Es gibt Statistiken, die verbergen eher das, was eigentlich passiert. Was nicht an den Statistiken selbst liegt. Zahlen sind Zahlen. Doch Durchschnittszahlen erzählen immer nur einen Teil der Geschichte. Denn was heißt es, wenn das Statistische Landesamt am 15. April meldet: "Verdienste 2012 um 1,3 Prozent über Vorjahresniveau - Vollzeitkräfte mit Bruttogehalt von 33.900 Euro". Eigentlich ist es ja wieder mal ein Einkommensverlust.

Denn 2012 stiegen die Verbraucherpreise in Sachsen um 2,0 Prozent. Aber da es eine Gesamtzahl ist, steckt natürlich noch ganz anderes dahinter. Denn insbesondere im produzierenden Gewerbe sind ja die Einkommen deutlich über dem Wert angestiegen.

In der Meldung des Landesamtes für Statistik heißt es dazu: “Im Produzierenden Gewerbe erhielten vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 2012 durchschnittlich 32.396 Euro, das waren 4,4 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum (31.045 Euro). Die Zahl der bezahlten Wochenstunden blieb konstant bei 39,3 Stunden. Der Jahresdurchschnittsverdienst im Dienstleistungsbereich verringerte sich um 1,2 Prozent auf 34.820 Euro brutto. Die bezahlte Wochenarbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten (39,4 Stunden) lag geringfügig unter dem Vorjahreswert (39,5 Stunden).”

Im Dienstleistungsbereich also sank der Durchschnittsverdienst sogar. Und das in einem Jahr, in dem Sachsens Wirtschaft eigentlich nicht in der Krise steckte. Was könnte dahinter stecken? – Zwangsläufig der Verlust von besser bezahlten Arbeitsplätzen im Dienstleistungsbereich. Und dazu zählen in diesem Fall nicht die Pflegekräfte und Fensterputzer, die allesamt zu den deutlich niedriger entlohnten Berufsgruppen gehören, sondern der massive Abbau von Personal im öffentlichen Dienst.

Selbst an dieser Stelle wird sichtbar, wenn der Freistaat Sachsen kürzt und streicht. Der größte Teil der abgeschmolzenen Arbeitsplätze im Bereich “Erbringung von öffentlichen und privaten Dienstleistungen” waren Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst. Der Dienstleistungssektor schmolz in Sachsen 2012 von 427.700 auf rund 423.200 Personen.

So etwas drückt natürlich die Gesamtbilanz, weil Tätigkeiten im Öffentlichen Dienst in Sachsen zu den mit am besten bezahlten überhaupt gehören.

Die Bilanz: “Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Freistaat Sachsen verdienten 2012 einschließlich aller Sonderzahlungen 33.900 Euro. Das sind 1,3 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, die bezahlte Wochenarbeitszeit (39,4 Stunden) ist leicht gesunken (2011: 39,5 Stunden). Nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Kamenz lagen die Bruttomonatsverdienste – ohne Sonderzahlungen – bei durchschnittlich 2.627 Euro, das ist ein Plus von 0,9 Prozent.”

Was natürlich lächerlich ist. Im Bundesdurchschnitt stiegen die Bruttomonatsverdienste auf 3.391 Euro, das waren 2,4 Prozent mehr als 2011. So kann man die einst propagierte Angleichung der Einkommen Ost an West in den Wind schreiben. Dass dabei gleichzeitig die Dienstleistungsqualität des Freistaats Sachsen in den Keller rauscht, ist ein böser, aber von den Herren in Amt und Würden schlicht ignorierter Effekt.Und besonders betroffen hat es – was in der Natur der Sache liegt – natürlich die Frauen, denn der öffentliche Dienst – insbesondere der Schuldienst – ist eines der wichtigsten Beschäftigungsfelder für gut ausgebildete Frauen, wo sie auch noch anständig bezahlt werden. Die sächsische Kürzungsorgie ist auch vom Grunde her zutiefst frauenfeindlich.

Das Landesamt für Statistik dazu: “Vollzeitbeschäftigte Frauen erhielten 2012 durchschnittlich 31.802 Euro und erzielten somit 90,6 Prozent des Verdienstes der männlichen Kollegen, der bei 35.108 Euro lag.” Und das heißt – aufs Ganze betrachtet – genau das, was die Statistiker dann formulieren: “2011 lag der entsprechende Anteil bei 93,3 Prozent.” Sachsens Frauen erleiden durch die Abbaupolitik der Staatsregierung einen erheblichen Einkommensverlust. Im Durchschnitt. Aber auch real. Denn natürlich stellt sich für all jene, die nun keinen Job im Staatsdienst mehr bekommen, die Frage: Abwandern oder für weniger arbeiten?

Die meisten – und darauf rechnen die Sparmeister in Dresden wohl – bleiben lieber da, beißen sich auf die Zähne und wandern in die mieser bezahlten Wirtschaftsbereiche ab.

Darf man ja auch nicht vergessen: In der Statistik sind nur die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ausgewiesen. 1,437 Millionen waren es 2012. Dazu kommen dann noch einmal 514.000 Erwerbstätige, die nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Was eigentlich Nonsense ist – die Sozialkassen stehen auch bei ihnen auf der Matte, egal, ob es Mini-Jobber oder Selbstständige sind. Nur verdienen viele in der Regel so wenig, dass sie die Kröten für Krankenkasse und Rentenbeitrag gar nicht übrig haben. Aber das ist das Beschäftigungsfeld, das man in sächsischen Regierungskreisen so mag.

Es gibt dann auch noch die Wirtschaftsbereiche, in denen zwar deutlich weniger bezahlt wird als in der Industrie und im Staatsdienst, die deshalb auch deutlich unter dem Durchschnittseinkommen liegen.

Die Kamenzer Statistiker dazu: “Unter 20.000 Euro blieb der Jahresverdienst Vollzeitbeschäftigter in den Bereichen ‘Herstellung von Leder, Lederwaren und Schuhen’ (17.394 Euro), ‘Erbringung von sonstigen überwiegend persönlichen Dienstleistungen’ (17.796 Euro), ‘Wach- und Sicherheitsdienste sowie Detekteien’ (18.774 Euro), ‘Herstellung von Bekleidung’ (19.606 Euro) und Gastgewerbe (19.686 Euro).”

Wohlgemerkt: Immer alles brutto.

Und dass die Werte im Dienstleistungsbereich nicht ganz und gar im Keller sind, hat mit einigen Teilbranchen, die da mit hineingerechnet werden, zu tun. Im Bereich “Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen” wurden im Schnitt über 50.000 Euro pro Beschäftigten gezahlt, teilt das Landessamt für Statistik mit. Dasselbe gilt für die Bereiche “Forschung und Entwicklung” und “Energieversorgung”.

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