Irgendwie hat ja nun auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) versucht, auf ihre Art Futter ins Sommerloch zu geben. Via "Berliner Morgenpost" schlug sie vor, Eltern von Schulschwänzern finanziell zu bestrafen. Motto: "Wehret den Anfangen". "50 Prozent der Langzeitarbeitslosen hat keinen Schul- oder Berufsabschluss", zitiert man sie im Hause "Springer". Hartz-IV-Empfänger würde man finanziell natürlich nicht zur Kasse bitten. Natürlich nicht.

Wen also dann? Und warum? Kinder schwänzen die Schule ja nicht ohne Grund. Und schon gar nicht in dem Ausmaß, wie es deutsche Ordnungspolitiker gern suggerieren. Leipzig hat die Zahlen für die Kinder in der Stadt schon einmal abgefragt. Wissend darum, dass sich im Schuleschwänzen immer auch persönliche und soziale Problemlagen spiegeln. Danach betraf das Thema Schuleschwänzen im Schuljahr 2009/2010, also das teilweise Nichtwahrnehmen von bestimmten Schulstunden – oft aus dem Randbereich des Tagesprogramms – in der Schulsozialarbeit gerade einmal 3,8 Prozent der Schüler. Wirkliche Schulverweigerung aus unterschiedlichsten Gründen betraf 3,2 Prozent der Schüler.

Oft genug spiegelte sich in der Verweigerung auch erlebte Ausgrenzung in der Schule bzw. in der Klasse. Teilweise auch schon dadurch, dass die Kinder ihre Problemlagen von Zuhause mitnahmen in die Schule.

3.003 verschiedene Problemlagen hat die Stadt bei ihrer Erhebung im ersten Schulhalbjahr 2009/2010 ermittelt. Eine Zahl, die deutlich macht, wie wichtig die Ausstattung der Schulen mit Schulsozialarbeitern ist. Man kann die Probleme der Heranwachsenden nicht damit lösen, das man die Eltern bestraft. Man muss ihnen Ansprechpartner geben, denen sie vertrauen und die ihnen helfen, Lösungen zu finden.
Und die keineswegs überraschende Erkenntnis der Erhebung: “Häufigstes Problem von Schülern, die Schulsozialarbeit in Anspruch nahmen, waren Probleme mit Gleichaltrigen (18,4 %).”

Man ahnt an dieser Stelle schon, wie sinnlos es ist, dann die Eltern die Kasse zu bitten, wenn die Probleme in der Schule existieren.

Dafür spricht auch der nächste Problemberg: “Darüber hinaus waren häufig auch Probleme mit den Eltern (13,6 %), Probleme mit der eigenen Psyche (11,2 %), Gewalt gegen Andere (9,9 %), Probleme mit Lehrern (8,9 %) …”

In andere Kommunen sieht die Gemengelage ganz bestimmt ganz ähnlich aus. Was hilft es, Eltern zur Kasse zu bitten, wenn die selbst Probleme haben und die Kinder darunter leiden? Das kann die Lage nur verschärfen.

Und immerhin 7,6 Prozent der Kinder, die die Beratung beim Sozialarbeiter nutzten, waren selbst Opfer von Gewalt geworden. Hier wird das ganze komplexe Problemfeld sichtbar, unter dem Kinder leiden, wenn die sozialen Rahmenbedingungen nicht stimmen. Die Kinder schwänzen eben oft aus genau den Gründen, die Ursula von der Leyen mit ihrer Strafandrohung gegen Eltern nicht ändern kann. Die erlebte Armut ist eine der Ursachen – mit Folgen für das Selbstbewusstsein, die psychische Ausgeglichenheit, die Fähigkeit, dem schulischen Leistungsdruck stand zu halten oder auch dem Mobben auf dem Pausenhof, wenn die Kinder nicht mit den richtigen Wohlstandsattributen ausgestattet sind.

Wem da nur Maßnahmen aus der Schwarzen Pädagogik einfallen, der hat irgendwie die Zeit verschlafen.

Wer die Zahlen zu den Problemlagen sucht, findet sie im “Jugendhilfereport 2010” der Stadt Leipzig:
www.leipzig.de/imperia/md/content/51_jugendamt/news/jugendhilfereport_2009-internetversion.pdf#search=%22schulschw%C3%A4nzer%22

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