzgelben Sparpolitik, die schon jetzt zentrale Dienstleistungsbereiche des Staates unter Soll gespart hat. Wenn dieses Bundesland weiter funktionieren soll, kommt der Freistaat um einen Personalaufbau gar nicht mehr herum. Vielleicht nicht 2013. Der Kapitän, der das Sparruder in der Hand hält, spielt ja bekanntlich volles Risiko. Vielleicht will er einfach herausfinden, wo die Sollbruchstelle eines demokratischen Staatswesens ist.

Aber wer ging da eigentlich 1990 mit Transparenten auf die Straße “Keine Experimente mehr?” – Irgendwann merken auch die Sachsen, dass an ihnen herumexperimentiert wird. Und offen ist auch die Frage: Wieviele Arbeitsplätze gehen eigentlich zusätzlich verloren, wenn so rigide auch an Investitionen gespart wird? Und wann wirkt es sich wie aus?

Das lässt sich nicht wirklich anhand eines prognostizierten BIP berechnen. Es klammert die Politik als irrationales Element völlig aus. Und es kann auch nicht voraussagen, wie die Sparrunden auf europäischer Ebene zurückschlagen auf die deutsche Wirtschaft. Sie tun es ja jetzt schon. Den Autobauern ist ein gut Teil ihrer Absatzmärkte wegoperiert worden.

Es sind viel mehr Einflüsse, die das Ganze beeinflussen, als sich so leger im Computer berechnen lassen. Deswegen sollte man die Tabelle zumindest mit ganz großer Vorsicht lesen. Grundlage für eine berechtigte Euphorie ist sie nicht.

Die IAB-Regionalprognose findet man hier:
http://doku.iab.de/arbeitsmarktdaten/Regionale_Prognosen_2013.pdf

Wikipedia zu Prognosen: http://de.wikipedia.org/wiki/Prognose#Missbrauch_als_Mittel_zur_politischen_Meinungsmache

Und frisch aus der bundesdeutschen Prognoseabteilung: Nachdem die Wirtschaftsweisen ihre Prognose für 2013 beim BIP auf 0,8 Prozent angehoben haben, hat am heutigen 25. April auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) eine neue Zahl getwittert: 0,5 Prozent.

Der Beitrag auf “Stern” dazu.

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