Nach den drei Landtagswahlen hat sich die ostdeutsche Zivilgesellschaft am Samstag, dem 28. September, in Leipzig getroffen. Auf der Konferenz „Mach doch! Demokratie-Perspektiven nach den Wahlen“ debattierten Aktivistinnen und Aktivisten die aktuelle politische Situation und beantworteten die Frage, wie die Demokratie geschützt und weiterentwickelt werden könne. An der Konferenz nahmen gut 80 Vertreterinnen und Vertreter von 25 zivilgesellschaftlichen Organisationen teil.

Sie verabschiedeten die Leipziger Erklärung „Demokratie schützen, erlebbar machen, erneuern“. Diese richtet sich an die künftigen Koalitionäre in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. „Handeln Sie jetzt!“, heißt es in der Erklärung. „Demokratische Begeisterung entsteht durch Beteiligung. Ideen gibt es genug. Wir brauchen jetzt einen aktiven Schutz und die Weiterentwicklung der Demokratie, einen Innovationsschub und mehr Mut, ins Experiment zu gehen.“

„Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung sind Frustschutzmittel“

Zu den Forderungen zählen die Absenkung der Sperrklausel bei Landtagswahlen auf drei Prozent, bessere Regeln für landesweite Volksbegehren und kommunale Bürgerbegehren und Innovationen beim kommunalen Wahlrecht. Die digitale Beteiligung soll ebenso ausgebaut werden wie die Bürgerbeteiligung bei der Gesetzgebung.

Zudem werden Maßnahmen zur Demokratiesicherung verlangt, so die Kündigung von Rundfunkstaatsverträgen nur mit Zustimmung des Landtags zuzulassen. Bisher können Ministerpräsidenten dies im Alleingang tun.

„Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung sind Frustschutzmittel. Die Menschen merken, dass sie etwas bewegen können, dass ‚die da oben’ eben doch nicht machen können, was sie wollen. Und eine Absenkung der Sperrklausel würde Regierungsbildungen erleichtern“, sagt Ralf-Uwe Beck, Mitinitiator der Leipziger Erklärung und Bundes- sowie thüringischer Landessprecher des Vereins Mehr Demokratie.

Die Erklärung im Wortlaut

Leipziger Erklärung des Forums für Zivilgesellschaft und Politik | 28. September 2024

Demokratie schützen, erlebbar machen, erneuern

Viele Menschen sind unzufrieden mit der Ausgestaltung der Demokratie, damit, wie sie funktioniert. Sie sehen ihren Anspruch auf demokratische Mitwirkung nicht erfüllt. Die hohe Wahlbeteiligung, aber auch die Nutzung von Petitionen, Bürgerbegehren und Volksinitiativen belegen, dass die Menschen mitwirken wollen.

Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen warnen uns: Mit der AfD hat sich eine rechtsextreme Partei in den Parlamenten etabliert, in Thüringen ist sie die stärkste Kraft im Landtag. Diskurse verschieben sich, rechtsextreme Positionen werden salonfähig, autoritär-populistische Strömungen erhalten Zuspruch. Kurzum: Unsere Demokratie steht unter Druck. Jetzt gilt es, aktiv dagegenzuhalten.

Die Teilnehmenden des Leipziger Demokratie-Forums für Zivilgesellschaft und Politik fordern die Koalitionäre in Brandenburg, Sachsen und Thüringen auf, die Demokratie durch Sicherungsmechanismen, Demokratie-Innovationen und mehr Beteiligung zu stärken. Wir appellieren an die in den Ländern verhandelnden Parteien, folgende Vorhaben in ihre Koalitionsverträge aufzunehmen:

Demokratie schützen: Sicherung der demokratischen Institutionen
• Wahl von Mitgliedern der Verfassungsgerichte vor Blockaden schützen.
• Kündigung von Rundfunkstaatsverträgen nur mit Zustimmung des Landtags.
• Polizei- und Verfassungsschutzpräsident/-innen sowie Landtagsdirektor/-innen sollen keine politischen Beamt/-innen mehr sein.

Demokratie erlebbar machen: Bürgerbeteiligung & Innovationen
• Einführung von Öffentlichen Petitionen (Vorbild: Thüringen).
• Ausbau digitaler Beteiligung, u. a. für partizipative Gesetzgebung (Vorbild: Thüringen).
• Förderung von dialogischer Beteiligung und Bürgerräten.
• Erweiterung der Informationsfreiheitsrechte.

Demokratie erneuern: Weiterentwicklung der direkten Demokratie und des Wahlrechts
• Reform des Landtagswahlrechts: Senkung Sperrklausel auf 3%, Einführung, Ersatzstimme.
• Einführung einer Experimentierklausel für ein modernes Kommunalwahlrecht.
• Senkung der Hürden für Volksbegehren in Thüringen und Sachsen und Einführung der freien Unterschriftensammlung für Volksbegehren in Brandenburg.
• Senkung der Hürden für Bürgerbegehren und Öffnung für Bauprojekte in Brandenburg.
• Finanzwirksame Volksbegehren in Thüringen zulassen (Vorbild: Sachsen).
• Senkung der Unterschriftenhürde für den Bürgerantrag in Thüringen.
• Einführung des Volkseinwandes in allen Ländern.

Die parlamentarische Demokratie steckt in einer Krise, das Vertrauen der Bürger/-innen in die Politik sinkt. Handeln Sie jetzt! Demokratische Begeisterung entsteht durch Beteiligung. Ideen gibt es genug. Wir brauchen jetzt einen aktiven Schutz und die Weiterentwicklung der Demokratie, einen Innovationsschub und mehr Mut, ins Experiment zu gehen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar